„Hochkultur auf niedrigem Niveau“

Die Oderhähne aus Frankfurt gastierten mit Schnäppchenshow in der Orangerie

MAZ Havelkultur, 27.11.2006

ORANIENBURG

Alles wird billiger. Überall nur Schnäppchen. Der Mittwochskracher im Supermarkt ist ein Rheinischer Rollbraten für 3,49 Euro. Mischhack gibt’s für 99 Cent pro Kilo. Na, wenn das mal kein Gammelgehacktes ist.
Klar, in Zeiten in denen alles immer billiger wird, kommt eine „Schnäppchenshow“ gerade recht. Gerade die boten am Freitagabend die „Oderhähne“ in der Orangerie im Oranienburger Schlosspark. Die Kabarettgruppe aus Frankfurt (Oder) zog in ihrem Programm mal bissig, mal flapsig, hin und wieder aber auch ziemlich flach das politische und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland durch den Kakao. „Die Eintrittskarte wurde Ihnen ja für ganze 15 Euro hinterhergeschmissen“, ätzte Oderhahn Wolfgang Flieder. Dafür könnte man in der Oper in Berlin gerade mal die Aufbewahrung der Garderobe bezahlen. „Die Schnäppchenshow“ dagegen sei „Hochkultur auf niedrigem Niveau“.
Auf einer Leinwand wurde das Possenspiel einer Frankfurter Plenarsitzung aufgeführt, in der es darum ging, was in der Öffentlichkeit diskutiert werden könne und was doch besser nichtöffentlich. Den Zuschauern in Oberhavel dürfte das aus diversen Sitzungen des Kreistages bekannt sein.
Die Liebe zwischen Angela Merkel und Franz Müntefering wurde ebenso besungen wie ein mögliches Bündnis zwischen Guido Westerwelle und Edmund Stoiber. Und Oskar Lafontaine: „Ich bin nur ein armer Wandergesell, gute Nacht, armes Deutschland.“ Nicht fehlen durfte auch die „Super-Nanny für durchgeknallte Politiker“: Sabine Christiansen.
Jeder Politiker bekam von der Kabaretttruppe sein Fett weg. Da hieß es, dass Joschka Fischer gerade in Berlin sei. „In der Charité wartet er auf die Entbindung seiner zukünftigen Frau.“ Angemerkt wurde auch, dass Angela Merkel ja nun schon der dritte FDJ-Sekretär sei, der es zum Regierungschef geschafft hat – nach Erich Honecker und Egon Krenz.
Das Publikum in der fast ausverkauften Orangerie amüsierte sich köstlich über die Politikerschelte. Auch wenn manches eher Kalauer als Pointe war, trafen die Oderhähne damit den Nerv der Zeit. Schnäppchen gäbe es überall. Wirklich überall. Selbst im Erotiksalon Pussycat. „Fehlt ’ne Tussi, call a Pussy“, so das Motto des fiktiven Unternehmens. Und das Angebot: „Zahl zweimal, mach’s dreimal!“
Margit Meller, Dagmar Gelbke und Wolfgang Flieder ließen kein Thema aus. Gunther van Hagens Plastinate, Tupperpartys („wenn Damen sich gegenseitig ihre Dosen zeigen“), Brötchen, die seit Zeiten der Ostmark 80-mal teurer wurden. Warum allerdings eine ganze Nummer, über die neuen Kaufsitten im Supermarkt, fast wortwörtlich von Jürgen von der Lippe „übernommen“ wurde – war die etwa auch ein Schnäppchen?


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