Mit dem Gelben Engel im Einsatz

Eine Schicht mit der ADAC-Straßenwacht zwischen Oranienburg und Herzsprung unterwegs – bei Tarmow verliert ein Wohnwagen ein Rad, in Breddin läuft Säure aus der Batterie, im Kreuz Oranienburg ist von einem Betrugsversuch die Rede

MAZ Nordbrandenburg, 11.6.2025

Oberhavel/Ostprignitz-Ruppin.
Ein möglicher Betrugsversuch am liegen gebliebenen Fahrzeug im Kreuz Oranienburg. Ein Lieferwagen abseits der Fahrbahn und die Sorge, ob ein medizinischer Notfall vorliegt. Und ein Schock.
Das Auto mit dem Wohnwagen hat gerade den Kreisverkehr an der Autobahn-Ausfahrt verlassen, da gibt es einen ordentlichen Knall. Eine große Staubwolke steigt auf und wir sehen ein Autorad aus dieser Wolke auf uns zukommen. Das Rad rollt dann auf der Straße in Richtung Wiese.
Das Auto mit dem Wohnwagen bleibt direkt vor uns stehen. Auf der Fahrbahn dahinter sind Kratzer zu sehen und ein paar vom Wohnwagen abgefallene Materialien. Der Schaden scheint groß.
„So was habe ich auch nicht erlebt”, sagt Fabian Schmidt. Der Oranienburger sitzt am Steuer eines der gelben ADAC-Wagen. Der 24-Jährige gehört zur Straßenwacht, ist acht Stunden am Tag unterwegs. Hier hat er es mit einem besonders schwierigen Fall zu tun.

Als er Stunden zuvor in Hennigsdorf seinen Dienst antritt, wusste er nicht, was der Tag bringen, was er für Aufgaben haben und was er für Menschen treffen wird. Er an diesem Tag in der Region zwischen Oranienburg und Herzsprung unterwegs. In ganz Brandenburg sind derzeit verteilt zwischen 6 und 23 Uhr täglich etwa 33 Menschen bei der ADAC-Straßenwacht im Einsatz. Im Norden und Nordwesten sind es sieben bis neun.

Wie Teamleiter Dirk Kutscha sagte, gab es 2024 im Team-Bereich – dazu gehören Oberhavel, Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und das nördliche Berlin – etwa 17.700 Pannenhilfe-Einsätze. In 85 Prozent der Fälle konnte eine Weiterfahrt ermöglicht werden.
Neben dem ADAC gibt es weitere Clubs, die in Pannensituationen helfen. Dazu gehören unter anderen der AvD, der Automobilclub von Deutschland, und der ACE, der Auto Club Europe.

„Der Arbeitstag ist immer eine bunte Wundertüte“, sagt Fabian Schmidt. In Hennigsdorf steht das Auto sicher in einer Garage, von dort aus beginnt der Arbeitstag. Die MAZ war eine Schicht lang bei allen Einsätzen dabei.

Es ist 12.30 Uhr, als wir uns zunächst auf den Weg in Richtung Oranienburg machen. Disponentin Nadine ruft an, sie ist an diesem Mittag diejenige, die Fabian Schmidt im Auto sagt, welche Einsätze er hat. Sie sitzt in Ludwigsfelde, und sie hat den Überblick über die Region.
Tatsächlich kommt der erste Auftrag rein: In der Oranienburger Fischerstraße ist ein Auto liegen geblieben. Es steht halb auf dem Gehweg. Steffen Fischer ist erstaunlich gelassen – wie überhaupt an diesem Tag alle Leute sehr freundlich und gefasst sind, die wir antreffen werden. Der Oranienburger erzählt, er sei auf der Bernauer Straße – einer Bundesstraße – liegen geblieben. Mithilfe der Polizei schaffte er es in die kleine Nebenstraße.
„Das Auto ist einfach ausgegangen, jetzt leuchtet die Motorlampe“, sagt Steffen Fischer. Fabian Schmidt schaut sich den Motor an.
Scheinbar gibt es ein Problem mit dem Gaspedal und der Drosselklappe. „Um die Werkstatt kommst du nicht drumherum“, sagt der ADAC-Mann. Dennoch bekommen sie das Auto erst mal wieder in Gang. Nach einer Probefahrt über den Parkplatz kann er nach Hause fahren.
Sicherheitshalber folgen wir dem Auto ein Stück, aber es rollt. Wir fahren unterdessen zur Tankstelle kurz vor Germendorf. Kurze Pause.

Hilft Fabian Schmidt eigentlich nur ADAC-Kunden? „Wir sind dazu verpflichtet, bei jeglichen Havaristen anzuhalten und Hilfe anzubieten, da ist es völlig egal, ob sie Mitglieder sind oder nicht“, sagt er. Ein mögliches Schleppfahrzeug sei dann aber zu bezahlen.

13.36 Uhr. Nächster Einsatz in der Weißen Stadt in Oranienburg. Ein Wagen springt nicht an. Keine große Sache, die Batterie hatte sich entladen.

„Wir sind immer ansprechbar“, sagt Fabian Schmidt während der folgenden Pause im Oranienpark. Sehe jemand eines der gelben Autos, dann könne man hingehen, wenn man spontan Hilfe brauche.
Aber es kommt der nächste Auftrag – es geht nach Tarmow bei Fehrbellin. Ein Auto mit Anhänger springt nicht mehr an. Wir fahren auf die Autobahn.
Fabian Schmidt ist relativ neu dabei, seit Juni 2024 ist er für den ADAC auf den Straßen der Region unterwegs. Er hat vorher als Kfz-Mechatroniker in einer großen Autowerkstatt gearbeitet. „Ich wollte aber aus der Werkstatt rauskommen“, sagt er. Auf Dauer sei ihm das zu langweilig gewesen.
Der ganz große Reiz bei seinem jetzigen Job sei, dass er nie wisse, was als nächstes komme. „Ich weiß auch nie, mit welchen Menschen ich es zu tun habe.“

14.53 Uhr. Wir haben den Fehrbelliner Ortsteil Tarmow erreicht. In der Dorfstraße steht ein Auto mit Anhänger. Stefan Klatt ist auf dem Weg von Berlin nach Schleswig. Eigentlich.
„Das Auto hatte immer weniger Leistung.“ Als er langsamer werdend auf dem Randstreifen der A24 fuhr, wurde die Polizei auf ihn aufmerksam. Er fuhr in Fehrbellin von der Autobahn ab – und nun steht er mit dem Dienstwagen auf der Tarmower Dorfstraße.
Er zeigt auf den Motor und den Luftladeschlauch. Der Schlauch zieht Luft, und schnell hat Fabian Schmidt ihn in der Hand. „Das Auto war erst in der Werkstatt, es bleibt ständig liegen, ich will das eigentlich alles gar nicht mehr hören. Irgendwas ist immer“, sagt Stefan Klatt. Der Schlauch wird befestigt, das Auto sollte erst mal weiterfahren können. Wir wollen ihm auf der A24 erst mal eine Weile folgen – falls noch mal etwas passiert. Doch dazu wird es nicht kommen.

15.05 Uhr. Wir sind kurz vor der A24-Auffahrt, als uns das Auto mit dem Wohnwagen entgegenkommt. Es knallt, es staubt, ein Rad fliegt ins Gras. Das ist selbst für Fabian Schmidt kein Alltag.
Er stellt seinen Wagen sogleich vor die Unfallstelle und sichert sie ab. Er läuft zum Wohnwagen und schaut sich den Schaden an. „Hier hat sich die komplette Bremse zerlegt. Der Wohnwagen ist nicht mehr rollfähig.“
Für Melanie Bär aus Thüringen ist die Fahrt nach Usedom erst mal zu Ende. Und nun? „Das weiß ich nicht”, sagt sie. Gerade wirkt sie noch gefasst, ja, geradezu heiter. „Ich hatte aber auch Glück im Unglück.“ Tatsächlich hätte das alles auch auf der Autobahn passieren können, und der ADAC kam ihr sofort entgegen.
Der Schaden aber ist groß. Das Klo im Wohnwagen ist rausgesprungen, die Küche hat großen Schaden genommen. Fabian Schmidt bestellt einen Schlepper nach Tarmow. Für Melanie Bär wird es noch ein sehr langer Tag, aber wir können hier nichts weiter tun und fahren weiter.

16.08 Uhr. Auf einem Recyclinghof in Werder bei Neuruppin ist Marita Tolander mit ihrem Auto liegen geblieben. „Er springt nicht mehr an“, sagt sie. Fabian Schmidt legt immer zuerst das Diagnosegerät an. „Die Drosselklappe macht Probleme“, sagt er. Aktuell aber sorge die Batterie für den Stillstand. Es stellt sich raus: Die Batterie ist schon 14 Jahre alt. Im Durchschnitt hält so eine Autobatterie vier bis sechs Jahre. Großes Erstaunen – aber für den Moment kann das Auto noch mal in Gang gesetzt werden.

16.40 Uhr. Auf dem Autohof in Bechlin bei Neuruppin legen wir unsere halbstündige Pause ein. „Hier kommt es schon mal vor, dass wir Kollegen treffen“, erzählt Fabian Schmidt. Zeit für kurze Gespräche. Denn auch wenn ein großes Team dahinter steht – im Auto ist Fabian Schmidt allein. „Aber wir telefonieren während der Fahrt, wir sind telefonisch sehr gut vernetzt. Da besprechen wir dann Updates zu bestimmten Problemen.“
Nach der Pause sind wir fast eine Stunde unterwegs. Das Gebiet, das wir befahren, ist riesig, am Ende werden wir 260 Kilometer gefahren sein.

Unser Ziel ist nun das Dorf Breddin im Amt Neustadt (Dosse). Wir rollen direkt auf den Hof von Christian Honey. Sein Auto springt nicht an.
„Ich hatte das Standlicht an“, sagt er entschuldigend. Das ist aber nicht das Hauptproblem. „Die Batterie muss so oder so ausgetauscht werden“, sagt Fabian Schmidt und zeigt auf die ausgetretene Batteriesäure.
„Der ADAC hat mir schon ein-, zweimal den Hintern gerettet“, sagt der Breddiner. Seine Autobatterie wird gleich vor Ort ausgetauscht, und der Weg zum Einkauf ist nun doch noch möglich.

Der nächste Einsatz steht schon im System, erneut ist die Fahrt dorthin sehr lang, gut 80 Kilometer. Es ist 19.30 Uhr, als wir Falkensee erreichen.
Ein Reifen eines Autos ist platt, Fabian Schmidt tauscht es mit dem Ersatzrad. Der Fahrer wird damit unterwegs sein können – bei höchstens Tempo 80. Die Schicht ist fast vorbei, wir fahren über Brieselang zur A10 zurück. Noch einmal schauen, ob vielleicht auf der Autobahn jemand liegen geblieben ist.

Und tatsächlich, auf der A10, in Höhe Velten, steht ein Wagen auf dem Standstreifen, aber wir werden schon vom Schlepper überholt, ein Unternehmen aus Vehlefanz kümmert sich um den Wagen.
Fabian Schmidt schüttelt den Kopf über die Leute im Auto: „Die haben kein Warndreieck aufgestellt, und Warnwesten haben sie auch nicht angezogen.“ Mit etwas Abstand warten wir noch etwas, um die Pannenstelle sichtbarer zu machen. Einige Lkw rauschen dennoch auf dem rechten Fahrtstreifen an uns vorbei, das Auto schüttelt sich.

Wir sind gerade losgefahren, da erblicken wir ein Lieferfahrzeug eines Versandhändlers in der Fahrbahn-Gabelung des Kreuzes Oranienburg. Panne? Medizinischer Notfall?
Wir stoppen, Fabian Schmidt bewegt sich zum Lieferwagen und kommt wenig später kopfschüttelnd zurück. „Er hat sich verfahren.“ Die Verständigung sei nur mit Übersetzungs-App möglich gewesen. Warum er hinter der Leitplanke stand, konnte er nicht sagen.

Wir fahren eine letzte Biege über die B96 in Richtung Oranienburg – und sehen die nächste Panne. Mitten im Autobahnkreuz, auf dem Standstreifen steht ein Caddy. Wir fahren bis Oranienburg-Süd, wenden dort und fahren zum Pannenfahrzeug.
Der ADAC-Mann sichert die Stelle mit Warnkegel, sie ist gefährlich, weil genau an der Stelle die von der B96 abführende Fahrbahn beginnt.
Der Fahrer spricht gebrochenes Deutsch, das Auto gehört zu einem Botendienst. „Kupplung“, sagt der Mann. Tatsächlich springt das Auto an, aber Kupplung und Gas funktionieren nicht. Es beginnt eine Diskussion. Später sagt Fabian Schmidt: „Er hat mir verboten, irgendwas zu machen und mich weggeschickt.“ Es kommt zudem heraus, dass schon vor uns jemand vom ADAC angehalten hatte.
Offenbar ist der Mann gar nicht der Halter und Fahrer des Fahrzeuges, und der Fahrer sei zwar ADAC-Mitglied, habe aber nicht gezahlt. Alles sehr undurchsichtig. Es ist von einem Betrugsversuch die Rede. Wir fahren weiter, ohne etwas tun zu können. Der Mann wartet privat auf einen Abschlepper.

Es geht auf den Feierabend zu, wir fahren zurück nach Hennigsdorf. „Es war ein durchschnittlicher Tag“, sagt Fabian Schmidt.
Es ist 22.15 Uhr und schon lange dunkel, als ich noch mal im Kreuz Oranienburg am letzten Pannenauto vorbeifahre. Erst jetzt ist der Schlepper da, und ich sehe, wie das Auto hochgezogen wird.


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