1990 – Jahr der Einheit: Berliner Mauer sorgt in Lehnitz für Ärger

September 1990 -> 28.9.2010

Rückblick: Der Kreis Oranienburg im Oktober 1990: Proteste gegen geplante Betonzerkleinerungsanlage / Feiern zur Einheit

MAZ Oranienburg, 22.10.2010

Was passierte im Jahr der Einheit im Altkreis Oranienburg – und was stand in der MAZ? Diesmal: die erste Oktober-Hälfte 1990.

OBERHAVEL
3. Oktober 1990: Die deutsche Einheit ist vollzogen. Auf dem Kremmener Marktplatz feiern die Leute ebenso wie in Schwante, wo Bürgermeister Dieter Blumberg um Mitternacht die Deutschlandfahne hisst. Am Morgen erscheint die ehemalige Märkische Volksstimme mit ihrem neuen Namen: Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ). Das Stadtparlament von Oranienburg feiert im noch etwas runtergekommenen Kammersaal des Schlosses. Joachim Knop (CDU) wünscht sich, dass Oranienburg ein Schmuckkästchen wird.

Am selben Tag passiert auf der Autobahn bei Flatow jedoch eine Katastrophe: Nach einem Wildunfall mit mehreren Autos, gerät ein weiteres Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und stößt mit einem Kleinbus zusammen. Der geht in Flammen auf, drei Menschen sterben. Sieben sind schwer verletzt. Wenige Tage danach verunglückt am ehemaligen Grenzübergang Stolpe ein Lkw – mit 350 Fernsehern. Er donnert gegen die Granitplatten der Brückenverkleidung. Schaden: eine halbe Million Mark.

Die Zeiten auf dem Arbeitsmarkt sind im Kreis Oranienburg alles andere als rosig. 4605 Menschen sind arbeitslos gemeldet, die Zahl der Kurzarbeiter steigt alarmierend. Karl Theiss, der Direktor des Arbeitsamtes in Neuruppin, kündigt weitere Entlassungen an – insbesondere in der Landwirtschaft. Auch für die etwa 4000 Schulabgänger von 1991 gebe es zu wenige Stellen.

Unterdessen kann das Gaststättensterben im Kreis nicht gestoppt werden. Von 70 ehemaligen HO-Gaststätten sind 35 dicht. Betroffen sind das „Hubertus“ und die „Schlachteplatte“ in Oranienburg, das „Centrum“ in Sachsenhausen und der „Seeblick“ in Lehnitz. Für letzteren gibt es jedoch einen Käufer, der will die Gaststätte umbauen und bald neu eröffnen.

Die Depression zieht die Rechtsextremisten an. Im Hennigsdorfer Stadtklubhaus tagen am 10. Oktober 1990 vor den Landtagswahlen die Republikaner. Der Saal ist halb gefüllt. Als Carsten Pagel, der Berliner Landesvorsitzende, die Ausländerpolitik ansprechen will, ruft jemand „Raus!“ – und meint wohl die Ausländer im Allgemeinen. Die Rechten sehen, wie sie in Hennigsdorf erneut betonen, keinen Grund, Schlesien und Pommern abzutreten.

Trotz aller schlechten Nachrichten, die Wende bringt viel Neues: Germendorf beispielsweise hat viel vor im Herbst 1990. Auf 85 Hektar des ehemaligen NVA-Übungsareals soll Sandabbau betrieben werden, kündigt Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse an. Geplant sind auch Gewerbe- und Naherholungsgebiete.

Als völlig out erweisen sich inzwischen auch die Kaufhallen. Zumindest der Begriff. In der Straße des Friedens (Bernauer Straße) in Oranienburg öffnet in der vormaligen Konsum-Halle ein Frischemarkt nach zweiwöchigem Umbau.

Und auch wenn die Einheit schon vollzogen ist – die Mauer rund um Berlin ist noch nicht vollständig abgerissen. Das „Kommando zur Beseitigung der Mauer“ plant auf dem Truppenübungsplatz in Lehnitz ab November 1990 eine Betonzerkleinerungsanlage. Somit macht der Ex-Grenzwall erneut Ärger: Die Anwohner befürchten Lärm und Staub.


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