Familienrallye: Prüfungsstress und Autospaß

Es ist ein früher Sonnabendmorgen. Also, zumindest für mich früh. 7.45 Uhr. Unser vorläufiges Ziel ist das Scheunenviertel in Kremmen. Dort beginnt die 20. Brandenburgische Familienrallye 2012.
Seit 1993 veranstaltet die Verkehrswacht Oranienburg dieses Event, das 1993 allerdings noch kein Event war. Das Ganze ist wohl am Biertisch entstanden, und beim ersten Mal machten nur sieben Teams mit. Inzwischen sind es fast 100.
Wir wussten vorher: Die Tour ist 260 Kilometer lang, und es gibt 15 Sonderprüfungen. Übernachten werden wir außerhalb Brandenburgs. Alles andere erfahren wir erst vor Ort.

Die Wiese vor der Theaterscheune „Tiefste Provinz“ in Kremmen ist voller Autos. Die Stimmung ist schon gut für einen Sonnabendmorgen, aus den Lautsprechern kommt Musik. Die Aufregung steigt. Wir melden uns an, und dann kommt auch schon der Tüv-Mann. Er nimmt unseren Firmenwagen unter die Lupe, den ich etwa 30 Minuten zuvor überhaupt erst das erste Mal von innen gesehen habe. Wir sind schon ein bisschen sauer, weil wir offenbar keinen Verbandskasten an Bord haben – bis uns der Tüv-Mann zeigte, dass wir doch einen haben. Hinter irgendeinem Dingsbums. Immerhin war das kein Punktabzug für uns.

Nicht null, nicht einer, nein, unglaubliche zwei Landesminister sind nach Kremmen gekommen, um die fast 100 Teams zu verabschieden: Verkehrsminister Vogelsänger und Finanzminister Markov schwenken die Fahne, bis sie nach etwa 50 Teams dann doch keine Lust haben. Oder keine Zeit. Immerhin sagen sie uns – dem MAZ-Team – extra noch vor dem Start „Tschüss“.
Am Start bekommen wir dann alle Unterlagen: der Tourenplan, alle Fragen, die wir beantworten müssen und und und. In jedem Ort gilt es, eine Frage zu beantworten, die wir auf dem Zettel eintragen müssen.
In Kremmen sollten wir herausfinden, was auf einer Satellitenschüssel am Ortsausgang zu sehen war: ein Smily, ein Schlumpf oder einen Wetterwahn. Wir glaubten, einen Wetterhahn zu sehen, aber eine Leserin meinte später bei Facebook, es sei ein Smily.

Sommerfeld. Erste Prüfung. Wir müssen einen Golfball durch einen Feuerwehrschlauch drücken. Läuft gut, bis wir merken, dass uns der Golfball irgendwo abhanden gekommen ist. Nun ja.
Wall. Auf dem Golfplatz muss ich einen Ball so weit wie möglich auf die Wiese schlagen. Ich schaffe etwa 32 Meter. Geht so. Allerdings müssen wir zuvor lange anstehen. Es zieht sich.
Hinter Wall wartet ein Blitzer der Polizei auf uns. Glücklicherweise hat uns ein entgegenkommender Autofahrer schon darauf hingewiesen. Er meint, hier, zwischen Pabsthum und Wall steht sonst nie ein Blitzer.
Lichtenberg. Auf dem Gut Hesterberg sollen wir ein Hufeisen weitwerfen. Darüber möchte ich jedoch an dieser Stelle nicht weiter reden: Wir werden Letzter. Allerletzter bei diesem Wettbewerb. Außerdem sollen wir noch schätzen, wie viel die fette Kuh wiegt, also, wirklich eine Kuh. Wir tippen 554 Kilogramm. Sie wiegt 580.
Neuruppin. Für die Fontanestadt haben wir einen gesonderten Stadtplan, er besteht nur aus Richtungsangaben. Dass ich Neuruppin kenne, erleichtert die Sache. Anhand der Pfeile und Kreuzungen sehe ich vorher schon, wo es langgeht – auch an der Neuruppiner MAZ-Redaktion vorbei. In der Neuruppiner Prüfung muss ich auf einer Platte balancieren und schaffe 63 Prozent, ein wohl ziemlich mieser Wert. Der Herr vor mir schaffte 78, und das sei mittelmäßig. Erschwerend kommt bei mir hinzu, dass während der Übung das Handy klingelte – eine Dame von Vodafone teilte mir mit, dass die vom Shop nicht kulant seien. Herzlichen Dank, ihr…

Kunsterspring. Wir sollen die Frage beantworten, wann die Stele aufgestellt wurde. Blöderweise finden wir sie nicht.
Linow. Wir erfahren am dortigen Prüfungspunkt, dass wir eine Prüfung versäumt haben. Tatsächlich haben wir uns schon gewundert, dass wir nicht, wir auf dem Fragenkatalog vermerkt, nicht durch Charlottenau gekommen sind. Wir drehen um.
Charlottenau. Nun also doch. Beim Gefahrenbremsungstest kann sich meine Kollegin gut behaupten. Es geht darum, einmal auf trockener Straße zu bremsen, dann auf der nassen. Und man muss immer an derselben Stelle stoppen. Sie sagt, das sei die beste Prüfung überhaupt gewesen.

Linow, zum Zweiten. Beim Wissensquiz des Roten Kreuzes geht es um die richtige Verfahrensweise bei Notfällen. Lief gut.
Dorf Zechlin. Zwangspause. Nach zwei Stunden müsse man ja sowieso eine Pause machen, und diese Station besteht darin, 30 Minuten nicht zu fahren – allerdings sind da schon mehr als vier Stunden vorüber.
Wir verlassen über wunderschöne Alleen und Waldstraßen Brandenburg in Richtung Mecklenburg-Vorpommern.

Buschhof. Auf einem Acker namens Waldstadion (ohje!) ist ein Fahrradparcour aufgebaut. Ich muss an den Kegeln vorbei und muss dann an einer bestimmten Stelle bremsen. Läuft nicht so doll, kurz vor Schluss verpasse ich einen Kegel, und noch einen. Und dann stellt sich raus, dass ich am Anfang den Schulterblick vergessen habe. Na toll. Wo ja hier auch so ein starker Verkehr herrscht.
Dambeck. Noch eine Radprüfung. Die Kollegin muss sich auf ein Minirad schwingen und erneut einen Slalom fahren. Läuft nicht sehr viel besser als bei mir.
Minzow. Wir müssen herausfinden, wann das Fachwerkhaus erbaut wurde. Am Ortsende fragen wir uns: welches Fachwerkhaus? Am einizigen Fachwerkhaus steht kein Datum. Wir fahren noch mal zurück und wieder durch den Ort. Schließlich steige ich aus und laufe fast aufs Grundstück des Hauses. Erst da sehe ich das Datum auf einem Torbogen: 1786.

Unterdessen sind wir in der Einöde, im Nirgendwo. Wahnsinn. Die Leute in dieser Gegend wohnen im Nichts.
Malchow dagegen ist ganz schön an einem See gelegen und hat sogar eine Zugbrücke, die den Verkehr mal fix für 20 Minuten zum Erliegen bringt. Malchow lernen wir länger kennen, weil wir uns – wie ein Großteil des Trosses – dort verfahren. Wir müssen aufs Navi zurückgreifen.
Nossentiner Hütte. Letzte Prüfung für den Sonnabend. Ich muss zu einem Tisch rennen, drei mir vorgegebene Verkehrszeichen raussuchen und wieder zurückrennen. Ein Zeichen war leider falsch, irgendein Verkehrsleitsystem.

Linstow. Unser Ziel am Sonnabend. Wir wohnen in einem Resort, jedes Team hat ein Appartment. es heißt, das war in den vergangenen Jahren lange nicht so schön.
Es gibt ein tolles Abendbrotbüfett und einen … ähm, nicht so tollen DJ. Dessen Spezialität: ein sprechender Tannenbaum. Und weil der DJ aber kein Bauchredner ist, spricht er den Tannenbaum selbst und kramt die besten Witze der 60er und 70er-Jahre aus. Ein paar Leute lachen. Wir entschließen uns, die Party zu verlassen, schließlich läuft ja auch das „DSDS-Finale“.

Sonntag. Tag 2. Heute muss alles besser werden. Wir erfahren die Ergebnisse des Vortages. Heute muss alles besser werden. Erwähnte ich das schon?
Abfahrt wieder im Minutentakt. Vorher hat meine Fahrerin den Alkoholtest bestanden: 0,0 Promille.
Dobbin. Nachdem sich eine Autoschlange im Dorf an der Infotafel vorbeigeschlichen hat – irgendeine Prinzessin Juliane hat mir mal gelebt – fahren wir eine staubige Schotterstraße entlang. Aus der Familienrallye wird die Rallye Dakar. Inklusive Schlaglöcher.
Wieder sind wir schockiert über die völlige Einöde, in der die Menschen hier leben. Glave besteht am Ortseingang fast nur aus verfallenen Scheunen.

Plau am See. Auf einem Supermarktparkplatz beantworten wir zehn Fragen zu Friedrich II. Wir haben acht Punkte.
Kurz bevor wir wieder die Grenze nach Brandenburg passieren, fahren wir noch am Marienhof vorbei. Der Ort heißt tatsächlich so. Ob er auch bald abgesetzt wird?
Wittstock. Diesmal müssen wir mit dem Auto Slalom fahren. Zusätzlich muss ich als Beifahrer während der Fahrt einen Volleyball in einen Eimer werfen. Einmal gelingt mir das. Dreimal nicht.
Herzsprung. Am Rande der Raststätte geht es darum, ein Seil mit einem Spielzeugauto am Ende aufzuwickeln. Die Kollegin braucht keine zehn Sekunden. Top.

Die Ortsdurchfahrt von Katerbow ist gesperrt. Lernen wir leider nicht kennen. Wir müssen durch Frankendorf. Der Ort hat – wie so manches Kaff in Mecklenburg auch – nicht mal mobiles Internet. Wahnsinn.
Neuruppin, zum Zweiten. Auf dem Seedamm wundern wir uns, dass uns ständig Rallyekollegen entgegen kommen. Zwischen Wuthenow und Gnewikow fragen wir bei einem Team nach: Prüfung 4 und 5 finden in Neuruppin statt. Haben wir wohl übersehen, auch, weil die Tests abseits der uns angegeben Strecke stattfinden. Also, umdrehen.
Neuruppin, zum Dritten. Ich bekomme eine Brille auf, die simulieren, dass ich besoffen bin. Ich muss einen Einkaufswagen an Kegel vorbeilenken. Ich sehe alles doppelt und verzerrt. Meine Kollegin muss mich leiten. Ansonsten wäre ich aufgeschmissen. Fehlerfrei. Kurz danach geht es ums Einparken. Wir überfahren leider die vordere Linie. Schade.

Gnewikow. Wir sind im Ziel. Und völlig fertig. So spannend die Tour ist, danach braucht man Urlaub.
Am ersten Tag hatten wir nicht mal das Radio an, so sehr ist man mit den Aufgaben beschäftigt. Die eine oder andere Prüfung empfanden wir als überflüssig. Schön wären noch mehr autobezogene Tests gewesen. Das Fahren nach Plan und die vielen Fragen, die wir anhand der örtlichen Gegebenheiten beantworten müssen, das macht großen Spaß.
Ein Team aus Velten hat gewonnen – dasselbe wie 2011. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand sind wir gerade mal 82. – von 93 Teams, die am Sonntagvormittag in Linstow losgefahren sind.
War aber trotzdem eine schöne Erfahrung!

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