Planungen für Reaktivierung der Stammstrecke über Mühlenbeck verzögert
sich weiter – Lückenschluss nach Gesundbrunnen völlig ungewiss
MAZ Oberhavel, 10.8.2024
Mühlenbecker Land.
Der ehemalige Bahnhof in Schildow ist ein verwunschener Ort. Der Bahnsteig ist mit Gras zugewachsen, am alten Bahnhofsgebäude ist noch das Stationsschild zu sehen – aber auch das ist schon fast hinter Bäumen und Sträuchern verschwunden.
Es war 1983, als letztmals regulär ein Linienzug in Schildow stoppte – das ist jetzt 41 Jahre her. Heute ist auf der Strecke hin und wieder ein Überführungszug von und zu Stadler unterwegs und selten auch ein historischer Museumszug zu besonderen Anlässen.
Schon seit den 2000er-Jahren bemüht sich die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) mit entsprechenden Plänen darum, dass zwischen Basdorf im Barnim, Mühlenbeck, Schildow, Berlin-Blankenfelde und Berlin-Wilhelmsruh wieder regelmäßig Züge rollen – die Heidekrautbahn, offiziell die Regionalbahn 27.
Am 10. Januar 2019 wurde eine Planungsvereinbarung von den Ländern Berlin und Brandenburg sowie von der NEB unterzeichnet. 760.000 Euro sollten für die Pläne zur Reaktivierung der Heidekrautbahn-Stammstrecke eingesetzt werden.
Am künftigen Regionalbahnhof Berlin-Wilhelmsruh erfolgte am 11. Dezember 2020 der symbolische erste Spatenstich. Damals war die Rede davon, dass Ende 2023 die Züge auf der Strecke rollen sollen. Und seitdem? In Schildow tut sich nichts. Ebenso wenig wie an den künftigen Haltepunkten in Schönwalde-West, Mühlenbeck, Schildow-Mönchmühle sowie an den geplanten Berliner Haltepunkten. Zwischenzeitlich war vom Start Ende 2024 die Rede – doch auch der Termin ist nicht zu halten. Einen neuen gibt es nicht.
Dass sich gar nichts tut, weist man bei der NEB jedoch zurück. „Die notwendigen Arbeiten zur Reaktivierung der Stammstrecke der Heidekrautbahn laufen im Hintergrund weiter“, sagt Holger Reimann, der NEB-Pressesprecher. „Auch wenn es vielleicht nach außen so aussieht, als wenn sich nichts tut.“ Die terminlichen Verschiebungen seien derzeit zwischen der NEB, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) in Abstimmung.
Aber woran hakt es? „Beim laufenden Planfeststellungsverfahren der Stammstrecke ergab sich im Rahmen der Erörterungstermine im Herbst 2023 die Notwendigkeit von Planungsergänzungen“, so Holger Reimann, „Insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz sowie beim Schallschutz.“ Die dafür notwendigen Leistungen seien weitgehend beauftragt und in Arbeit.
„Damit werden die Planunterlagen durch die NEB AG überarbeitet und mit Fertigstellung an die Planfeststellungsbehörden Berlin und Brandenburg übergeben“, so der Sprecher weiter. Die Entscheidung zum weiteren Verfahren obliege den Planfeststellungsbehörden und werde von diesen nach Prüfung der überarbeiteten Planunterlagen beschieden.
Im Bereich des Mühlenbecker Landes liegen die künftigen Stationen Mühlenbeck, Schildow-Mönchmühle und Schildow-Bahnhof. „Für zwei der drei Haltepunkte benötigt die Gemeinde planungsrechtlich einen Bebauungsplan“, erklärt Elke Bohnaker, Pressesprecherin der Gemeinde Mühlenbecker Land. Die zwei Bebauungspläne für Mühlenbeck und Schildow seien in Aufstellung. „Beide sind noch im Verfahren und nicht rechtskräftig. Die Bahnstrecke und alles was dazu gehört, wie Bahnübergänge, Entwässerung und Bahnsteige, werden durch das Planfeststellungsverfahren genehmigt.“ Der Gemeinde sei es ein Anliegen, dass sich aufgrund der Bahnübergänge das Lebensumfeld der Einwohner nicht verschlechtere.
Bei den Einwendungen der Gemeinde gehe es um Baustelleneinrichtung und Bauabstimmung, Bahnübergänge, Bahnhofsvorplätze und Erschütterungs- und Lärmschutz. „Alle vorgebrachten Einwendungen müssen nachgearbeitet werden“, so Elke Bohnaker.
„Die Kritikpunkte sind aktuell noch recht umfangreich“, sagt Sven Wroblewski, stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Dialog Heidekrautbahn“. „Geplant ist der umfangreiche Ausbau der Strecke mit Geschwindigkeitserhöhung, Kapazitätserhöhung und Erhöhung der Radsatzlasten.“
Entsprechend der umfangreichen Forderungen durch die Länder sei ein neues Planrechtsverfahren durchzuführen. Die dafür erforderlichen Planungen und Untersuchungen seien jedoch, so Sven Wroblewski, in den vergangenen fünf Jahren „nicht oder nicht fachgerecht durch die NEB durchgeführt“ worden. „Dies führte konkret zu einem Desaster im Planrechtsverfahren.“
Die wichtigsten Mängel sind aus Sicht des Vereins „Dialog Heidekrautbahn“ unter anderem fehlende Unterlagen im Naturschutz- und Umweltrecht, falsche Gutachten zum Schall- und Erschütterungsschutz, keine abgestimmten Planungen zu den Bahnübergängen mit den Straßenbaulastträgern und unzulässige Eingriffe in persönliche Rechte gewesen.
Beim Verein sind aber auch ganz grundsätzliche Fragen zum Streckenbetrieb gestellt worden. „Grundsätzlich sollte auch die Diskussion erlaubt sein, ob die geschätzten 200 Millionen Euro – so die Schätzung von Bahnexperten – für den Ausbau im Verhältnis steht zum erwarteten Nutzen“, sagt Sven Wroblewski. Die S-Bahn-Linie 8 brauche von Mühlenbeck bis Gesundbrunnen neun Minuten weniger als die RB27 auf der geplanten Strecke.
Momentan wird allerdings noch gar nicht bis Berlin-Gesundbrunnen geplant, sondern nur bis Wilhelmsruh. Der Lückenschluss bis Gesundbrunnen ist laut der Pläne erst der zweite Schritt.
Ursprünglich sollte dieser bis 2030 vollzogen werden. Im vergangenen Jahr sprach die Deutsche Bahn dann vom März 2032 – doch auch das ist fraglich.
Denn am Bahnhof Schönholz ist eine ICE-Abstellanlage geplant – sie könnte der Verlängerung der Heidekrautbahn von Wilhelmsruh bis Gesundbrunnen in die Quere kommen. Brandenburgs Infrastrukturminister Rainer Genilke (CDU) hatte im Juni gegenüber dem „Tagesspiegel“ gesagt, dass eine Anbindung der Heidekrautbahn nach Gesundbrunnen „aktuell unwahrscheinlich“ sei. Sie bleibe aber „gemeinsames Ziel beider Länder Berlin und Brandenburg“.
Filippo Smaldino (SPD), Bürgermeister im Mühlenbecker Land, hofft aber weiter auf eine zügige Umsetzung der Pläne. „Die Reaktivierung bedeutet mehr Umweltschutz, da mehr Menschen vom Auto auf die Schiene umsteigen könnten. Auf den Straßen würde mehr Freiheit und gleichzeitig mehr Entlastung stattfinden. Aber auch der Standort Mühlenbecker Land würde dadurch an Attraktivität gewinnen.“
Ein bisschen was wird sich demnächst aber auch offensichtlich tun. Im Herbst 2024 könnte Baubeginn für den künftigen Regionalbahnhof Berlin-Wilhelmsruh sein.
Im Mai sei die Ausschreibung der Bauleistungen für den Bahnhof veröffentlicht worden, erklärt NEB-Sprecher Holger Reimann. Momentan würden die eingegangenen Angebote ausgewertet.
Es geht also voran. Irgendwie, und irgendwie auch langsam. Sehr langsam.
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