Als Oranienburger habe ich die Gedenkstätte Sachsenhausen, das ehemalige Konzentrationslager quasi vor der Haustür. Und dennoch ist es ein Ort, den ich gar nicht so richtig kenne, wie ich zu meiner Schande gestehen muss.
Als Kind war ich mehrfach dort. Noch zu DDR-Zeiten fand dort diverse Veranstaltungen statt, die wir besucht haben. Ich meine mich zu erinnern, dass wir dort 1985 auch zu Pionieren wurden, und 1988 auch noch zu Thälmannpionieren (rotes Halstuch).
Wir kannten die Gedenkstätte und wussten auch ganz grob, was dort einst geschehen war.
Nach der Wende war ich sehr, sehr lange nicht mehr dort. Wann genau das war, weiß ich nicht mehr. Aber irgendwann gab mein Vater etwas als Dauerleihgabe in die Ausstellung der Gedenkstätte. Irgendein Stück aus dem Familienbesitz, das mit irgendwelchen Gefangenen zu tun hatte.
Damals waren wir dann auch dort, um uns das anzuschauen.
Zuletzt war ich 2023 dort, aber in meiner Funktion als Reporter bei einem offiziellen Termin. Ich nutzte da die Zeit, kurz auch noch durch das Tor mit dem Spruch „Arbeit macht frei“ zu laufen, um kurz den Ort auf mich wirken zu lassen.
Am Sonntag wurde der 80. Jahrestag der Befreiung des KZ und des Kriegsendes gefeiert. Ich war mit einem Freund auf dem Gelände unterwegs, und ich musste feststellen, dass ich zwar teilweise Kindheitserinnerungen an einige der Orte hatte – ich aber so manches überhaupt nicht kannte.
Ganz am Rand des Geländes fand eine Gedenkfeier für die homosexuellen Opfer des KZ statt.
Man muss sich diesen ekelhaften Irrsinn mal vorstellen: Man hat Menschen im KZ gefangen, gequält, gefoltert und ermordet. Und die Schwulen, die fanden die Nazis so ekelhaft, dass sie die noch mal extra ausgesondert haben. Die schwulen Häftlinge wurden ans Klinkerwerk gebracht, außerhalb des eigentlichen KZ-Geländes.
Bei der Gedenkfeier waren übrigens erstaunlicherweise gar eine Vertreter der queeren Gruppen aus Oberhavel dabei, und irgendwelche Fotografen schon mal gar nicht – im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen Gedenkfeiern an diesem Sonntag.
Die Haupt-Gedenkfeier fand an der „Station Z“ statt. Dort war ich tatsächlich noch nie. Es war während damals innerhalb des KZ Sachsenhausen der Ort, wo die inhaftierten Menschen systematisch umgebracht wurden.
Politiker waren da, aber vor allem Überlebende und Angehörige von inzwischen verstorbenen Überlebenden.
Man kann davon ausgehen, dass es bald keine lebenden Menschen mehr gibt, die von ihren eigenen Erinnerungen an das KZ berichten können.
Insofern war es toll, dem israelischen Überlebenden Richard Fagot lauschen zu können.
Er sagte: „80 Jahre, das ist eine ziemlich lange Zeit und für manche ein guter Vorwand, die Ereignisse, die sich vor 80 Jahren hier abgespielt haben, endlich vergessen zu wollen. Umso mehr gebührt ein höchstes Lob allen, die sich unermüdlich bemühen, die Erinnerung wachzuhalten. Dennoch wird in letzter Zeit wieder verstärkt Antisemitismus laut. Diese neue Art oder Abart des Antisemitismus geht mit der Leugnung des Holocaust einher. Sie negiert gleichzeitig die Grundwerte der westlichen Kultur und gefährdet die Werte der Demokratie. Wer das nicht erkennt, übersieht auch den Keim der Gefahr für seine eigene Zukunft. Wer die Vergangenheit vergisst oder sie vergessen lässt, läuft Gefahr, dass sie sich wiederholt, der stellt das Gelübde des ‚Nie wieder‘ in Zweifel.“
Wahre Worte.
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