„Ich bin nicht der smarte Typ“

Der ehemalige Kremmener Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse wird am Ostersonntag 70 Jahre alt

MAZ Oberhavel, 3.4.2021

Beetz.
Zwei Jahre habe er gebraucht, um aus der Wahlniederlage so richtig Kraft zu schöpfen. „Zwei Jahre habe ich mich richtig zurückgezogen“, sagt Klaus-Jürgen Sasse. Nach 23 Jahren als Amtsdirektor und später Bürgermeister in Kremmen war im März 2017 Schluss. Als er sich damals, nach der verlorenen Wahl im November davor, auf Fotos angesehen hat, fand er: „Ich sehe müde aus, und ich war extrem körperlich müde.“ Das ist inzwischen anders. Klaus-Jürgen Sasse ist bis auf eine angeschlagene Stimme fit. „Dem Alter entsprechend geht es mir ziemlich gut“, sagt er. „Aber natürlich hat man mit fast 70 ein paar gesundheitliche Einschränkungen.“ Am Ostersonntag feiert der Beetzer seinen 70. Geburtstag, aber die große Feier muss pandemiebedingt ausfallen.

Eigentlich wäre er in diesem Jahr mit dem Rad unterwegs gewesen – an der Donau von Budapest nach Donaueschingen, etwa 1500 Kilometer. Den ersten Teil der Strecke, vom Schwarzen Meer nach Budapest, hat er schon 2019 absolviert. „2000 Kilometer auf dem Rad an der Donau“, sagt er und lächelt. „Reisen waren schon immer mein Steckenpferd, aber diese Fahrradtour war von allen Reisen das schönste, was ich gemacht habe.“ Dafür hat er sogar noch ein bisschen Englisch gelernt, damit er sich unterwegs verständigen kann. Er war alleine unterwegs. „Ich bin ja sowieso ein relativer Einzelgänger.“

Klaus-Jürgen Sasse ist am 4. April 1951 in Germendorf geboren worden, im Haus seiner Oma. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie. „Mein Vater war Walzendreher, meine Mutter Transportarbeiterin.“ Das sei eine ganz andere Erziehung gewesen als heute. „Den Unterschied habe ich erst spät bemerkt. Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Mutter erzieht die Kinder. Diese Einstellung habe ich viele Jahre in mir getragen. Eigentlich erst in den letzten 20 Jahren habe ich gemerkt, dass Familie bei mir zu wenig eine Rolle spielte.“ Als Kind dagegen sei er schnell selbstständig gewesen. „Die Arbeit und der Erfolg bei der Arbeit war mir lange wichtiger als die eigene Familie.“ Nach dem 10.-Klasse-Abschluss an der Oranienburger Comeniusschule machte er eine Ausbildung zum Elektromonteur, später konnte er in einem Sonderlehrgang sein Abi machen. Er arbeitete dann im Feinstahlwerk in Hennigsdorf, zum Schluss als Abteilungsleiter. Nach dem Mauerfall war klar, dass er in der Branche vermutlich keine Zukunft habe.

„Politik fand ich eigentlich abschreckend“, sagt er heute. Aber es war nach der Wende auch klar: „Ich wollte das System kennenlernen, an der Basis, und die Basis ist die Gemeinde.“ Er hatte dabei aber eine Schwierigkeit: „Ich wusste, dass ich nicht der smarte, liebenswerte Typ bin.“ Er wurde Bürgermeister in Germendorf. In die Phase fielen die Entscheidung für einen Bushof am Ortsrand und die Ideenfindung für die Trasse der neuen B 96.
Er bewarb sich dann für den Posten als Amtsdirektor in Kremmen – und bekam den Job. Er blieb aber gleichzeitig Ortschef in Germendorf, das war dann nur noch ein Ehrenamt – bis zur Auflösung des Amtes Kremmen zur Stadt mit den Ortsteilen. Als wichtige Station nennt er die Umstrukturierung des Zweckverbandes. Auch der Bau der neun Flüchtlingshäuser an der Berliner Straße, die nach dieser Nutzung für den Wohnungsmarkt offen stehen sollten, sieht er als großen Erfolg. „Alle 36 Wohnungen sind jetzt vermietet. Die Idee ist voll aufgegangen.“ Damals sei in einer Bürgerversammlung gefragt worden, ob er keine Angst vor der Aggression der Ausländer habe. Er habe mehr Angst vor den Reaktion der hiesigen Bevölkerung, habe er damals gesagt. „Der Brandanschlag später hat mich sehr betrübt.“

Aber natürlich lief nicht alles gut. „Es gab so viele Dinge, die ich taktisch falsch angepackt habe. Ich bin nicht der smarte Typ“, schiebt er noch mal hinterher. Jeder, der in den mehr als 25 Jahren mit ihm als Politiker zu tun hatte, wird eine Geschichte erzählen können, wo Sasse schon mal, nun ja, laut geworden ist. „Ich war immer überzeugt von dem, dass das, was ich mache, richtig ist. Nirgendwo spielte einfach eine Laune eine Rolle.“ Aber er sagt auch: „Ich habe immer bewundert, wie moderat Bernd-Christian Schneck in Löwenberg seine Gemeinde führt. Auf eine Art, wie ich eben nicht war. Menschen machen Fehler.“ War er ein guter Chef im Rathaus? „Ich war hart“, sagt er.

Er lebt in Beetz, in einem Haus mit Seeblick. Geradezu idyllisch. Es gibt Leute, die sagen „Schloss“ dazu. Er ist sichtlich stolz darauf, was er da geschaffen hat. Und er pocht darauf, dass rechtlich alles einwandfrei verlaufen sei. Als er noch im Amt war, hatte es eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung gegeben, die für viel Wirbel gesorgt hatte. „Die haben jeden Winkel untersucht, sämtliche Rechnerplatten.“ 2015 wurde das Verfahren eingestellt – ohne dass juristisch etwas hängen blieb. Bis heute arbeitet er an seinem Haus, das er mit seiner Lebensgefährtin bewohnt. Als nächstes will er im Keller einen Pool einbauen.

Das politische Geschehen in Kremmen beobachtet er nur sporadisch. Was nicht heißt, dass zu bestimmten Themen keine Meinung hat. „Es gibt auch heute noch Leute, die mich auch noch um Rat fragen.“ Dennoch habe er von Anfang an gesagt, er wolle sich nicht aufdrängen.
Dass er seinen 70. nicht feiern kann, findet er schade. Aber er schließt natürlich nicht aus, dass ab und zu jemand zum Gratulieren vorbeikommt.


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