Überflieger: Mit 13 entdeckte er das Schauspiel für sich

Willi Geitmann hat den Max-Ophüls-Preis als bester Nachwuchs-Schauspieler bekommen – er ist in Oberkrämer groß geworden

MAZ Oberhavel, 3.2.2024

Oberkrämer
Nachdem sein Name aufgerufen worden war, ist er aufgesprungen und hat die Leute aus seinem Filmteam in die Arme genommen. Es ist der erste ganz große Erfolg für Willi Geitmann. Am vergangenen Wochenende hat er in Saarbrücken beim Max-Ophüls-Festival einen der beiden Preise als bester Nachwuchsschauspieler bekommen. Im Film „Jenseits der blauen Grenze“ hatte er seine erste Hauptrolle gespielt.
„Es war mein erstes Filmfestival überhaupt, auf dem ich war, also sehr aufregend. Ich war begeistert von den vielen kreativen Menschen und der familiären Atmosphäre des Festivals“, erzählt der 2002 in Berlin geborene, in Oberkrämer aufgewachsene und jetzt wieder in Berlin lebende Schauspieler. „Wir haben im Rahmen des Festivals auch unsere Weltpremiere gefeiert, und es war wunderschön mit dem Team und einem wunderbaren Publikum diesen tollen Film zu sehen.“

Es ist schon mehr als vier Jahre her, dass er die Castinganfrage bekommen hatte. „Bei dem Casting waren unter anderem die Regisseurin Sarah Neumann und DoP Nikolaus Schreiber dabei“, erinnert er sich. „Ich wurde danach als Andreas besetzt und war dann später bei Konstellationscastings für die Rollen Hanna und Jensi dabei. So habe ich dann die einzigartigen Lena Urzendowsky und Jannis Veihelmann kennengelernt.“
Im Film spielt er Andreas Kuschwitz, einen Jungen im Teenager-Alter. In den 80ern wächst er in Rostock in der DDR auf. Er gerate in das Visier des Staats, er war immer wieder durch Kleinigkeiten auffällig geworden, erzählt Willi Geitmann. Er bekomme harte Konsequenzen zu spüren, die ihn an seine Grenze bringen. Er beschließt, über die Ostsee zu flüchten.
„Insgesamt hatten wir 29 Drehtage“, erzählt er. „Wir waren eine Reiseproduktion und haben in Rostock, in und um Ludwigsburg, Sachsen-Anhalt und Berlin gedreht. Der Dreh hat sich über August bis zum September 2021 erstreckt.“ Wann der Film ins Kino kommt, ist noch ungewiss.

Er, der 2002 erst geboren worden ist, hat die DDR selbst nicht miterlebt. „Der Regisseurin war sehr wichtig, dass wir so authentisch wie möglich die damalige Zeit zeigen. Das hat sie auch in der Besetzung berücksichtigt“, erzählt er. „Ich bin im Gebiet der damaligen DDR aufgewachsen und in meiner Familie gibt es Angehörige, die in der DDR gelebt haben, mit denen ich sehr ausführlich über diese Zeit und deren Erfahrungen gesprochen habe.“ Er sei auch generell sehr geschichtsinteressiert und empfinde diese Zeit als äußerst bedeutsam, „weshalb das Mitspielen in diesem Film eine große Ehre für mich war.“

Schon sehr früh hat er angefangen, kleine Filme zu drehen. „Anfangs mit Lego-Figuren und ich hinter der Kamera, aber später habe ich mich dann auch vor die Kamera getraut“, erinnert er sich. Alle möglichen Geschichten habe er sich ausgedacht und diese gemeinsam im Freundeskreis mit einer Kamera festgehalten.“ Er war etwa 13, als seine Mutter ihn zum Musik- und Theaterverein im Ort gebracht habe. „Wo ich dann richtig das Schauspiel für mich entdeckte.“
Wirklich vorgenommen, Schauspieler zu werden, habe er sich aber nie. „Ich habe das getan, was mir Spaß gemacht hat und es bis zum heutigen Tag verfolgt. Es ist ein Medium, in dem ich mich auf meine Art äußern und viel über mich selbst, aber auch über anderes – wie zum Beispiel die DDR – lernen kann.“ Eine klassische, schulische Schauspielausbildung hat er nicht. „Die Option hat mich lange beschäftigt, aber ich bevorzuge es seit einigen Jahren außerhalb dieses Rahmens selbst verschiedene Schauspieltechniken und -coaches auszuprobieren, was mich schon zu den spannendsten Kursen in Berlin, aber auch in New York City oder Los Angeles geführt hat.“

In „Jenseits der blauen Grenze“ hatte er seine erste Hauptrolle in einem Spielfilm. Davor hatte er eine Nebenrolle im ZDF-Fernsehfilm „Das Unwort“, auch spielte er in studentischen Kurzfilmen mit. „Darunter waren auch zwei Kurzfilme mit Studierenden der New York Film Academy.“ Und ist schon was Neues geplant? „Fest in Aussicht ist gerade noch nichts“, sagt er. „Bald sollte allerdings wieder die Castingphase für Drehs im Sommer losgehen, und da hoffe ich auf ein paar interessante Anfragen und es wäre großartig, weitere Dreherfahrungen sammeln zu dürfen.“

Theater oder Film – für viele Schauspieler ist die Frage ein Thema. „ Ganz persönlich muss ich sagen, gefällt mir der Film mit seinen schier unendlichen Möglichkeiten und der Art des Spiels momentan besser. Beim Theater habe ich dennoch erst richtig mit Schauspiel angefangen und kann mir vorstellen, dass ich in der Zukunft auch wieder auf die Bühne zurück möchte.“

Auf die Frage, ob er von dem Beruf auch schon leben könne, sagt er: „Ich stehe gerade erst am Anfang als Schauspieler und mache mir, was das Geld angeht, so wenig Gedanken wie möglich.“ Er freue sich über jedes neue Projekt, „und wenn ich damit gleichzeitig noch etwas verdienen kann, um so besser.“ Momentan studiert er Politikwissenschaft in Berlin und hat immer mal wieder kleinere Nebenjobs, „damit ich mir beim Schauspiel keine Sorgen um Geld machen muss.“
Abseits der Schauspielerei treibt er gern Sport. „Viele Jahre habe ich Fußball gespielt, ich habe mal Hip-Hop getanzt, gehe joggen, mache Kraftsport, war in einem Aikido-Kurs oder bin Skateboard gefahren. Auch gehe ich seit Jahren zu einem Gesangs- und Stimmcoach und singe quasi täglich.“ Auch das Fotografieren mache ihm Spaß. „Ich habe mehrere analoge Kameras und gehe dann durch die Stadt oder einen Park und suche nach neuen Motiven.“


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