Germany 12 Points: Die Pressekonferenz

DO 10.02.2022 | 11.00 Uhr | Eurovision.de

Der NDR kriegt es einfach nicht hin. Oder besser: Der NDR findet einfach keine Leute, die ein Händchen für den Eurovision Song Contest haben. Eine Community schäumt vor Wut. Nein, eigentlich sind es sogar zwei Communitys. Und ganz genau genommen schäumen noch viel mehr Leute.
Der NDR hat seine sechs Kandidaten für die deutsche Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest 2022 vorgestellt. Am Donnerstagvormittag fand die Pressekonferenz für „Germany 12 Points“ statt, die live bei eurovision.de übertragen worden ist. Und festhalten kann man in der Tat: ein Trauerspiel.

Nachdem wir 2018 beim ESC in Lissabon einen tollen 4. Platz erreicht haben, sah es 2019, 2020 und 2021 sehr mau aus. 2019 und 2021 gingen wir am Ende der Tabelle baden, 2020 wäre das auch passiert, hätte der ESC stattgefunden – dass der Auftritt von Ben Dolic eine Katastrophe geworden wäre, war in der damaligen Corona-Ersatzshow ziemlich deutlich zu sehen.
Dabei wollte es der NDR doch besser machen. Man startete unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Casting. Man hatte eine Jury, deren Namen unter Ausschluss der Öffentlichkeit standen. Man hatte ein Auswahlverfahren, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Man wählte einen Sieger, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Öffentlichkeit teilte man dann 2020 und 2021 freundlicherweise mit, wer es denn nun geworden ist: Hier, nimm! Werd glücklich! Das hat nicht funktioniert. Im Fall von Jendrik 2021 lag es nicht wirklich am Song selbst. Aber bei der Bühnenshow und beim Arrangement wäre mehr drin gewesen – man muss bedenken: Die Konkurrenz beim ESC ist extrem stark.

2022 wollte man beim NDR vieles besser machen. Dabei sind sie allerdings nicht zwingend in die richtige Richtung gelaufen. Zwar gibt es in diesem Jahr wieder eine Vorentscheidungsshow, allerdings schiebt man sie zu one und in alle Dritten Programme und tut, als sei das das ganz große Ding, weil ja angeblich in den Dritten viel mehr Leute zusehen würden als im Ersten. Es ist eine Degradierung, Punkt.
Wieder hat man ohne Transparenz „So viel Heimlichkeit“ gespielt. Die Jury öffentlich machen? Die könnte ja beeinflusst werden! Sagen, welche Musiker sich beworben haben? Oh Gott, nein, die Musiker könnten ja Schaden nehmen, wenn sie nicht dran kommen.
Am Donnerstag nun ging der NDR an die Öffentlichkeit.

Was wir nun wissen: Die Jury besteht aus Radiomachern. Denn wie wir ja alle wissen, machen Dudelsender wie NDR2, WDR2 oder die Antenne Brandenburg ja die großen Hits.
Also, eigentlich spielen sie die großen Hits, wenn schon alle anderen erkannt haben, dass es große Hits sind. Oder anders gesagt: Sender wie Antenne Brandenburg oder das seichte NDR2 sind für die Öffentlich-Rechtlichen kein Ruhmesblatt. Und diese Dudelfunk-Chefs haben über die sechs Act für den deutschen Vorentscheid entschieden. Heraus kam: Dudelfunk. Radiotaugliche Songs. Songs, die so nebenbei im Hintergrund laufen können.
Denn die sechs Acts laufen nun in diesen Radiosendern rauf und runter, die Radiohörer haben demnächst ein eigenes Voting.

Nicht falsch verstehen: Jeder der sechs Acts macht gute Musik. Eros Atomus ist mein Favorit, seine Musik geht ins Ohr, macht gute Laune. Aber auch Malik Harris kann überzeugen, und die Songs von Felicia Lu, Mael & Jonas, Emily Roberts und Nico Suave feat. Team Liebe wären jeder für sich auch gute bis „okaye“ Beiträge.
Das Problem ist ein anderes: Es gibt keine Genre-Vielfalt. Es sind alles radiotaugliche Songs. Es ist eingängiger Pop. Es fehlen außergewöhnliche Songs, es gibt keinen Schlager, keinen Rock – und besonders viel Ärger gibt es, weil die Band Eskimo Callboy fehlt. Die war im Casting, kam auch recht weit – wurde aber nicht genommen, weil Hörer von NDR2 oder Antenne Brandenburg einen Herzinfarkt bekommen könnten, wenn die schnellen, harten Klänge von Eskimo Callboys „Pump it“ im Dudelfunk gelaufen wären.
Das ist extrem schade, und es ist vor allem einfallslos und mutlos. Und das, obwohl die ARD nicht nur Dudelfunk hat. Warum werden die Jugendradios nicht an den ESC herangeführt? Warum ist sich radioeins vom rbb zu fein für den ESC?

Momentan laufen in vielen anderen Ländern die großen Entscheidungsshows für die nationalen ESC-Acts. In Italien traten zig Künstler auf, in Schweden ebenso, und in vielen weiteren Ländern sind das große Musikfeste, bei denen sich die Künstler auch nicht schämen müssen, wenn sie nicht auf Platz 1 landen. Im Gegenteil: Sie kommen immer wieder zu diesen Shows – weil sie die nationale Musik und ihre Musikschaffenden immer wieder aufs Neue feiern – ganz im Gegensatz zu Deutschland. Wo wir das einfach nicht hinbekommen wollen.

-> Die Pressekonferenz auf Youtube


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