Das Liederbuch aus der Bücherzelle

Neulich parkte ich wegen eines Termins an der Sommerfelder Feuerwehr, und auf diesem Parkplatz befindet sich auch eine Bücherzelle. Leute stellen gebrauchte Bücher rein, andere nehmen ein Buch raus – alles ist möglich.
Ich schaute mal rein, immerhin findet man ja manchmal ein schönes Schätzchen. Ich ließ meinen Blick schweifen. Diverse Romane, ein paar Sachbücher – ehrlich gesagt nichts, was mich wirklich interessiert hat. Ich wollte fast schon wieder gehen, da fiel mein Blick nach unten, wo eine kleine Kiste stand.
Und da lag es: das „Liederbuch 5 bis 10“. Ich erkannte es sofort.

1989, Oranienburg war noch Teil der DDR, kam ich in die 5. Klasse. Immer am Ende der Sommerferien konnte ich meine neuen Schulbücher abholen, was ich immer sehr spannend fand. Zu Hause blätterte ich sie schon mal durch. Und eines der Bücher war dieses Liederbuch.

Der Verlag Volk und Wissen gab es 1989 offenbar sogar das erste Mal heraus, denn in dem Buch, das ich aus der Sommerfelder Bücherzelle holte, stand „1. Auflage“ mit dem Jahr 1989.
Eine Seite weiter ist ein Schulstempel zu sehen: „Goethe-Schule – Oberschule – Kremmen – Krs. Oranienburg“.
Außer ein paar Rissen ist das Buch ganz gut enthalten, und drin sind unzählige Lieder, die für den Unterricht in der DDR geeignet waren: Friedenslieder, Freundschaftslieder, Solidaritätslieder, Kampflieder, Republiklieder, Heimat- und Volkslieder, aber auch Weihnachts- oder Frühlingslieder.
Und natürlich beginnt man gleich mal, alles durchzublättern – noch im Auto auf dem Sommerfelder Parkplatz.

„Der kleine Trompeter“ darf nicht fehlen.
Von all unsern Kameraden
War keiner so lieb und so gut
Wie unser kleiner Trompeter
Ein lustiges Rotgardistenblut
Wie unser kleiner Trompeter
Ein lustiges Rotgardistenblut.

Haben wir als Kinder oft gesungen – also, singen müssen, im Unterricht. Nichts, was man privat gesungen hat.

Oder „Unsere Heimat“:
Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer.
Unsere Heimat sind auch all die Bäume im Wald.
Unsere Heimat ist das Gras auf der Wiese,
das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft
und die Tiere der Erde.

Es gab aber auch unverfängliche Lieder – und „Am Lagerfeuer“ habe ich damals sehr gemocht.
Matt ist das Feuer, bald ist’s verglommen.
Über unsre Häupter ist Nacht nun gekommen.
Schlaf nun ein mein Freund, sollst gute Träume finden.
Übers Jahr wirst du das Feuer neu entzünden.

Man hat alles besungen: Es gibt im Buch auch das „Lied gegen die Neutronenbombe“, das natürlich immer noch aktuell ist. Aber es gibt auch ganz andere, nun ja, sehr bemerkenswerte Lieder, die richtigerweise nicht mehr wirklich gesungen werden. Eines heißt „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ Heute kennen wir die Antwort. Auch im Buch: „Wenn wir schreiten Seit an Seit“, „Auf, auf zum Kampf“, „Bau auf, bau auf (Freie Deutsche Jugend, bau auf!)“, „Geh voran, Pionier“ – und wer es nicht begriffen hat, es gab auch „Pioniere voran!“. Ganz zukunftsweisend ist aber auch die heutige Europahymne drin.

Den Schatz aus Sommerfeld habe ich natürlich mitgenommen, und demnächst werde ich ein anderes Buch in die Zelle stellen – wenn es auch nicht von 1989 sein wird.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert