Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

Eine kleine Stadt an der Havel, in der DDR, in den späten 80ern. Mimi und Oliver sind als Nachbarskinder echte Freunde, die alles zusammen machen. Mimi ist erfolgreiche Pionierin. Sie schreibt ein Gedicht und wird beim Fahnenappell dafür ausgezeichnet. Mit der Schul-Auswahl darf sie in ein Russisch-Spezialistenlager. Sie darf für gute Leistungen die Sommerferien in der Pionier-Republik am Werbellinsee verbringen.
Und dann kommt der Mauerfall. Die Wende. Die Havelstadt ist nun Teil der Bundesrepublik.
Alles ist anders. Das Schulsystem ist abgeschafft, es kommt ein Neues. Arbeitsplätze werden abgewickelt, Jugendclubs geschlossen, die Havelstadt verfällt. Und scheinbar mit ihnen die Leute.
Oliver nennt sich jetzt Hitler, und wer sich in der Stadt umschaut, merkt: Neonazis machen die Stadt unsicher. Scheinbar haben sie die Kontrolle, und für Mimi wird es irgendwann gefährlich…

Die Autorin Manja Präkels verarbeitete in dem Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ ihre eigene Jugend im Übergang von Ost zu West. Sie wuchs in Zehdenick auf, und genau dort spielt der Roman auch – der Name der Stadt wird allerdings nie genannt. Die Kreisstadt – Gransee – bleibt ebenfalls namenlos.
Die Autorin sagt, sie habe zugespitzt, aber alles sei wahr. Und die schlimmste Geschichte habe sie sogar weggelassen. Dabei ist es schockierend genug, zu lesen, wie sich Zehdenick Anfang der 90er zur Neonazi-Hochburg entwickelte.
Präkels erzählt ein Stück deutsche Geschichte, das einerseits immer noch kaum beleuchtet ist, andererseits aber aktuell wie nie ist, weil es ja auch heute noch immer wieder um die Frage geht, warum der Osten scheinbar immer wieder so schnell nach rechts abdriftet. Die Autorin schildert nachdrücklich, wie der scheinbar so beschauliche DDR-Alltag mit all seinen Widrigkeiten von einem Monat zum anderen verschwand. Und dass auch in der DDR schon im Untergrund viel in Sachen Rechtsextremismus passiert zu sein scheint. Dann hielt eine neue Gesellschaftsform Einzug – was für eine Gesellschaft ein schwieriger Akt ist und in der Havelstadt geradezu zu gesellschaftlichen Explosionen führte.
Im Grunde genommen ist dieser Roman ein wenig wie die Vorgeschichte zu Moritz von Uslars „Deutschboden“, der ja einst auch in Zehdenick war, um über den Ort zu schreiben.
Interessant sind auch die Episoden, die Präkels über ihren Job erzählt. Direkt nach der Wende begann sie für die örtliche Lokalzeitung zu schreiben. Sie erwähnt dabei mehrfach auch den Herausgeber Hieronymus Gaul, der im wahren Leben Alexander Gauland heißt – und der im Roman verhindern will, dass Mimi über Nazis schreibt. Das wäre doch gar nicht interessant, so Gaul im Roman.
Mit ihrem Roman hat Manja Präkels ein sehr wichtiges Zeitzeugnis über die Wendezeit in Brandenburg niedergeschrieben. Lesenswert!

Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
btb, 232 Seiten
7/10


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Kommentare

2 Antworten zu „Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“

  1. ThomasS

    Kennst du auch den Roman „89/90“ von Peter Richter?
    Der ist ebenfalls lesenswert.

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