Die Hoppe-Chronik (2): Angst und Schrecken in der Endphase des Zweiten Weltkrieges

(1) -> 12.7.2013

Irene Hoppe – eine Neu-Vehlefanzer Lebenschronik (2): Im April 1945 tauchten 300 KZ-Häftlinge auf dem Weg nach Sachsenhausen in Wolfslake auf

MAZ Oranienburg, 16.7.2013

NEU-VEHLEFANZ
Die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges brachten die Angst und den Schrecken auch nach Wolfslake und Umgebung. Bis Ende April 1945 sind 32 Bomben auf das Gebiet der Gemeinde Neu-Vehlefanz gefallen. Das ist zumindest die Zahl, die Irene Hoppe bekannt ist. Auf einer Karte hat sie alle Punkte vermerkt, besonders viele sind zwischen Groß-Ziethen und Klein-Ziethen zu finden sowie in Neu-Vehlefanz selbst.

Etwa von dort, wo sich heute die Autobahnbrücke nahe Wolfslake befindet, bis Karlsruh erstreckte sich eine Scheinwerferanlage, die die Nazis aufgebaut hatten. Gewissermaßen eine Mini-Imitation von Berlin. Hinter Klein-Ziethen sowie im Krämerwald standen ebenfalls Scheinwerfer. Sie sollten die Bomber, die zur Reichshauptstadt unterwegs waren, ablenken.
„Wenn Fliegeralarm war, mussten wir verdunkeln“, sagt Irene Hoppe. „Wir lagen in der Einflugschneise von Berlin.“ Dennoch haben sich die Menschen auf dem Land insgesamt ein wenig sicherer gefühlt. „In der Stadt war es auf jeden Fall gefährlicher.“ Trotzdem: „Bei Fliegeralarm haben wir unten im Keller gesessen und gezittert. Das hat manchmal ganz schön gekracht. Wir haben schon am Klang gehört, wo sie runtergehen. Über uns hat es regelrecht gebrummt.“ Am Tag waren diese Situationen besser auszuhalten, da waren die Flieger zu sehen. Aber nachts. Nachts herrschten Ungewissheit und Angst.
Einer der vielen Bomber, die über das Gebiet flogen, ist eines Tages bei Neu-Vehlefanz abgestürzt. „Es gab einen gewaltigen Knall.“ Viele Leute seien in Richtung der Absturzstelle gelaufen.

Der 15. März 1945 war ein sonniger Tag mit einem wolkenlosen Himmel. Für die Stadt Oranienburg wurde er jedoch bald zum Albtraum. „Wir haben ja schon im Radio gehört, dass die Flieger kommen.“ Wenig später war es so weit. „Es sah aus, als ob silberne Vögel über unser Haus fliegen“, erinnert sich Irene Hoppe. „Wir wussten aber auch: Wo die abladen, da wächst kein Gras mehr.“ Sie spürten die zitternde Erde von den Bombenabwürfen in Oranienburg bis nach Wolfslake. „Die Erde brannte.“

Es muss Anfang April 1945 gewesen sein, da passierte etwas Ungeheuerliches. „Etwa 300 Häftlinge kamen aus dem Wald auf die Wiese ins Dorf gelaufen“, erinnert sich Irene Hoppe. Schnell sei klar gewesen: Das sind Häftlinge aus dem Konzentrationslager. Sie kamen aus Perwenitz und sollten wohl weiter bis Sachsenhausen laufen. Begleitet wurden sie von 30 bis 40 Aufpassern. „Wir haben auf die SS-Leute, die sie begleiteten und immer wieder verprügelten, geschimpft.“ Irenes Mutter Luise traute sich, die SS-Schergen anzusprechen. „Die Leute haben doch Hunger!“, rief sie ihnen entgegen, so erinnert sich ihre Tochter heute daran. Sie forderte, dass sie eine Pause machen können, um etwas zu essen. „Die SS-Leute mussten sich Mutti fügen.“ Offenbar war sie eine sehr resolute Frau. Tatsächlich gab es dann ein paar Kartoffeln und was sonst noch in Wolfslake aufzutreiben war. Bald war der Spuk wieder vorbei. „Die SS war ein grausames Volk!“, sagt Irene Hoppe.
Am 20. April 1945 ging es dann nicht mehr anders. Die Familie musste flüchten.


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