Küssen als Protest

Oberhavel-Promis machen Mundpropaganda gegen Homophobie: Sie sind Freunde, Kollegen oder haben sich erstmals getroffen

MAZ Oranienburg, 13.2.2014

OBERHAVEL
Es ist bloß ein Kuss. Könnte man meinen. In diesem Fall drückt der Kuss Protest und Entschlossenheit aus. Oberhavel setzt ein Zeichen gegen Homophobie. Sportler, Musiker, junge Politiker und engagierte Schüler sind dabei. Sie küssen sich. Sie sind keine Paare. Sie wollen viel mehr ein Zeichen setzen für die Gleichstellung von schwulen Männern und lesbischen Frauen. Angestoßen hatte die Aktion die Zeitschrift „GQ“. Im Dezember ließen sich diverse nicht-schwule Promis küssend ins Bild setzen. Oberhavel zieht jetzt nach.

Das Outing des Ex-Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger sorgte im Januar für Wirbel – es stand auf allen Titelseiten. Zu den Bundestagswahlen im Herbst 2013 war die sogenannte Homoehe ein Streitthema. Vor den Olympischen Spielen in Sotschi rief Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem Anti-Homosexuellen-Gesetz Empörung hervor.

„Ich bin mein ganzes Leben lang Sportler“, erzählt Simon Herold. Der 26-Jährige ist Torwart beim Oranienburger Handballclub (OHC). „Olympia ist das Größte, was ein Sportler erreichen kann. Schwul oder nicht, das ist doch dann so was von egal.“ So sieht das auch sein „Kusspartner“ Robert Kählke, ebenfalls Spieler beim OHC. „In Deutschland hat sich die Situation ja zum Glück ziemlich entspannt.“

Landesschülersprecherin Josephin Bär sieht das ein wenig anders. „In der Schule ist es fast schon normal, den Spruch zu hören: Du bist ja schwul! Nur weil man rosa Nikes an hat“, sagt die 17-Jährige aus Glienicke, die das Oranienburger Runge-Gymnasium besucht. Sie küsste Lisa Westphal (23), eine Mitstreiterin bei der Jungen Europäischen Bewegung Berlin-Brandenburg. „Es ist doch egal, wen man liebt“, sagte Josephin. „Aber in Russland nehmen die Übergriffe leider wieder zu“, ergänzte Lisa. Beiden ist es wichtig, ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen. Josephin: „Wir wollen mehr Liebe in die Welt bringen.“

Zwar gebe es mehr Gesetze für die Gleichstellung von Homosexuellen, aber die Gesellschaft habe sich eher zurückbewegt, findet Lukas Lüdtke. Der 24-jährige Hohen Neuendorfer ist Co-Vorsitzender der Linken in Oberhavel. Seinen Kusspartner lernte er erst beim Fototermin kennen. Torsten Kupka (21) aus Grieben ist Mitglied der SPD. „Es gibt ja nicht nur Probleme in Russland. In Südafrika ist allein der Fakt, schwul zu sein, ein Verhaftungsgrund.“ Die heutige Generation in Deutschland nehme Homosexulität meistens als selbstverständlich hin, dennoch komme es selbst in Berlin vor, dass Schwule bepöbelt werden.

Auch die „Kreisstadthelden“ küssen sich, um gegen Homophobie zu kämpfen. „Alle reden immer davon, wie offen Deutschland ist“, sagte Thomas Schenk (28), der Sänger der Oranienburger Band. „Aber dann war die Homoehe bei den Wahlen doch ein großes Thema. Ich dachte, das haben wir vor zehn Jahren abgeschlossen.“ Drummer Fabian Walgenbach (26) aus Birkenwerder bringt die Küsserei auf den Punkt: „Wir sind alle Menschen, jeder soll so sein, wie er eben ist.“


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