Ich, der Schwerverbrecher

Die Polizei ist nicht nur unser Freund und Helfer, sondern seit heute auch mein Freund und Wecker. Darauf hätte ich allerdings gern verzichtet.

7.55 Uhr, mein Wecker hat bereits das Signal zum Aufwachen gegeben. Ich bin schon wach.
Als unten jemand bei mir klingelt, bin ich jedoch so richtig wach. Um diese Uhrzeit neige ich jedoch dazu, niemanden reinzulassen.
Es klingelt wieder. Die sind aber hartnäckig. Als es dann auch nebenan und unten klingelt, war klar: irgendwelche Werber, die etwas in unsere Briefkästen werfen wollen.
Im Hausflur höre ich Stimmen. Männerstimmen und Frauenstimmen. Jemand kommt die Treppe hochgelaufen, und wenig später klingelt es direkt an meiner Wohnungstür. Nun bin ich neugierig, schaue durch den Türspion. Es sind zwei Polizeibeamte. Was die wohl am frühen Morgen wollen? Hat etwa irgendjemand mein Auto geschrottet, das direkt vor der Haustür steht? Oder habe ich Fahrerflucht begangen, ohne etwas davon zu wissen? Oder ist etwas ganz anderes, schlimmes passiert?

Ich ziehe mir was über und öffne die Tür.
Der eine Beamte zeigt mir einen Brief und ein Foto. Und jetzt ist klar, worum es geht. Kein Unfall. Keine Fahrerflucht. Keine sonstige Katastrophe. Nein, eine Lapalie.
Wochen zuvor bin ich auf der Prenzlauer Promenade in Berlin geblitzt worden. Allerdings fuhr neben mir ein weiteres Auto, der blitz hätte auch dem andern gelten können. Irgendwann kam dann tatsächlich der Brief aus Berlin. Unfassbare sieben km/h zu schnell. Ja, ist es denn zu glauben. Beweise: Messung, Frontfoto, Zeuge. Und das Frontfoto fehlte. Wie überhaupt das Blitzerfoto gern mal fehlt bei den Berliner Polizeischreiben. Ich legte also einen Widerspruch ein und bat darum, doch das blitzerfoto nachzuliefern.

Das war der Berliner Polizei aber erstens zu billig und zweitens zu einfach: Sie übergab den Vorfall offenbar an die Oranienburger Polizei, die nun zwei Beamte zu mir schickte, um zu überprüfen, ob ich der Schwerverbrecher auf dem Blitzerfoto bin.
Da standen sie also um acht Uhr morgens in meinem Flur. Der eine roch nach billigem Fusel und der andere war einfach nur da, sagte auch nichts.
Ich bejahte, dass der böse, böse Schwerverbrecher bin (das hätte ich allerdings auch, wenn ich das Ding einfach per Post bekommen hätte), unterschrieb und äußerte meinen Unmut über die Aktion.
Die beiden Oranienburger Beamten sahen das offenbar ähnlich. Der eine meinte, ich könne doch einen Kommentar auf den Wisch schreiben. Und das tat ich dann auch, mit fünf Ausrufzeichen.

Ich versprach, dass wir das beim nächsten Mal ganz genauso machen würden. Vielleicht gibt es dann auch was zu trinken. Als Schwerverbrecher kann ich dann auch schon mal was springen lassen.
Was für eine Aktion wegen sieben Stundenkilometer zu viel! Die spinnen doch, die Berliner! Wieder ein Grund mehr, warum wir Brandenburger nicht mit den seltsamen Hauptstädtern vereint werden wollen…


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Kommentare

13 Antworten zu „Ich, der Schwerverbrecher“

  1. Der Bruder

    Und nun? Mußte 15€ zahlen? Wer weiß wieviel diese Aktion gekostet hat?
    Ich hätte das trotzdem (erstmal) nicht zugegeben/bezahlt. Denn die müssen dir beweisen das du zu schnell warst. Ein zweites Auto auf den Foto? Geht ja garnicht… Warst du als Fahrer eindeutig zu erkennen?

  2. Felix

    Krass! Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? Man darf dich doch erst besuchen, wenn du bestreitest, die Person auf dem Foto zu sein. Außerdem geht es doch nicht, dass mehrere Autos auf dem Foto sind. Vielleicht wollten sie dich so zu einem Geständnis bringen, damit das Foto nicht Alleinbeweismittel ist. Ich hätte entgegengenommen, aber nicht sofort zugegeben, sondern erstmal in Ruhe überlegt. Kann doch nicht sein, dass sie da sone Drucksituation aufbauen an der Tür…

  3. RT

    Das Foto war eindeutig.
    Und Druck war auch nicht da, die Herren waren an sich ganz locker und genauso genervt, dass sie deswegen da waren.

  4. shoppingmauz

    *lach das kenne ich doch!
    Ich fahre ja auch jeden Tag die Prenzlauer entlang – manchmal auch ne kleine Nebenstrasse – da ist 30 km/h – und da ich eigentlich immer den Verkehrsregeln folge, bin ich auch folgsam meine meiner Meinung nach ca. 35 km/h gefahren, allerdings natürlich mit mehreren Verfolgern dicht auf meiner Stoßstange versteht sich, denn WER fährt in einer 30iger Zone schon 30 – nur ICH wahrscheinlich, aber das war wohl doch noch ZU schnell, denn ich wurde auch mit 36 km/h geblitzt – naja Pech gehabt.

    Mein Auto ist allerdings nicht auf mich zugelassen also teilte der KFZ-Halter der Berliner Polizei natürlich mit, das er nicht gefahren sei und da kein Foto dabei war, konnte er natürlich auch nicht sagen, wer da an diesem Tag gefahren ist, also ging das Schreiben wieder zurück.

    Kurze Zeit später erhielt ICH eine Vorladung von der Oranienburger Polizei als Betroffener und sollte in meinem Ort zur Polizei kommen – hä ich dachte auch, was hab ich angestellt??? Und warum Betroffener? Ich fühlte mich nicht betroffen!!!

    Bei dem angesetzten Termin war klar, es ging um meine Raserei 😉 der Polizeibeamte begrüsste mich auch mit, na sie kommen mir aber bekannt vor – vom Foto natürlich, woher auch sonst!

    Was für ein Aufwand und das für 15 Euro – ein Hin und Her – ob sich das wirklich für die Stadt gelohnt hat?!

    Scheint also Gang und Gebe zu sein!

    Na denn noch viel Spaß auf den Strassen von Berlin :DD

  5. RT

    Die Berliner und die bekloppten Methoden.

  6. Felix

    Aber wenn zwei Autos auf dem Foto sind, ist es doch nicht eindeutig!?

  7. RT

    Auf dem Foto bin nur ich zu sehen.

  8. Felix

    Und dein Auto auch?

  9. RT

    Ja.

  10. Sabi

    Auweia ey, na sowat hab ich ja noch nie gehört. Die haben ja echt ’ne Macke!

  11. RT

    Haben sie. Wie ich inzwischen weiß, ist das in Berlin wohl gängige Praxis. Ich kann also jeden nur auffordern, Einspruch zu erheben und das Foto anfordern. Dann hat die Behörde wenigstens ein bisschen was zu tun.

  12. Felix

    Man könnte sich ja auch an die Verkehrsregeln halten, statt unsere Steuergelder zu verschwenden. 😉

  13. RT

    Das wäre ja langweilig. Und bei 1 km/h kann man fast auch noch von einem Versehen sprechen. 1 km/h weniger und es hätte gar nicht geblitzt.

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