Seit 50 Jahren am Herd

Es war und ist sein Traumberuf – der Kremmener Norbert Stolley hat 1966 seine Kochlehre begonnen

MAZ Oberhavel, 26.3.2016

Kremmen.
Die Kochhose wollte einfach nicht über die Jeans passen – und die Kochjacke nicht übers Hemd. Also Jeans aus, Hemd aus, und die Kochsachen angezogen.
Norbert Stolley war gerade mal 14 und ziemlich schüchtern. Es war sein erster Tag seiner Ausbildung im Kölner „Weinhaus Hugo Wolff“. Er wollte seinen Traumberuf lernen: Koch! Das war am 1. April 1966 – vor genau 50 Jahren. So lange steht Norbert Stolley nun schon professionell am Herd. Seit einigen Jahren im „Coldehörn“ im Kremmener Scheunenviertel.

Privat kocht er sogar noch länger. „Ich wusste schon mit sieben Jahren, dass ich Koch werden will“, sagt der 64-Jährige. Schon als Kind kochte er Pudding und Milchreis, briet er Spiegeleier und Bratkartoffeln. Zwischen dachte er zwar daran, Konditor, Dekorateur oder Tankwart („Meine Mutter meinte: Bist du wahnsinnig?“) zu werden, er blieb dann aber dabei: Koch.
Das Weinhaus war eine gute Adresse, „alles wurde dort per Hand hergestellt, es gab keine Konserven oder Tiefgefrorenes“, erinnert sich Norbert Stolley. Lehrlinge sind schlecht bezahlt worden. Dafür gab es aber sogar auch mal Schläge, wenn der Lehrling Fehler gemacht hatte: „Das war damals so. Mein Vater war sogar einmal bei meinem Chef, der aber bestand auf Zucht und Ordnung.“ Damals schon zweifelhaft und heute sowieso undenkbar

Er arbeitete nach der Lehre in einem Kölner Hotel sowie in Wertheim am Main. „Mit den Bayern kam ich damals aber nicht klar, anders als heute.“ Mit knapp 18 ging er nach Hamburg, heuerte als Matrose an, kochte auf dem Schiff, zehn Jahre war er auf See. „Das war das, was ich wollte.“ In Wilhelmshaven fing er danach als Koch im „Coldehörn“ an, übernahm das Geschäft wenig später. „So richtig zufrieden war ich dann aber doch nicht.“ Nach weiteren Stationen als Küchendirektor wurde er Küchenchef im bekannten Mövenpick-Café Kröpcke in Hannover. Nach dem Mauerfall wechselte er ins Europacenter in Berlin. „Das war damals ein Chaosbetrieb, die Mauer war offen, die Leute kamen. 350 Mitarbeiter im 23-Stunden-Betrieb.“
Dann ging es weiter in die dortige Schulungsabteilung. In diesem Business machte er sich später selbstständig. Er beriet unter anderem das Cliff-Hotel in Sellin auf Rügen sowie Hotels in Berlin – und hatte dann eine Eingebung: Obstsalat!

In einer kleinen Küche auf dem Berliner Großmarkt produzierten er und seine bis zu 70 Mitarbeiter 1,5 Tonnen Obstsalat täglich – die Lieferungen gingen in Hotels nach ganz Deutschland, Österreich, Schweiz und in die Benelux-Länder. Bis zum 11. September 2001. Danach blieben in den Hotels die Manager aus – es musste gespart werden. Die Obstsalatproduktion rentierte sich nicht mehr.
Mit seiner Frau Charlotte konzentrierte er sich nun wieder auf die Gastronomie. In Eichstädt eröffnete er das „Coldehörn Steak und Fisch“, unter Bikern war das Lokal sehr angesagt, sogar Peter Maffay und Wolfgang Fiereck kamen dafür in das Dorf.
Dennoch zog es die beiden eigentlich gen Norden – sie wollten sich was Neues aufbauen, landeten aber letztlich im Kremmener Scheunenviertel. Auch dieses Geschäft benannten sie nach dem Lokal, das Stolley einst in Wilhelmshaven gehörte: „Coldehörn“ – mit dem Zusatz „Wein und Käse“. „Der Name bedeutet: kalte Ecke. Viele Gäste fragen danach, und so kommt man mit ihnen ins Gespräch.“

In Kremmen steht er wieder jeden Tag am Herd, auch an den beiden Tagen, in denen das Restaurant nicht geöffnet ist. Die kleine Karte im Lokal ändert sich von Tag zu Tag. „Frisches Fleisch, frischer Fisch, der Gast honoriert das.“ Er selbst isst „unwahrscheinlich gerne Brot, dazu Schinken oder Käse.“ Oder Steak, „ein schönes Stück Fleisch, aber nicht zu häufig. Auch mal gern Fisch.“
Am Mittag geht es los. „Jeden Tag wird der Kühlschrank aufgeräumt.“ Die Vorräte werden überprüft und in neue Schalen gelegt. Stolley portioniert das Fleisch und den Fisch.

Für den kommenden Freitag, dem großen Jubiläumstag, hat er sich ein paar Gäste eingeladen. Das Menü hat er am 23. März 1969 schon mal zubereitet – es war Bestandteil seiner damaligen Prüfung. Es gibt Matjesfilet, Kraftbrühe mit Pfannkuchenstreifen, Poularde Pompadour und Reis Trauttmansdorff, also Milchreis mit Früchten.

In diesem Jahr wird Norbert Stolley 65, im Dezember bekommt er die erste Rente – wie es weiter geht, weiß er noch nicht. „Wir arbeiten ganz stark an unserer Gesundheit“, sagt er. Davon ist momentan viel abhängig. Auf jeden Fall möchte er weiterhin „für die Kollegen was machen“, sie in Sachen Kochen und Kücheneinrichtungen beraten.


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