Unmut in Kremmen über Details beim Prignitzexpress-Ausbau

Bahn informiert über Bauarbeiten – Streckensperrung ab Juli 2025 – Sommerfeld-Pläne führen zu großem Unmut

MAZ Oranienburg, 23.11.2023

Kremmen.
Mit diesem Andrang hatten die Vertreter der Bahn am Montagabend in Kremmen nicht gerechnet. Gut 150 Menschen drängten sich in den Nebenraum des Spargelhofes. Mehr ging nicht. Die Leute wollten sich darüber informieren, was in den kommenden drei Jahren auf der Bahnstrecke im Bereich Kremmen auf sie zukommt. Und – wie sich im Laufe des Abends rausstellte – ihrem Ärger Luft machen.

Bis 2026 soll die Prignitzexpress-Strecke zwischen Velten und Neuruppin ausgebaut werden. Ziel ist es, einerseits die Regionalbahn 55, die bislang zwischen Hennigsdorf und Kremmen fährt, bis Neuruppin zu verlängern. Doch das lässt sich nicht ohne Um- und Ausbauten realisieren.
Dass der Nordwesten bahntechnisch so abgehängt war, habe mit der Rationalisierung nach der Wende zu tun, sagte Ole Grassow von der DB Netz AG am Montagabend. Da sei alles zurückgefahren, Gleise abgebaut worden.

Bis 2026 hat sich die Bahn einiges vorgenommen. Die Bahnsteige in Velten, Bärenklau, Vehlefanz und Schwante werden auf 140 Meter Länge ausgebaut. In Kremmen entsteht ein neuer Mittelbahnsteig. Zwischen Kremmen und Beetz wird ein zweites Gleis gebaut, um Zug-Begegnungen möglich zu machen. Dafür muss eine zweite Brücke über den Kanal gebaut werden. Betroffen sind dann auch mehrere Bahnübergänge – in der Ruppiner Chaussee (L 19), Lange Horst und Stege in Sommerfeld. Außerdem entstehen entlang der Strecke neue Rettungswege.
Klar ist auch, dass es zu Sperrungen kommt. Der Bahnübergang in der Ruppiner Chaussee in Kremmen soll 24 Tage lang auf eine Spur mit Ampeln verengt werden, für fünf Tage gebe es eine Vollsperrung. Wann genau, ist noch unklar. Dafür ist erstmals ein konkreter Termin für eine Sperrung des Bahnverkehrs zwischen Neuruppin und Kremmen (zeitweise auch bis Velten) genannt worden. Sie soll ein Dreivierteljahr dauern – voraussichtlich von Juli 2025 bis Ostern 2026. Busse werden als Ersatz eingesetzt. „Eisenbahnbau bringt Einschränkungen“, sagte dazu Kai Protzer, Projektleiter bei der DB Netz AG.

Für Ärger bei vielen Menschen sorgt jedoch ein kleines Detail im künftigen Fahrplan. Nach dem Streckenausbau wird nicht mehr der RE 6 am Bahnhof Beetz-Sommerfeld halten, sondern die RB 55. Denn der RE 6 soll dann zwischen Neuruppin und Kremmen nicht mehr halten, dafür soll die RB 55 unterwegs an allen Haltepunkten stoppen.
In Sommerfeld und den Dörfern drumherum – Beetz, Ludwigsaue, Wall, Rüthnick – sorgt das für Unmut. Andreas Halder, ärztlicher Direktor der Sommerfelder Sana-Kliniken, sieht in den Plänen einen Rückschritt für Sommerfeld. Der Ausbau einer solchen Strecke könne doch nicht dazu dienen, danach schlechter angebunden zu sein.
Chefärztin Susanne Pelzer wies darauf hin, dass die Klinik in Sommerfeld etwa 15.000 Menschen im Jahr betreue, hinzu kämen viele der 650 Angestellten, die mit der Bahn nach Sommerfeld kommen. Diese hätten von Berlin aus keinen direkten Anschluss mehr. Sie müssen einmal umsteigen, was auch eine viel längere Fahrtzeit bedeute. „Wir brauchen keine Anbindung nach Schwante und Vehlefanz, wir brauchen eine Anbindung nach Spandau und Berlin“, sagte Susanne Pelzer weiter. Sie bekam viel Applaus. „Die Leute wurden über 30 Jahre hingehalten“, sagte ein Mann aus dem Publikum. Der Nordwesten sei stiefmütterlich behandelt worden. Jetzt gehe man davon aus, dass man sich mit einem kurzen Stück Zweigleisigkeit zufrieden gebe. „Das ist zu wenig.“
„Wir werden definitiv Gäste verlieren“, sagte Jan Schröter vom Sommerfelder Hotel und Spa. „Diese Haltestelle ist essenziell wichtig.“ Der Planungsfehler, der hier unterlaufen sei, wolle aber nicht zugegeben werden. Ole Grassow von der DB Netz AG sagte, dass das Land Brandenburg für das Fahrplankonzept zuständig sei. Entschieden darüber, wo welche Linien bestellt werden, würde in Potsdam, das sei Sache der Landespolitik. Die Aufgaben würden von dort aus an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg übertragen. In Hinblick auf die Lage in Beetz-Sommerfeld erklärte er: „Natürlich wäre es günstiger, wenn die Strecke komplett zweigleisig wäre, dann wären wir flexibler. Das ist aber finanziell nicht darstellbar.“ Aber es gehe nicht nur ums Geld, sondern auch um die Schnelligkeit des RE 6. Ein zusätzlicher Halt in Beetz-Sommerfeld passe nicht ins Fahrplankonzept. Es gehe aber auch darum, „erst mal das Unpünktlichkeitsproblem zu lösen.“

Vor Ort war auch Sommerfelds Ortsvorsteher Jürgen Kurth (UWG/LGU). Er kündigte an, Einwendungen gegen die Pläne zu Bahn einzulegen. Wenn die Bahn alle Pläne ab Anfang 2024 im Kremmener Rathaus auslegt, können sich danach alle Betroffenen dazu äußern. Der Stadtverordnete Reiner Tietz (Die Linke) regte an, sich an die Landespolitik zu wenden. Der Landtagsabgeordnete Frank Bommert (CDU) war sogar parallel auch auf dem Spargelhof – im Nebenraum fand das „Kremmener Gespräch“ mit Gänseessen der CDU statt.
Anwesend war aber Kremmens Bürgermeister Sebastian Busse (CDU). Er sagte, er wolle sich dafür stark machen, die am Montag angesprochenen Probleme zu lösen.

*

Kommentar
Alles für Neuruppin?
Dass sich beim Prignitzexpress endlich mal was bewegt, ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht aber lautet: Es tut sich nicht genug. Wer sich mit den Plänen befasst, dem wird schnell auffallen: Die einzigen, die wirklich vom Ausbau der Strecke zwischen Velten und Neuruppin profitieren, sind die Neuruppiner selbst.
Aber so schön und wichtig Neuruppin auch ist – das kann ja nicht alles sein. Mehr und mehr ist klar: Alle anderen entlang der Strecke sind vergessen worden.
Oberkrämer hat vom Ausbau praktisch gar nichts. Der RE 6 wird weiter durch alle drei Bahnhöfe rauschen, die RB 55 hält auch zukünftig nur stündlich. Dabei wächst die Einwohnerzahl auch weiterhin. Unberücksichtigt von der Bahn.
Kremmen bekommt einen Halbstundentakt nach Neuruppin. Das ist schön, aber sicherlich fährt der Großteil der Pendler eher in die andere Richtung. In Richtung Hennigsdorf bleibt alles, wie es ist. Der Bahnhof Beetz-Sommerfeld steht nach dem Umbau sogar schlechter da. Kein Regionalexpress, dafür nur noch die Bimmelbahn. Für Berlin-Pendler heißt das: umsteigen und längere Reisezeiten. Für den Oberhavel-Teil ist das eine erstaunlich und beschämend magere Ausbeute. Es handelt sich hier eindeutig um einen gewaltigen Planungsfehler seitens der Politik, die die Bahnstrecken, Fahrpläne und Halte bestellen muss. Wachsende Bedarfe werden nicht berücksichtigt, die Region als Ganzes scheint nicht angeschaut worden zu sein. Dass Sommerfeld eine Klinik und ein Hotel hat, blieb außen vor. Der Blick der Planer scheint nur auf Neuruppin geworfen worden zu sein. Das ist zu wenig. Das reicht nicht.
Will man eine Verkehrswende erreichen, muss das Angebot erweitert und verbessert werden. Wachsende Orte wie Oberkrämer zu vernachlässigen oder gar Angebote zu verschlechtern, wie in Beetz-Sommerfeld, ist das vollkommen falsche Signal.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert