China (2): Stewardessen, die eine Fresse ziehen

Fuer die Einreise nach China muss man drei Formulare ausfuellen. Das Erste, ein Einreiseformular gibt man am ersten Checkpoint ab, am Zweiten bestaetigt man, dass man total gesund ist und kein Aids oder Durchfall hat(te). Dann noch einen Dritten mit allgemeinen Angaben. Das Ganze drueckt man jeweils muerrisch dreinblicken chinesischen Beamten in die Hand.

Zwei Tage Chendu. Nachdem wir unsere Koffer hatten (es kamen alle an!), wurden wir auch sogleich von unserem Guide empfangen. Sherry wird uns in unserer Zeit in Chengdu begleiten. Sie heisst eigentlich anders, aber viele Chinesen haben sich einen zweiten englischen Namen zugelegt, damit sich die Touris nicht die Zunge brechen.
In Chengdu herrscht eine drueckende Demse. Frische Luft? Gibts nicht. Das Durchatmen bringt wenig Angenehmes.
Dafuer ist unser Bus klimatisiert. Sehr kuehl. Wir fahren zu einem Lokal, wo wir essen werden.
Der Verkehr ist der Wahnsinn. Autos, Rad- und Motorraeder fahren kreuz und quer. Spontan wird eine weitere Fahrspur eroeffnet, wenn jemand mal gerade nicht ausweichen kann. Aber das alles lassen sich die Chinesen mit einer Arschruhe gefallen. Der Verkehr erscheint uns hektisch. Ist er aber nicht. Alle sind relaxt, es wird wenig gehupt. Fasziniernend.
Benzin kostet hier umgerechnet 48 Cent pro Liter. Wobei die Chinesen auch wesentlich weniger Geld verdienen.

Ich habe mich verliebt. In das chinesische Essen. Lecker! Geil! Der Hammer! Wir setzen und an einen runden Tisch, die Platte in der Mitte laesst sich drehen. Auf unserem Teller steht ein Becher, der gleich mit Tee gefuellt wird. Fast durchsichtig, aber lecker. Machen wir unseren Tee vielleicht zu stark?
Das Essen nennt sich Challenge. In die Mitte wird haufenweise Essenskram gestellt. Gemuese, Fleisch, Fisch, Suppe, Reis, alles moegliche. Man nimmt sich von allem kleine Portionen.
Die Chinesen in Deutschland stinken voll ab, im Vergleich zum Essen hier. Geschmacksverstaerker habe ich hier jedenfalls bisher nicht angetroffen.
Skurril: Man hat zwei Glaeser dabeizustehen. Beide werden mit dem gleichen Getraenk gefuellt. Bier, Cola, Wasser. Was man will. Will man nur ein Glas mit dem Getaenk, muss man das sagen, sonst werden beide Glaeser gefuellt. In China ist es nicht ueblig, dass man was nachbestellt. Uebrigens auch nicht, dass man nach dem Essen noch sitzt und plaudert. Hier isst man und geht. In der Hinsicht fallen wir natuerlich sofort auf.

Unser Hotel ist eine Wucht. Es soll zu den Besten in Chengdu gehoeren. Unsere Zimmer sind riesig. Hier koennte ich es laenger aushalten. Wir bleiben jedoch nur eine Nacht.

Wir spazieren durch eine Einkaufsmeile. Und wir sind noch keine fuenf Stunden in China, schon wird das Fernsehen auf uns aufmerksam. Ein Team von CCTV2 macht eine Umfrage. Sie haben eine englische Speisekarte in der Hand und wollen wissen, ob man das versteht, was da drauf steht. Da sind sie bei uns nicht ganz an der richtigen Adresse. Aber mit Markus (einem der Mitreisenden aus Berlin) haben sie laenger gesprochen und es sollte am Mitternacht gesendet werden. Wir haben es verpasst…

Zum Hotel gehoerte auch eine Bar. Das Personal war zahlenmaessig groesser als die Besucher. Dementspechend war die Zahl der Begruesser hoch. Nicht eine, nicht zwei, nein, fuenf Damen nahmen uns in Empfang. Auch in der Bar selbst standen zig Leute herum, die nichts zu tun hatten. Personal scheint billig zu sein in China. Der Moment, als sie mir die Getraenkekarte brachten, muss ein Event gewesen sein. Und ich gebe es zu: Ich fuehlte mich unter Druck gesetzt. Waehrend ich versuchte, mir einen Ueberblick zu verschaffen, standen vier (keine Uebertreibung!) Damen hinter mir, zu mir gebeugt und gaben Tipps. Sehr anstrengend. Spaeter standen staendig zwei bis drei von ihnen in Sichtweite zu uns, um zu beobachten, was wir denn so machten. Einen Gin-Tonic bestellen zum Beispiel. Stand nicht auf der Karte, funktionierte aber. Kompliziert wurde es, als Guenter nur einen Gin wollte. Gin? Das Wort kannte die Bedienung nicht. Wat? Er schrieb das Wort GIN auf. Immer noch Kopfschuetteln. Wir bezweifelten inzwischen, dass in dem Gin-Tonic ueberhaupt Gin drin war. War er. Und der Gin kam dann dann auch.
Als spaeter dann jedoch ein chinesischer Barde Schmachtlieder zum Playback sang, wurde es fuer uns Zeit, ins Bettchen zu gehen.
War auch ein langer Tag, im Flugzeug konnte ich vielleicht 2, hoechstens 3 Stunden schlafen.

Chengdu bezeichnet sich selbst als die Pandahauptstadt. So besuchten wir am Freitagmorgen die Pandaaufzuchts- und Pflegestation. Ein sehr schoener Park, und recht schnell sahen wir in einem Gehege drei Pandas. Es heisst, sie fressen jeden Tag 25 Kilo Bambus und haben eine miese Verdauung. Was wohl auch vor kurzem dem Berliner Panda zum Verhaengnis wurde. Was fuer ein Image: Fortpflanzungsmuede und schlecht kacken koennen…
In einem Stall konnten wir uns weitere Pandas ansehen. Laut sprechen war verboten. Foto mit Blitz – davon stand nirgendwo etwas. Wahrscheinlich stoert die Tiere mehr das dumme Gequatsche der Touris, als die Blitze. Nicht fotografieren durften wir hingegen die Pandababys. Die beiden juengsten waren gerade mal zweieinhalb Wochen alt. Ganz klein und zierlich. Das fell erst ansatzweise vorhanden. Zerbrechlich.
Was ich nicht wusste: Es gibt auch braune Pandas. Ganz faul lag einer in seinem Gehege.

Sandy hat es uns angetan. Sandy ist hier in China ein grosser Popstar. Hat man uns jedenfalls bestaetigt. Sie kommt aus Taiwan. Ihre CD entdeckten wir in einem kleinen Laden in Chengdu. Sven griff wahllos zu. In dem regel standen lauter CDs mit jungen Damen auf dem Cover. Im Bus hoerten wir das Ding in meinem Dicman durch. Joa, kann man hoeren. Pop mit asiastischem Touch.
In dem Viertel gab es auch eine Passage, in der lebender Fisch angeboten wurde. Vor unseren Augen wurde ein grosses Exemplar getoetet, in dem die Vekaeuferin das Tier auf den Boden warf und es dann aufschnitt. Lecker. Aber so Sitte. Nicht nur hier. Wie das aber mit der Hygiene hier ist, sei mal dahingestellt. Auch die suessen Haeschen in der Kiste hatten nicht die beste Behandlung genossen, als sie von einer Kiste in die naechste geworfen wurden.

Danach besichtigten wir eine Seidenmanufaktur. Hier werden diverse Bilder, teppiche, Kleider und andere Kunststuecke gewebt. Ein wahnsinnige Kleinarbeit. Das sind echte Kuenstler, die da am Werk sind. Einer knuepft und an anderer ordnet die Faeden. Woher er genau weiss, welchen Faden er jetzt braucht, blieb uns ein Raetsel.
Kunst ist teuer. Bei einem Wandbild ist man schon mal mit 15000 Euro dabei. Ein Schnaeppen.

Weiter in ein Teehaus. In meinem Green Tea schwamm das guene Zeug permant im Glas. Tee wird hier immer wieder nachgegossen, bis die Wirkung oder der Geschmack irgendwann mal nachlaesst. Das koennen schon mal bis zu zehn Aufguesse sein, erklaerte uns Sherry, unser Guide in Chengdu.

Zwischendurch fragten wir Sherry, was sie so über Deutschland weiß, welche Städte sie kennt: Das Ergebnis war überraschend: Sie kannte aus dem Stehgreif eine einzige Stadt. Hannover. Ausgerechnet Hannover, die Stadt, die den Ruf hat, eher langweilig zu sein (auch wenn ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es schlimmere Städte gibt). Wahrscheinlich durch Expo und Cebit scheint ihr ausgerechnet also Hannover ein Begriff zu sein.

Mahlzeiten werden hier eingehalten. Fruehstueck, Mittag, Abendbrot. Muss sein. Kann niemals ausfallen. So war unser Abendbrot am Freitag auch ein Expressessen. Es war 17.45 Uhr, um 18.30 Uhr mussten wir am Flughafen Chengdu sein. Ich sehe es schon kommen: Bald werden wir total gereizt reagieren, wenn jemand fragt, ob wir was essen wollen. Es geht alles tatsaechlich ganz fix, so dass wir puenktlich am Flughafen sind.

Wir einer ziemlich kleinen Maschine flogen wir weiter nach Yichang. Im Flugzeug war nur Platz fuer drei Sitze in jeder Reihe. Thomas, unser 2-Meter-Mann konnte nicht gerade stehen. Und es kam zur Komplikation: Thomas kannkein Chinesisch. So konnte ihm die Stewardess auch nicht erklaeren, was es fuer Besonderheiten gibt, wenn er am Notausgang sitzt. Massnahme: Er musste den Sitzplatz wechseln. Haette man auch vorher mal drauf kommen koennen.
Waehrend des Fluges raetseln Guenter und ich: Ist es schoener, wenn man eine Stewardess vor sich hat, die aufgesetzt laechelt? Oder wenn sie sie eine Fresse zieht, so wie unsere? Wir entschieden uns fuers erstere, verzichten aber darauf, sie drauf hinzuweisen.

Unser Guide in Yichang konnte sogar deutsch. Shery in Chengdu sprach englisch mit uns. Der Guide brachte uns zu einem Supermarkt. Schliesslich seien die Getraenke auf unserem Schiff total teuer, und im Supermarkt sei alles guenstiger. Klar: Er bekommt Konditionen, wenn wir dort einkaufen. Aber egal, der Guide war nett und die Getraenke im Geschaeft billig.

Und da ist sie: Die „Anna“. Unser Schiff, mit dem wir bis Dienstag unterwegs sein werden. Sie fahrt unter der Regie von Victoria Cruises und ist das neueste und grosste Schiff der Flotte. Wir verlassen den Bus. Anna, wir kommen!


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2 Antworten zu „China (2): Stewardessen, die eine Fresse ziehen“

  1. […] Ein sehr schweres Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 erschütterte heute die zentralchinesische Provinz Sichuan. Rund um Chengdu wackelten nicht nur die Hochhäuser. Noch ist wohl unklar, welche Schäden es gab und wie viele Opfer zu beklagen sind. Erst im August und September des vergangenen Jahres war ich selbst in Chengdu, der Stadt mit dem Pandazoo. Wenn man dann so eine Meldung hört, ist man kirgendwie auch selbst betroffen, hält einen Moment inne und sieht die eigenen Eindrücke aus Chengdu vor sich. […]

  2. […] Dass die chinesische Stadt Chengdu so bald wieder in das Zentrum meiner Aufmerksamkeit rückt, hätte ich nicht gedacht. Es wäre nur schön gewesen, wenn es unter einem positiven Aspekt gestanden hätte. Das Erdbeben in der Provinz Sichuan forderte zehntausende Todesopfer, weitere Zehntausende liegen noch unter Trümmern begraben oder werden noch vermisst. Es ist ein brdrückendes Gefühl: Im “RTL-Nachtjournal” wurden Bilder aus dem teilweise schwer zerstörten Chengdu gezeugt. Bilder von in Panik aus dem Flughafengebäude rennende Menschen. Dort bin ich Ende August 2007 gelandet und zwei Tage später von dort aus nach Yichang weitergeflogen. Nun sah man die bebende Erde, das Chaos. Jetzt wird berichtet, dass diese Gegend wegen der Plattenverschiebungen extrem gefährdet ist. Damals hatte ich an vieles gedacht – an Erdbeben ganz sicher nicht. Wer Spenden möchte, kann dies u.a. beim DRK tun: Konto: 41 41 41, bei der Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00. Spendentelefon: 01805/41 40 04 (14 Cent pro Minute, mobil abweichend). Oder per Onlinespende. […]

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