Die Hälfte aller Fahrschüler fallen durch: Warum ist das eigentlich so?

Thomas Nickel ist seit mehr als 20 Jahren Fahrlehrer in Oranienburg-Süd – er berichtet von den heutigen Prüflingen und wie Fahrschulen heute über die Runden kommen

MAZ Oberhavel, 17.1.2024

Oranienburg.
Die Hälfte aller Fahrschülerinnen und Fahrschüler in Brandenburg fallen bei der praktischen Fahrprüfung durch. Das ist ein hoher Wert – in dem Fall von 2022 –, und er habe sich seit der Coronapandemie verschlimmert.
Bei der Oranienburger Fahrschule Nickel ist die Durchfallquote niedriger. Warum sie aber so hoch ist, könne man nicht verallgemeinern, sagt Fahrlehrer Thomas Nickel. „Bei Anfängern ist es oft der Druck, den sie nicht mehr so richtig abkönnen.“ Sie kämen mit solchen Prüfungssituationen schlechter klar als frühere Generationen. „Sie werden oft durch das ganze Leben getragen, und hier ist es die erste Prüfung, wo es wirklich drauf ankommt: ja oder nein.“
Anders sei es bei Jugendlichen, die bereits strukturierter seien, von der Polizeischule kommen oder von der Feuerwehr. „Die, die schon Hierarchien anders erleben.“ Auch habe sich allgemein die Einstellung zum Straßenverkehr verändert. „Ich bin ja ein freundlicher Mensch, bedanke mich auch mal bei andern, lasse andere vor“, sagt Thomas Nickel. Viele der Jüngeren seien da anders.
Anders seien die Durchfallgründe bei denen, die schon einen Führerschein haben und für eine andere Führerscheinklasse da seien. „Oft fallen sie bei der Prüfung in den Pkw-Trott. Bei der Ausbildung ist alles super, bei der Prüfung herrscht dann Stress. Da machen sie dann Fehler, die sie vielleicht sonst beim Autofahren machen.“

Seit 1990 gibt es die Fahrschule Nickel in Oranienburg-Süd. Gegründet wurde sie vom 2019 verstorbenen Helmut Nickel, der seit 1974 Fahrlehrer war und sich nach der Wende selbstständig machte. 2010 hatte er die Fahrschule an Thomas Nickel übergeben. „Ich bin seit 2003 Fahrlehrer“, erzählt er.
Heute besteht die Fahrschule aus sechs Lehrern und zwei Angestellten im Büro. „Mangel haben wir alle, ich könnte locker noch zwei Fahrlehrer anstellen“, sagt der 46-Jährige. 470 Neuanmeldungen hatte die Fahrschule zuletzt, wobei einige davon aus verschiedenen Gründen wieder abspringen würden.

Von der Inflation mit steigenden Benzinpreisen und höheren Löhnen ist auch die Fahrschule betroffen. „Da sind wir in einer Spirale.“ Man versuche so zu kalkulieren, dass es für beide Seiten funktioniere. Aber existenzbedrohend sei die Situation derzeit nicht. Fahrschulen würden Preiserhöhungen oft 1:1 weitergeben – manchmal aber auch verzögert. Als mit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar/März 2022 die Benzinpreise kräftig anzogen, „waren wir noch drei Monate an die alten Preise gebunden.“ Wer heutzutage einen Führschein haben will, müsse durchaus zwischen 2500 und 3000 Euro einplanen, aber auch Preise um die 4000 Euro seien inzwischen schon realistisch. Mehr Fahrstunden bedeuten auch höhere Preise. Früher seien viele Fahrschüler mit etwa 30 Fahrstunden ausgekommen, heute komme es öfter vor, dass es auf die 50 zugehe.

Der typische Fahrschüler oder die typische Fahrschülerin heute sei 16 Jahre alt. Oft gehe es darum, das begleitete Fahren ab 17 möglich zu machen. Außerdem gebe es seit der Coronapandemie mehr Menschen, die den Motorradführerschein machen. „Da haben viele ein Hobby neu entdeckt.“

Und ist es besser mit einem Schaltwagen zu lernen oder mit einem Automatik-Schaltwagen? „Ich finde es gut, das mit einem Schaltwagen zu machen“, sagt Thomas Nickel. Wer das mache, könne danach problemlos auf Automatik umsteigen. Hinzu komme, dass es weniger Probleme gebe, wenn man vielleicht später mal noch auf höhere Führerscheinklassen hinarbeite.

Gerade sind die Straßen Oranienburgs durch den Schnee öfter mal glatt – ist das gut oder schlecht für Fahrschüler? „Jede Jahreszeit hat seinen Reiz“, sagt Thomas Nickel. Es gebe die Jahreszeiten mit Schnee, tiefstehender Sonne oder Hitze. Fahrstunden wegen des Schnees abzusagen, sei aber aus seiner Sicht nicht sinnvoll. Wer die erste Fahrstunde hat, sei erst mal in ruhigeren Gegenden unterwegs. In Wohngebieten oder auf Landstraßen außerhalb der Ortschaften. „Da ist es nicht so voll.“

Übrigens: Die theoretische Fahrprüfung wird 2024 schon lange nicht mehr mit einem Bogen auf Papier absolviert. Das funktioniere jetzt mit einem Tablet, ganz digital. Als am Dienstag Oranienburgs Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos) und Enrico Wießner vom Amt für Wirtschaftsförderung in der Fahrschule zu Gast waren, füllen sie den Papierbogen aus. Laesicke hatte bestanden, Wießner nicht.


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Eine Antwort zu „Die Hälfte aller Fahrschüler fallen durch: Warum ist das eigentlich so?“

  1. […] hatte ich einen beruflichen Termin bei einer Fahrschule in Oranienburg. Aber nicht irgendeine – sondern es war die, bei der ich 1996 meinen Führerschein machte. Im […]

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