Ist der Ruppiner Kanal tief genug?

Testfahrt mit dem Passagierschiff „Pirol“ von Oranienburg über den Ruppiner Kanal nach Kremmen – MAZ war dabei

MAZ Oberhavel, 8.6.2023

Oranienburg/Kremmen.
Ein Passagierschiff, das von Oranienburg nach Kremmen fährt. Das gibt es nicht alle Tage. Auch, weil nicht immer klar ist, ob das Schiff überhaupt durch den stellenweise recht flachen Ruppiner Kanal kommt. Am Freitag der vergangenen Woche machte sich die MS Pirol vom Oranienburger Bollwerk aus auf den Weg nach Kremmen – eine vorerst einmalige Testfahrt.

„Wir wollen hier etwas in Bewegung bringen, was vor Jahrzehnten mal üblich war“, erzählt Reeder Manfred Ulack. „Da ist man nämlich mit den Passagierschiffen bis nach Neuruppin gefahren.“ Es sei klar, dass die „Pirol“ sowohl in die drei Schleusen passe und auch auf die Wasserstraßen. „Aber größer darf das Schiff nicht sein. Wir wollen sehen, dass wir das wieder beleben können.“ Neuruppin sei letztlich das Ziel, aber zunächst wolle er Kremmen anfahren. Interessant sei auch Altfriesack, wo es einen Fischer gebe.

Allerdings gibt es schon in Oranienburg ein Problem: „Wäre gut, wenn wir Zeit sparen könnten“, sagt Manfred Ulack. Zehn Stunden sind für die Fahrt vom Oranienburger Bollwerk zum Kremmener See eingeplant – fünf Stunden hin, Stunden zurück. Pro Strecke könnte die „Pirol“ eineinhalb Stunden sparen, aber das Schiff muss erst zum Oder-Havel-Kanal, bis Borgsdorf, zur Pinnower Schleuse und über den Oranienburger Kanal, um zum Ruppiner Kanal zu gelangen. Erst 2025 soll die Friedenthaler Schleuse fertig werden, dann könnte die „Pirol“ am Schloss vorbei schneller nach Sachsenhausen und weiter in Richtung Kremmen fahren.

Punkt 9 Uhr setzt sich das Schiff in Bewegung. Mit an Bord ist Jürgen Rathenow von der lokalen Agenda 21. Er kennt sich auf den Wasserwegen gut aus, hat auch viele historische Karten mitgebracht. Er zeigt auf eine der Karten, die darstellt, wie sich vor mehr als 100 Jahren die Havel noch durch die Stadt schlängelte, bevor sie an vielen Stellen begradigt worden ist. Immer wieder zeigt er raus, zu den noch vorhandenen alten Havel-Armen. „Eine Renaturierung wäre so gar nicht möglich“, sagt er.

Vor der Schleuse Pinnow muss die „Pirol“ ein paar Minuten warten, aber dann setzen sich die Tore in Bewegung. Der Schleusungsvorgang dauert nicht lange, die „Pirol“ kann weiterfahren. „Das sind nicht immer die normalen Schleusenzeiten“, sagt Manfred Ulack. Bevor die Fahrt losgehen konnte, musste alles organisiert werden.

Anne Salomon ist Passagierin auf dem Schiff. Sie ist dabei „weil ich in Oranienburg wohne und das einfach viel besser kennenlernen möchte“, erzählt sie. Am spannendsten fand sie die Schleusungen, und sie wolle ein Gefühl dafür bekommen, wie lange so eine Tour bis Kremmen dauere. Ob die Testfahrt überhaupt bis Kremmen führen kann, ist nicht klar, aber die Oranienburgerin ist sich sicher: „Das geht, das ist meine Grundeinstellung.“

In Sachsenhausen biegt die „Pirol“ dann in den Ruppiner Kanal. Kurs auf Kremmen. Hinter der Tiergartenschleuse sind noch die Auswirkungen der Bauarbeiten zu sehen, die am Kanal stattfanden. Die Brandenburger Landesregierung hatte beschlossen, den Kanal auszubauen, nachdem er viele Jahre vernachlässigt worden war. Er soll für Gütertransporte und die Personenschifffahrt wieder besser nutzbar gemacht werden. Besonders zu sehen ist das zwischen der Tiergartenschleuse und der Schleuse Hohenbruch. An einer Stelle hält das Schiff, und Jürgen Rathenow macht den Wassertiefe-Test: Es sind mehr als zwei Meter. Das wird später wieder anders.

Spannend sind aber auch die vielen Brücken. Oft muss Rüdiger Ulack, der Sohn des Reeders, auf das Dach steigen und schauen, ob alles passt. Besonders eng und flach ist die Kuhbrücke, aber auch die in Döringsbrück. Die Antennen schaben oben an der Brücke.

Seit mehr als 50 Jahren ist Martin Grabs am Steuer von Schiffen unterwegs. Er fährt die Pirol durch die Kanäle. Früher beruflich, heute aus Spaß und Freude, wie er mit einem breiten Lächeln erzählt. Groß vorbereitet habe er sich nicht, aber er hat eine Karte vor sich zu liegen, wo alles genau eingezeichnet ist. „Vorsicht ist der Paragraf 1 der Verkehrsordnung“, sagt er. „Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme.“

Hinter Hohenbruch wird der Ruppiner Kanal deutlich enger – und flacher. Mehr als fünf Kilometer pro Stunde kommt das Schiff nicht voran. „Es ist so flach, dass wir nicht schneller vorankommen“, so Martin Grabs. Dafür erleben die Passagiere eine echte Naturidylle. Büsche um Ufer, viel Schilf, eine schmale Fahrrinne, Wasservögel. Die Bäume rauschen.

Zwischen dem Ende des Waldes bei Verlorenort bis zum Kremmener Bollwerk zieht es sich ein bisschen. Rechts und links sind Felder. In Kremmen selbst sind ein paar Angler zu sehen, und spannend ist auch, die kleinen Kanäle zu entdecken, die vom Ruppiner Kanal wegführen. Schließlich erreicht die „Pirol“ nach vier Stunden und 50 Minuten den Kremmener See. Theoretisch könnte das Schiff am Wald- und Seegut anlegen – erst vor ein paar Tagen legte dort ein Schiff aus Neuruppin an. Oder ein Stopp am Bollwerk, nahe der Straße „Am Kanal“? Auf der anderen Uferseite liegt der Hof „Kultur & Beeren“. Betreiber Jan Kühling könnte sich vorstellen, die Gäste zu empfangen und zu bewirten.

Andrea Busse, die Chefin des Kremmener Tourismusbüros, würde sich freuen, wenn öfter Schiff in die Stadt kommen. Wenn man den See „mit dem Schiff erreichen könnte, dann ist das eine ganz tolle Sache.“ Denn früher schon habe es eine Schifffahrtsverbindung nach Oranienburg und Berlin gegeben.

Die Pirol macht sich unterdessen auf den Rückweg. Horst Binkowski sitzt mit seiner Frau hinten in der Sonne. „Die Fahrt hat mich interessiert, weil ich früher, als junger Bengel, hier bis nach Neuruppin gefahren bin.“ Dass die Wasserstraße aber so eng sei, findet er schwach. Er hofft auf einen weiteren Ausbau des Kanals.

Insgesamt neun Stunden und 50 Minuten dauert die Tour, am Abend legt die Pirol wieder am Oranienburger Bollwerk an. Ob es so schnell mal wieder nach Kremmen geht, kann Manfred Ulack noch nicht sagen. „Viel flacher darf es nicht sein“, sagt er. Gerade im Kremmener Bereich sei die Wassertiefe kritisch, und im Hochsommer, bei Trockenheit, sei die Fahrt wohl eher nicht möglich. Aber vielleicht wieder im nächsten Frühjahr – und dann vielleicht vom Oranienburger Kanal aus, um etwa Zeit zu sparen.

Bis dahin bietet die Oranienburger Fahrgastschifffahrt aber weiterhin die Touren zum Lehnitzsee an. Alle Infos dazu gibt es auf der Webseite der Firma – dort steht dann auch, wenn sich das Schiff wieder mal auf den Weg nach Kremmen macht.

Die Seite im Internet: www.oranienburgerfahrgastschifffahrt.de


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