Am Obersalzberg (2): Angeschossene Christkindl

(1) -> 3.12.2010

Wenn der Buttnmandlmoasta kommt, ins Arschpfeifenrösserl bläst und das Christkind abschießt – dann sind wir in Berchtesgaden. Es gibt hier diverse Adventsbräuche, die deutschlandweit gar nicht so wirklich bekannt sind.

Franz Pfnür ist dafür verantwortlich, dass jedes Jahr in dieser Gegend das Christkind angeschossen wird. Er ist Böllermacher. Gemeinsam mit seinem Sohn Wolfgang arbeitet er in seiner Werkstatt in Maria Gern und stellt die Geräte zum Saltschießen her. Das Christkind anschießen bedeutet nämlich nicht, es umzubringen.
Der Brauch sieht so aus: Eine Woche vor Heiligabend herrscht ab 15 Uhr eine Viertelstunde Radau in Berchtesgaden und seinen Ortsteilen. Die Weihnachtsschützen böllern in die Luft, um gewissermaßen das Christkind zu begrüßen. Das passiert bis einschließlich Heiligabend jeden Nachmittag, am 24. Dezember zusätzlich vor der Christmette.
Frauen dürfen da übrigens nicht mitmachen – und auch nur Männer, die unbescholten sind, also keine Strafen auf ihrem Konto haben. „Für Außenstehende ist das schwierig zu verstehen“, sagt der Böllermacher. Da ist was dran.

Weiter geht’s nach Ramsau zu einem Holzspielzeugbauer. In Berchtesgaden wird der Weihnachtsbaum nämlich nicht mit Kugeln und Lametta geschmückt, sondern mit Holzspielzeug. Das ist seit 1911 so, und sogar der Führer hatte auf dem Obersalzberg so einen Baum. Zu den bekanntesten Spielzeugen aus Berchtesgaden gehört das Arschpfeifenrösserl. Das ist ein Holzpferd mit einem nach oben stehenden Schweif. Dieser ist eine Pfeife. Wenn man da rein bläst, pfeift’s. Irgendwie seltsam. In der Werkstatt vom Graßl Steffan gibt’s aber auch Krippen, eine Arche, kleine Figuren, Häuschen, einen Engel, Räuchermännchen, die Heiligen drei Könige und vieles mehr. Ein echtes Sammelsurium.

Weihnachten sollte natürlich auch eine besinnliche Komponente haben – dafür fuhren wir nach Königssee. Von dort aus fährt das Schiff über den Königssee auf die Halbinsel St. Bartholomä. Schon das ist ein Erlebnis. Es handelt sich um Schiffe mit Elektromotoren, die fahren also sehr leise – und ohne Licht. Das heißt: Man setzt sich etwa eine halbe Stunde in einem dunklen Raum, man spürt kaum, dass sich das Schiff fortbewegt. Draußen man nicht oder nur schemenhaft die Felsen am Ufer des Sees. Als ob wir in einer Zeitkapsel sitzen.
Zwischendurch stoppt das Schiff. Dann ist es ganz ruhig. Still. Und die Bläser auf dem Schiff spielen – und das Echo hallt von den Bergen. Gänsehautmomente.

Auf St. Bartholomä besuchten wir in der Wallfahrtskirche die Batholomä-Weihnacht. Ein Herr liest die Weihnachtsgeschichte von Ludwig Thoma, dazwischen spielen Bläser, eine Harfe und Gitarre, ein Quartett mit jungen Männern sang Mundartlieder. Auch die Geschichte selbst las der Herr in tiefstem, urigen Bayerisch. Kaum zu verstehen, aber da die Geschichte an sich ja bekannt ist, kann man ihr doch noch ganz gut folgen. Allerdings schmückt Thoma die Geschichte doch sehr, sehr aus… Und, ach ja: Kalt ist’s. Sehr kalt. Keine Heizung. Die Kälte kriecht langsam von unten nach oben. Nach 90 Minuten kann man sich dann in der historischen Gaststätte St. Batholomä wärmen. Während des Essen spielen die Musiker weitere Stücke – sehr weihnachtlich und besinnlich.
Der Abend endet wieder auf dem Schiff – wieder im Zeittunnel. Fast schon spirituell.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Am Obersalzberg (2): Angeschossene Christkindl“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert