Moritz von Uslar: Deutschboden – Eine teilnehmende Beobachtung

Dass mal Zehdenick so in den Blickpunkt der Bücherwelt gerückt würde, hätte ich nicht zwingend erwartet. Als ich das letzte Mal dort war, fand ich eher so mittelmäßig. Um es mal so auszudrücken. Der Autor Moritz von Uslar verbrachte sogar mehrere Monate dort.
Aber schon die Fahrt mit der Regionalbahn von Oranienburg nach Zehdenick scheint er in keiner sehr guten Erinnerung zu haben: „Motherfucking Sachsenhausen“, schreibt er in seinem Buch. „Motherfucking Nassenheide. Motherfucking Grüneberg. Motherfucking Bergsdorf.“ Jämmerliche, heruntergekommene Weiden, das Elend, die Kargheit. Der Autor spricht von einem Provinz-Grusel-Frieren.
„Deutschboden – Eine teilnehmende Beobachtung“ heißt das Buch, für das Moritz von Uslar im Frühjahr 2009 drei Monate in Zehdenick lebte. Zehdenick, das im Buch Oberhavel, Hardrockhausen oder auch einfach nur Provinzhöllennest heißt, hat er scheinbar zufällig auf der Durchreise entdeckt – und sich verliebt. In der Innenstadt erblickt er „ein Bild der Freundlichkeit, Buntheit, Geschäftigkeit“, wie er schreibt. Er berichtet von den Jugendlichen, die am frühen Abend ihre Runden mit den Autos drehen, einen zehnminütigen Parcours abfahren.

Ausführlich erzählt Moritz von Uslar über seine Begegnungen in der Gaststätte Schröder. Wie er, der Mann mit Hut, kritisch beäugt wird, von den Rufen des Kellners, der mit dem Tablett durchs Lokal rennt: „Lecker, lecker, lecker! Molle, Molle, Molle!“ Der Autor lernt die Zehdenicker Jugendlichen kennen. Sie zeigen ihm den abendlichen Treffpunkt an der Tankstelle am Stadtrand, wo alles besprochen und jeder Kunde beobachtet wird.
Warum von Uslar allerdings nur den Namen Zehdenick nicht nennt, umliegende Orte wie Templin, Gransee oder Liebenwalde aber schon, ist nicht klar. Noch dazu, weil Oberhavel bekanntermaßen der Landkreis ist in dem sich von Uslars Kleinstadt befindet. Auch viele Namen der Menschen, die er traf, hat der Autor geändert, andere nicht. So gibt es die Gaststätte Schröder, die Pension Heimat unter dieser Bezeichnung nicht.

Die Band 5 Teeth Less gibt es wirklich. Die freut sich, dass sie durch das Buch viele Klicks bei Myspace hat. Seine Beschreibung von Zehdenick käme der Wahrheit sehr nahe, auch wenn das vielen weh tun würde.
Die Jungs von der Band waren es auch, die dem Reporter ihr Deutschboden-Ritual zeigten. Wenn sie zwischen Zehdenick und Templin am Schild „Deutschboden 1km“ vorbeikommen, hupen sie und rufen „Deutschboden!!“ Das hat ihm offenbar so gut gefallen, dass sein Buch gleich einen Namen hatte.

Es ist ein sehr spannendes Buch geworden. Geradezu liebevoll beschreibt er die Leute in Oberhavel, also in Zehdenick. Der Reporter interessiert sich für ihre Geschichten, kommentiert sie, ordnet sie ein. Wenn einige Zehdenicker sauer sind: An keiner Stelle macht sich der Autor über die Kleinstädter lustig, im Gegenteil: im Laufe der drei Monate scheint er viele von ihnen lieb gewonnen zu haben. Insofern ist „Deutschboden“ ein wunderbares Porträt über eine Stadt, die viele Leser vielleicht mit neuen Augen sehen werden.

Moritz von Uslar: Deutschboden – Eine teilnehmende Beobachtung
Kiepenheuer & Witsch | September 2010


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2 Antworten zu „Moritz von Uslar: Deutschboden – Eine teilnehmende Beobachtung“

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