Feuchtgebiete

Körperhygiene. Was genau ist das eigentlich? Immer alles rein zu halten, sauber zu machen, klinisch rein zu putzen? Jeden Geruch wegsprayen, jedes Haar wegrasieren, weil es da angeblich nicht hingehört?

Wer Gerüche und Körperflüssigkeiten eklig findet, der sollte am besten auf Sex verzichten, findet Helen Memel (Carla Juri). Sie findet so was toll. Die Muschi muss riechen, Sperma muss auch riechen, so ist der Mensch eben. Sie masturbiert mit Gemüse, um herauszufinden, was geht. Sie wechselt die Tampons mit ihrer besten Freundin. Als sie sich aber bei einer Analrasur schneidet, muss sie in die Klinik, und der Pfleger Robin (Christoph Letkowski) scheint der einzige zu sein, der sie versteht. Ihre Eltern sind es nicht, die sind damit beschäftigt, ihre Scheidung auszuleben.

Charlotte Roches Buch „Feuchtgebiete galt 2008 als Skandal, weil dort gewisse Vorgänge recht drastisch beschrieben sind.
Der Film von David Wnendt ist auch nicht gerade zimperlich. Als Zuschauer muss man sich schon zusammenreißen, wenn Helen auf der dreckigen Klobrille rumreibt oder sich ihre Analfissur wieder aufreißt. Da wird auf der Leinwand geschnüffelt, gerieben, gewichst und geleckt, was das Zeug hält. Muschis, Schwänze – der Film hat einiges zu bieten. So ganz schamhaft darf man wahrscheinlich nicht sein.
Und doch hat auch der Film eine Botschaft: Der Reinlichkeitswahn ist völlig übertrieben. Helen geht’s darüber hinaus darum, geliebt zu werden, mit all ihren Macken und Auffälligkeiten. Sie schreit geradezu nach Liebe: bei ihren Eltern, ihrer Freundin, bei Robin. Einen weichen Kern haben die „Feuchtgebiete“ also auch.
Carla Juri, bislang unbekannt, scheint die perfekte Besetzung zu sein, zudem spricht sie, als würde uns Charlotte Roche die Story erzählen. Dazu kommen sympathisch-abgedrehte Szenen u.a. mit Axel Milberg, Meret Becker und Edgar Selge.
Wnendt spielt mit seinen Zuschauern: Immer wieder gibt es Augenblicke, wo man aus verschiedenen Gründen den Atem anhält. Langeweile kommt jedenfalls nie auf.

Feuchtgebiete
D 2013, Regie: David Wnendt
Majestic, 109 Minuten, ab 16
8/10


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