1990 – Jahr der Einheit: Fauliger Geruch über Oranienburg

Oktober 1990 I -> 22.10.2010

Rückblick: Im Oktober 1990 gerät das Pharmawerk in die Schlagzeilen / SPD gewinnt

MAZ Oranienburg, 30.10.2010

Was passierte im Jahr der Einheit im Altkreis Oranienburg – und was stand in der MAZ? Diesmal: die zweite Oktober-Hälfte 1990.

OBERHAVEL
In der 1990 neu gewonnenen Demokratie setzt bereits Wahlmüdigkeit ein. Nicht einmal mehr 70 Prozent der Berechtigten gehen am 14. Oktober zur Landtagswahl. In allen drei Wahlkreisen macht die SPD das Rennen. Kreisweit gewinnt die SPD mit 41,8 Prozent, gefolgt von der CDU (28,3), der PDS (12,4), der FDP (6,4), dem Bündnis 90 (5,5) den Grünen (2,3) und den Republikanern (1,3). Die NPD bleibt völlig bedeutungslos, in Stolpe-Süd erreicht sie mit 3,5 Prozent ihren Höchstwert. Die PDS ist in Glienicke am beliebtesten, dort bekommt sie 19,1 Prozent der Stimmen.

Oranienburg und Hamm in Westfalen besiegeln ihre Städtepartnerschaft. Am 18. Oktober 1990 wird sie in Hamm in erster Lesung beschlossen. In einer Fernsehumfrage von Hammer Journalisten antworten die Oranienburger auf die Frage, was sie sich davon erhoffen: Geld. Und kulturellen Austausch. „Wir wollen nicht die reichen Onkels sein, sondern wirkliche Partner“, sagt dagegen Hamms Bürgermeister Jürgen Wieland auf dem Festakt.

In Oranienburg gerät unterdessen das Pharmawerk in die Schlagzeilen. Der Betrieb ist nicht in der Lage, vor der Einleitung in die Havel das Benzol im Abwasser abzubauen. Das bestätigt die Analyse eines Düsseldorfer Institutes. Die Produktion von Phenazon, ein für Schmerzmittel nötiger Wirkstoff, muss gestoppt werden. Die Menschen beschweren sich zudem über den Faulgasgeruch, der über der Stadt wabert.

In Sachsenhausen wird ein Stück Geschichte aufgearbeitet. Jan George, Bruder von Schauspieler Götz, ist auf der Suche nach dem Grab seines Vaters Heinrich. Im sowjetischen Speziallager Nummer 7 war Heinrich George 1945 der wohl prominenteste Gefangene. Das Grab befindet sich auf einem kleinen sowjetischen Zivilistenfriedhof in der Nähe der Walter-Rathenau-Straße.

Die Wende hat in Oranienburg viele Gewinner hervorgebracht: Zu ihnen gehören vier junge Leute, die den Weidengarten in der Adolf-Mertens-Straße übernommen haben. Sie gründeten eine offene Handelsgesellschaft. Zu ihnen gehört Steffen Riehn, der Elektrotechnik studierte und als Koch in der kleinen Gaststätte arbeitet. „An Geld verdienen ist noch nicht zu denken“, sagt er.

Die Post arbeitet weiterhin am Telefonnetz. In den Kreisen Oranienburg und Nauen gebe es 15.000 Anschlüsse, schreibt die MAZ am 26. Oktober 1990. Der Bedarf liege jedoch bei 90 000 und mehr.

Die Oranienburger Molkerei gehört zu den Wendeverlierern. Die Produktion von frischer Rahmbutter und Frischmilch muss eingestellt werden. Der Verkauf läuft mies. Die Vehlefanzer haben dafür einen Grund zum Feiern: Die Windmühle im Ort hat ihre Flügel wieder bekommen.


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