Wenn die Recherche zum Krimi wird

Martin Girard (27) aus Oranienburg hat eine Architekturausstellung eröffnet und zeigt darin die Geschichte eines längst abgerissenen Hauses

MAZ Oberhavel, 15.3.2016

Oranienburg.
Wird ein Haus abgerissen, dann verschwindet auch seine Geschichte. Das Leben, das sich in dem Gebäude abgespielt hat, die Erinnerungen.

Mit so einem Haus, das vermutlich bei vielen Menschen längst in Vergessenheit geraten oder schon gar nicht mehr bekannt ist, hat sich der Oranienburger Martin Girard befasst. Der 27-jährige Student der Media-Architecture Master Studies an der Weimarer Bauhaus-Universität hat sich mit einem Bauwerk des Architekten Hans Jaretzki befasst, das von 1932 bis 1983 in Berlin-Wannsee stand.
Dabei geht es um „vergessene Architektur“. Jaretzki gehörte zu den Architekten, die in den 20ern und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts sehr erfolgreich waren und dann vor den Nazis flüchten mussten. „Damals sind viele von seinen Gebäuden abgerissen worden“, sagt Martin Girard, „und die Pläne noch dazu.“

Für seine Abschlussarbeit beschäftigte er sich mit einem der Häuser, die der Architekt bauen ließ. In einer Zeitschrift stieß er auf ein Foto, das dieses längst verschwundene Haus zeigt. „Ich habe dann weiterrecherchiert“, erzählt Martin. Er forschte im Bauaktenarchiv in Steglitz-Zehlendorf und im Landesarchiv Berlin. Erst nach längerer Suche bekam er weitere Infos. In London traf er die inzwischen 91-jährige Tochter des Architekten.
„Ich wollte wissen, für wen es gebaut worden ist, wer dort wohnte“, erzählt Martin Girard. Ein jüdischer Industrieller war der Bauherr. Der britische Botschafter Sir Eric Phipps soll dort gewohnt haben. Später ein Obersturmführer. Nach dem Krieg lebte dort die damals bekannte Schauspielerin Käthe von Nagy. Ab 1956 dann bis zum Verkauf und Abriss des Hauses eine Rechtsanwaltsfamilie.

„Das Haus besteht nicht nur aus purem Material“, sagt Martin. „Es hat Geschichte, besondere Bewohner, jeder hat ein Stück dagelassen. Das ist wie ein Krimi.“ In seiner Ausstellung in der Galerie „VonLbisG“ in Kreuzberg können sich Besucher das Haus, die Recherchen und die Ergebnisse ansehen. „Die akribische Arbeit ist schon spannend, das Detektivische hat Spaß gemacht.“

Zweieinhalb Jahre besuchte Martin Girard die Bauhaus-Uni in Weimar, davor absolvierte er ein Architekturstudium in Cottbus. Hierzulande ist der Oranienburger vielen Leuten von seinen Auftritten an der Musikschule Hennigsdorf bekannt. Im Musical „Yomo“ spielte er die Hauptrolle.
Momentan ist er freier Mitarbeiter bei einer Produktionsfirma, die dokumentarische Filme herstellt. Die Mischung aus Architektur und Filmdokus – die könnte sich Martin Girard auch für seine Zukunft vorstellen.


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