Das war 2022!

Winnetou! Sie wollen uns WINNETOU wegnehmen!!
Stimmt zwar nicht, aber die Aufregung war trotzdem groß. Gab ja auch nichts Wichtigeres in diesem Jahr 2022.

Bis auf den Krieg in der Ukraine vielleicht. Der 24. Februar 2022 ist eine Zäsur. Für die Ukraine. Für Europa. Für die Welt. Für das Leben der Menschen. Für die Wirtschaft. Und für die Medien.
Am Tag des Kriegsausbruchs wird Das Erste zum Nachrichtensender, in der Nacht schalten sich Das Erste, das ZDF und tagesschau24 allesamt zu phoenix. RTL und ntv machen ebenfalls gemeinsame Sache. Tagelang stundenlange Sondersendungen. Die Ukraine löst Corona ab. Obwohl Corona ja auch noch da ist.
Beim WDR ist man am Tag des Kriegsbeginns ein wenig ins Schleudern geraten. Denn es war Weiberfastnacht. Und da hat man fröhlich zu sein. Krieg und Frohsinn passen aber dann doch irgendwie nicht zusammen, und nach ein paar Stunden hat man das auch beim WDR eingesehen – und das komplette Karnevalswochenende eingestampft und durch Dokus ersetzt.
Einer, der mutigen Reporter vor Ort: Paul Ronzheimer. Für Bild berichtet er aus Kiew. Mehr noch: In einer Talkshow spricht er auf dem Maidan-Platz in Kiew mit betroffenen Menschen, die in der Stadt mit dem Krieg klarkommen müssen. Berührende Fernsehminuten.
Helden bringt diese Krieg sehr viele hervor: In Russland ist es Marina Owssjannikowa, die in der Nachrichtensendung des Staatsfernsehens mit einem Plakat auftaucht.
Der Krieg und die anschließenden Sanktionen führen zu massiven Preissteigerungen in vielen Bereichen – die treffen sich die Medien. Strom und Gas werden teurer, und der Fachkräftemangel wird auch nicht besser.

Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges steht auch der Eurovision Song Contest 2022. Die deutsche Vorentscheidung sollte eigentlich nur in allen Dritten und bei one laufen. Nun aber ist sie auch im Ersten zu sehen, im Rahmen eines Ukraine-Spendenabends.
Die große Show in Turin gewinnt – die Ukraine, mit einer Rekordpunktzahl. Das Kalush Orchestra hätte mit „Stephania“ in anderen Jahren vermutlich nicht gewonnen, aber auch recht weit oben gelegen. Der Krieg begünstigt bei vielen Votern die Entscheidung – und Hater schäumen mal wieder, die politisch der ESC geworden sei.
Und Deutschland? Immerhin nicht null Punkte – aber trotzdem Letzter. Dabei lag es nicht unbedingt an „Rockstars“ von Malik Harris. Aber die Konkurrenz war mega. Grundsätzlich hat sich aber der NDR auch 2022 wieder alles andere als mit Ruhm bekleckert. Die Idee, die ARD-Popradiowellen über die Beiträge für den deutschen Vorentscheid entscheiden zu lassen, ist nicht die beste. Und in der Show „Germany 12 Points“ hat Sängerin Emily Roberts bei ihrem Auftritt einen Textaussetzer. Irgendwie traurig, das alles.

Dass es Forderungen gibt, dass sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen um solche Dinge nicht mehr zu kümmern habe, ist nicht neu.
Befeuert wird das durch die größte Krise, in die insbesondere die ARD 2022 schlittert. Stichwort: rbb. Und – wo soll man da bloß anfangen?
Sicherlich bei der Intendantin Patricia Schlesinger. Es geht um Gebührenverschwendung, um Millionenausgaben, gleichzeitig um Einsparungen im Programm. Um außertarifliche Verträge mit leitenden Mitarbeitern, um fehlende Kontrollen. Da kommt viel zusammen. Schlesinger muss ihren Posten räumen, diverse weitere Führungspersönlichkeiten ebenfalls. Der Schock und die Empörung im Sender – und natürlich nicht nur da – sind groß. Das digitale Medienhaus ist gestrichen, und in den kommenden Jahren muss massiv gespart werden. rbb – wie weiter?
Aber der rbb steht nicht alleine da, Krisen um Eingriffe ins Programm oder Vetternwirtschaftsvorwürfe gibt es auch beim NDR und beim BR.
Die Rufe nach einer grundsätzlichen Reform des öffentlich-rechtlichen Systems werden lauter.
Um dieses Katastrophenjahr so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, hat der rbb jedenfalls seinen Silvester-Countdown einen Tag früher als geplant auf Sendung geschickt. „Frohet Neuet“, 24 Stunden zu früh. Erstmals ist der echte Jahreswechsel beim rbb eine Wiederholung.

Bei all diesen Krisen – da sehnt man sich doch danach, Schönes aus der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Wobei es bei den Sendern wohl eher Erinnerungen an frühere gute Einschaltquoten sind.
Denn dem linearen Fernsehen laufen die Zuseher weg – besonders die jungen Menschen streamen. Netflix, Amazon, Sky, Disney+ – und wie sie alle heißen. Und während ARD und ZDF noch ganz passable Quoten erreichen, sieht es für RTL und Co. düster aus. ProSieben und RTL Zwei verlieren ihre sehr jungen Zielgruppen. Mit dem Retrotrend will man also eher die Älteren zurückholen, was aber nur mäßig funktioniert.
„7 Tage, 7 Köpfe“ (RTL) floppt, „Geh aufs Ganze“ (Sat.1), „Die 100000 Mark Show“ und „Der Preis ist heiß“ (RTL) dümpeln rum. Auch die Rückkehr von „Britt“ ist kein Erfolg, einzig Barbara Salesch feiert bei RTL wieder ganz passable Quotenerfolge. „RTL Samstag Nacht“ kehrt einmalig zurück.

Es ist nicht einfach für die Fernsehsender, 2022 zu planen. Die Fußball-WM in Katar findet nicht im Sommer, sondern vom Totensonntag bis zum 4. Advent statt. Der Fußball steht zunächst selten im Mittelpunkt, die Kritik an der Fifa und an Katar ist groß. In Deutschland sind die Einschaltquoten ungewöhnlich schlecht – es schalten nur die Hälfte der Menschen ein, die sonst dabei sind. Selbst Spiele zur Primetime haben teilweise unter 5 Millionen Zuschauer. Deutschland scheidet nach der Vorrunde aus.
Und so ist es auch eine Premiere, dass ein Spiel der Fußball-WM nicht die beste Einschaltquote des Jahres erreicht. Der Sieg geht an das Finale der Frauen-Fußball-EM mit 17,9 Millionen Zuschauenden.

Bei der WM im Dezember verabschiedet sich ZDF-Sportreporter Béla Réthy als Kommentator vom Mikrofon. Wir werden seine Stimme bei den Turnieren vermissen. Frank Plasberg gibt „Hart aber fair“ (Das Erste) ab. ZDF-Intendant Thomas Bellut und ZDF-Chefredakteur Peter Frey sind im Ruhestand. RTL-Kriegsreporterin Antonia Rados verabschiedet sich ebenfalls. Jörg Kachelmann verlässt das „Riverboat“ (mdr) – diesmal wohl endgültig. Und Daniel Hartwich kehrt nicht mehr ins RTL-Dschungelcamp zurück.

Von vielen bekannten Menschen müssen wir aber auch wirklich Abschied nehmen.
Als am 8. September Queen Elizabeth II. stirbt, herrscht nicht nur Trauer, es setzt sich auch eine längst geplante Nachruf- und Sondersendungsmaschinerie in Gang. Stundenlang werden die Trauerfeierlichkeiten übertragen.
Gestorben sind auch Papst Benedikt XVI., die Schauspieler Christiane Hörbiger, William Cohn, Hartmut Becker, Kirstie Alley, Ralf Wolter, Angela Landsbury, Günter Lamprecht, Peter Reusse, Ray Liotta, Rainer Basedow, Tobias Langhoff, Hans-Peter Hallwachs, Robbie Coltraine, Liz Sheridan, Michael Degen, William Hurt, Eva-Maria Hagen, Hardy Krüger, Sidney Poitier und Anne Heche. Die Filmemacher Dieter Wedel, Wolfgang Kohlhaase, Wolfgang Petersen und Jean-Luc Godard. Die Musiker Maxi Jazz von Faithless, Andrew Fletcher von Depeche Mode, „Bummi“ Ralf Bursy, Margot Eskins, Schlümpfe-Vader Abraham, Hans Süper, Irene Cara, Aaron Carter, Christian Hummer von der Band Wanda, Jerry Lee Lewis, Coolio, Meat Loaf, Vangelis und Klaus Schulze. Reality-Star Dominic Smith. Die Journalisten und Moderatoren Ruprecht Eser, Angelika Neumann, Wolf Schneider, Fritz Pleitgen, Dieter Gruschwitz, Karl Senne, Claus Seibel, Peter Merseburger, Silvia Laubenbacher, Ellen Tiedtke („Ellentie“), Martina Griegoschweski und Nero Brandenburg, die Autoren Hans-Magnus Enzensberger, Felix Huby und Inge Deutschkron, „Maus“-Zeichnerin Isolde Schmitt-Menzel, Fernsehmacher Dieter Pröttel, Satiriker Hans Scheibner, die Fußballer Pelé und Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, der Fußballfunktionär Egidius Braun, Manager Dietrich Mateschitz, die Politiker Shinzo Abe, Martin Bangemann, Madeleine Albright, Hans-Christian Ströbele, Michail Gorbatschow, Star-Architekt Meinhard von Gerkan, Dufterfinder Manfred Thierry Mugler und Modemacherin Vivienne Westwood.

Der Springer-Verlag beendet außerdem „Bild live“. Zu teuer. Zu erfolglos. Trotz aller Polemik. ProSieben wirft seine Sonntagsblockbuster aus dem Programm, um Reise-Promi-Dokus zu senden. Das geht schief – nach einer Woche fliegen die wieder aus dem Programm. Nun zeigt ProSieben sonntags Football – allerdings läuft der wiederum ab 2023 bei RTL.

RTL wagt sich erstmals an eine Inszenierung der „Passion“ – Alexander Klaws als Jesus. Und wie war’s? Interessant. Und war’s erfolgreich? War okay. Und 2023? Erst mal doch nicht. Überhaupt, RTL. Der Sender mit dem neuen Image. Ohne Hass. Ohne Trash. Ohne Dieter Bohlen.
„Deutschland sucht den Superstar“ mit Florian Silbereisen ist nicht im Quotenglück. Die neue Staffel 2023 ist die letzte – und dafür kommt Dieter Bohlen zurück. Weil, also, irgendwie war der Dieter ja doch nicht so… nicht wahr?
Dennoch wagt man bei RTL viel Neues. Allerdings ist einfach nicht zu verleugnen, dass „Ich setz auf dich“ sehr an „Wetten, dass…?“ erinnert. Nur dass kaum jemand zusieht – und Folge 2 bis heute ungesendet ist.
Dafür feierte Basketball seine Premiere bei RTL. Bei der Heim-EM sichert sich der Sender Spiele der Finalrunde mit deutscher Beteiligung.
Weil Günther Jauch die Moderation des Jahresrückblicks abgab, suchte man neue, frische Moderationstalente. „2022!“ wird dann aber doch nur von Thomas Gottschalk moderiert, gemeinsam mit Karl-Theodor zu Guttenberg. Funktioniert nicht so richtig – wer hätte das gedacht?!

Ja, und was ist denn nun mit Winnetou? Weil das ZDF ankündigte, die Rechte an der Filmausstrahlung nicht verlängerte, bekam Deutschland – also populistische Teile davon – Schnappatmung. Winnetou – verboten! Stichwort: kulturelle Aneignung. Stichwort: Geschichtsfälschung. Dabei sind diese Unterhaltungsfilme – über die ansonsten kaum noch jemand redet – weiterhin im Programm. Als wenig später Winnetou im Ersten lief, bleiben Freudenfeiern aus, ebenso als sie Weihnachten bei kabeleins zu sehen sind.
Aber die Stürme der Entrüstung wehen auch 2022 immer wieder durch Deutschland – meist befeuert durch Bild, rechte Medien und soziale Medien. Dass „Die Sendung mit der Maus“ erklärt, wie eine Transfrau lebt, sei für Kinder unerträglich, finden einige laute Leute. Dass der Partysong „Layla“ angeblich verboten werden soll, sorgt auch für Wirbel – am Ende ist das Ding die erfolgreichste Single des Jahres.
Die Hysterie bei vielen Themen ist groß. Unangenehm groß. Da wird Druck auf Menschen ausgeübt, die angeblich nicht dorthin gehören, wo sie sind. So muss sich der gerade mal 18-jährige Schauspieler Kit Connor gegen Hater wehren. Die sagen, er dürfe in „Heartstopper“ (Netflix) keinen Bisexuellen spielen, weil er selbst es ja nicht sei. Er wird quasi zu einem Coming Out gezwungen.

Gezwungen wurde er zwar nicht, aber am Ende hat er keine Lust mehr: Kurt Krömer gibt seine rbb-Show „Chez Krömer“ ab. Freunde oder Arschlöcher hatte er dort zu Gast – Julian Reichelt war genauso unangenehm wie HC Strache (der dachte, Kurt heißt Chez) – und am Ende brachte der sich lustig findende Faisal Kawusi das Fass zum Überlaufen: Kawusi hatte gegenüber einer betroffenen Frau auf Twitter geschmacklose Gags über K.O.-Tropfen gemacht. Auf seinem Tourplakat ist die Szene zu sehen, in der George Floyd von einem Polizisten die Luft tödlich abgedrückt wird – und an Stelle von Floyds Kopf ist Kawusis zu sehen. „Politisch inkorrekt“ heißt die Tour. Bei „Chez Krömer“ nörgeln sich Kawusi und Krömer gegenseitig an, Krömer haut irgendwann ab – und später ist klar: Das ist auch das Ende der Show. Dass Krömer mit aller Kritik recht hat, und Kawusi moralisch ganz unten ist, zeigen Kawusis spätere hämischen Kommentare auf Twitch.

Und wo ist eigentlich Fynn Kliemann? Jan Böhmermann löst 2022 vermutlich eines der größten Mediengewitter aus. Im „ZDF Magazin Royale“ deckt er auf, dass Social-Media-Star und Musiker Kliemann an zwielichtigen Maskengeschäften beteiligt ist. Dass er davon wusste, dass fehlerhafte Masken an Flüchtlingslager gingen – und er sich dafür feiern lassen konnte. Kliemann weist erst mal alles zurück, wird pampig, und dann… ja, wo ist er eigentlich?

Und sonst so? Beim Oscar 2022 – live – stürmt Will Smith die Bühne und donnert Chris Rock eine rein, wegen eines miesen Gags über Smiths Frau.
Bei der Premiere von „Verstehen Sie Spaß?“ mit Barbara Schöneberger fällt ausgerechnet der Ton aus als das aufwändige Anfangsintro läuft.
Nach dem Skandal 2021 wird aus „Promis unter Palmen“ bei Sat.1 der „Club der guten Laune“. In Wirklichkeit hat die Sendung aber nur einen neuen Titel.
Das Erste geht baden mit der Suche nach Ersatz-Formaten für die nachmittäglichen Soaps – stattdessen dürfen die erst mal weiterlaufen.
Kai Pflaume, Bernhard Hoecker und Elton laden zum Staffelstart zur Show „Wer weiß denn sowas?“ – 25 Stunden! Live!
Der Streamingdienst Starzplay heißt jetzt Lionsgate+ – kurz nach der Umbenennung wird klar, dass der Dienst ganz eingestellt wird.
Ach ja, und Twitter gehört jetzt dem Tesla-Typen Elon Musk, und alle fragen sich, ob Twitter 2023 überleben wird. Und ob wir dann zu den Telegram-Hetzern müssen. Oder zu Mastodon (kennste?).

Aber Hauptsache, Winnetou wird nicht verboten. Und Layla. Und das Gendern. Ach, nein, das kann ruhig verboten werden. Findet ja schließlich die Mehrheit doof, und die Minderheiten, um die es ja geht, die können ja… wie auch immer. Auch 2023 werden diese Diskussionen weitergehen. Oder andere.

Bleibt oder werdet friedlich! Guten Rutsch!


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