Radtour (7): Durch die Brennnesseln

(6) -> 19.6.2011

Als ich losfuhr, hatte ich kurz die Befürchtung, dass die Radtour langweilig werden könnte. Dass es mal wieder zu einem Abenteuer ausarten würde, konnte ich nun wirklich nicht ahnen.

Diesmal radelte ich in Richtung Sachsenhausen. Eigentlich wollte ich bis in den Ortskern und dann weiter über Friedenthal zurück nach Oranienburg. Aber es sollte anders kommen.
Erster Zwischenstopp an der Schleuse. Rechts der Straße liegt ein Tümpel. Ein merkwürdiger Tümpel. Er sieht nämlich aus, als ob er vereist ist. Aber wahrscheinlich ist da einfach nur eine zentimeterdicke Grütze an der Oberfläche. Oder doch ein Chemieskandal?

Gleichzeitig erblickte ich die Straße Zur Biberfarm. Eine schmale Straße direkt neben dem Wasser.
Also radelte ich los, über den rumpeligen Plattenweg, direkt neben mir der Fluss.
Irgendwann soll die Havel ja mal für den Freizeitverkehr schiffbar gemacht werden. Da ist einiges zu tun. Lauter Seerosen schwimmen auf dem Wasser, auch sonst scheinen viele Wurzeln drin zu schwimmen.
Nur eine Biberfarm habe ich nicht gesehen. Vielleicht habe ich sie auch übersehen.
Bald erreichte ich eine Art Deich mit einem schmalen Weg. Ein ngler saß gemütlich am Ufer, er sah nicht so zufrieden aus. Ansonsten: Stille. Die pure Idylle.

Die Havel mündete inzwischen in einen anderen Fluss, der Weg wurde immer schmaler und endete an einem Tor. Dahinter befand sich zwar auch ein Weg, aber er gehört zu einer Gartensparte. Links vom umzäunten Gelände führte jedoch ein schmaler Weg am Fluss entlang.
Und wie das immer so ist: Umkehren ist doof. Umkehren ist langweilig. Also radelte ich auf den Pfad. Den Berg runter Richtung Wasser. Wieder einen Berg hoch. Lockerer Sand. Zur Seite abfallender Weg. Und wieder Richtung Wasser.

Bald erreichte ich dann auch das Ende der Gartensparte. Aber der Weg ging weiter. Das heißt: Irgendwas, was an einen Weg erinnerte, ging weiter. Rein ins Feld. Immer enger wurde der Pfad, die Brennnesseln standen hoch auf beiden Seiten. Oder andere Büsche. Dann wieder runter Richtung Ufer. Gern auch mal ein Baum quer überm Weg.
Und ich dachte, als ich neulich das Rad auf der alten Bahnstrecke zwischen Sachsenhausen und Schmachtenhagen schieben musste, hätte ich den Tiefpunkt erreicht.
Nein, diesmal war ich im Nirgendwo. Vermutlich irgendwo am Oranienburger Kanal. Ob er Weg irgendwohin führt, wusste ich nicht. Aber ich wollte einfach nicht umdrehen. Zwischendurch wurde es so eng oder steil oder eng und steil, dass ich absteigen und schieben musste. Das Rad schob ich über die Brennnesseln, dass ich auf dem Weg gehen konnte.
Dämmrig wurde es auch noch.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Eine Survivaltour durch die Natur, durch Gräser, über Felder, entlang eines Gewässers.

Aber dann: Land in Sicht! Und Häuser. Und eine Straße. Ich hatte die Zivilisation wieder erreicht. Noch wusste ich zwar immer noch nicht, wo ich war, aber das war mir in dem Moment egal. Asternweg. Blumenweg. Parkweg. Alles Straßen, die ich nicht kannte.
Umso größer war die Überraschung, als ich plötzlich am Hafen hinter dem Schlosspark ankam. Ich war auf dem völlig falschen Dampfer. Ich dachte, ich radele am Oranienburger Kanal entlang, aber es war die Havel. Die gute, alte Havel.

Ich fuhr am Schloss vorbei zu den Schulsportplätzen. Was mir völlig neu war: Man kann auf den Hof der Havelschule fahren. Die Havelschule ist meine alte Grundschule, damals hieß sie noch Pablo-Neruda-Oberschule.
Heute ist dort auf dem Hof ein Spielplatz. Ich dachte immer, das Gelände ist umzäunt. Aber man kann drauf fahren oder laufen. An der Sporthalle vorbei auf den Schulhof.
Viele Erinnerungen. Die Hofpause. Die Spiele, die wir damals gespielt haben. Und hinter der Schule war der Appellplatz. Auf den Fahnenappellen standen wir immer, wenn jemand ausgezeichnet wurde.

Nein, langweilig war auch diese Radtour ganz sicher nicht. Natur, Abenteuer und Erinnerungen. Es war alles dabei.


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Kommentare

9 Antworten zu „Radtour (7): Durch die Brennnesseln“

  1. Der Bruder

    Ja dieses Gebiet kenne ich noch halbwegs aus den Zeiten der ‚Fuchsjagden‘. Es ist ziemlich unübersichtlich mit den vielen Kanälen (Kreuzkanal) und der Havel. Irgendwo muß du doch eine über eine Brücke gefahren sein, oder?

  2. RT

    Nein, keine Brücke.

  3. Glaube, du hast sie nur nicht als Brücke erkannt… http://maps.google.com/maps?q=Oranienburg,+Deutschland&hl=en&ll=52.769111,13.235135&spn=0.003823,0.008776&sll=37.0625,-95.677068&sspn=40.86791,71.894531&t=h&z=17 <– An dieser Stelle muss einst die alte Havel mit Ruppiner Kanal/Oranienburger Kanal verbunden gewesen sein… und dort befindet sich ein Übergang aus Klinker… man sieht den Klinker wenn man aus Richtung Kanalkreuzung auf die Stelle zufährt. Dort liegen auch Schienen, um Kanus dran vorbei zu bewegen; mittlerweile indes alles verwachsen und verlandet.

  4. RT

    Ich habe an der Stelle keine Verbindung zwischen Havel und Kanal gesehen. Eine Brücke gabs da nicht wirklich, wo ich langgefahren bin. Bis zur Kanalkreuzung war ich auch nicht.

  5. Der Bruder

    Stimmt. Mir war so als ob dort mal eine Verbindung bestand… Liegt ja auch irgendwie nahe, oder…?

    http://maps.google.de/maps?q=oranienburg+&hl=de&ll=52.769306,13.234963&spn=0.003421,0.009624&sll=53.397608,12.621158&sspn=0.006743,0.019248&z=17

  6. RT

    Der nach links führende Havelarm ist, glaub ich, aber nicht (mehr) so lang.

  7. carlos

    Vermutlich; war lange nicht mehr dort. Aber die Google-Aufnahmen sind ja doch schon recht alt mittlerweile und der Wuchs geht weiter…

  8. RT

    Ja, teilweise sind die Google-Aufnahmen 10 (!) Jahre alt.

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