Vom wütenden Mob, vielleicht rassistisch

Wo fängt Rassismus an? Das ist momentan in Kremmen die ganz große Frage. Darüber stritten sich am Dienstagabend Vertreter einer Antirassismusgruppe mit Kremmener Politikern und Bürgern.

Es passierte am vergangenen Montag. Unbekannte versuchen in Orion in ein Haus einzudringen, doch eine Bewohnerin überrascht sie. Die Polizei fahndete umsonst.
Stunden später. Es ist bekannt, wie die Einbrecher aussahen, also welche Klamotten sie anhatten.
Der Nachbar der Frau sah drei Männer, auf die seiner Meinung nach die Beschreibung passte. Mehrere Männer schlossen sich zusammen, sie meinten, Sheriff spielen zu müssen. Sie verfolgten die Männer, um sie zu stellen und sie der Frau zur Identifikation vorführen zu können. Sie schlugen die Männer und zerrten sie ins Auto, einer der Polen konnte flüchten. Auf dem Grundstück der Frau wurden die Erntehelfer an Paletten gefesselt und die Polizei gerufen – obwohl die Frau bereits sagte, dass es sich nicht um die Einbrecher handele.

Die Polizei fand die Gefesselten, die hatten Wunden im Gesicht und mussten ins Krankenhaus, um dort ambulant versorgt zu werden.
Dass die von den Kremmenern gefesselten Männer unschuldig sind, war sehr schnell klar.

Eine rassistische Tat? In Kremmen ist man sich ziemlich einig, dass Rassismus bei dieser schrecklichen Tat keine Rolle spielte. Der Fall von Selbstjustiz wird von allen schärfstens abgelehnt, die Sache habe eindeutig eine Schwelle der Gewalt überschritten, hieß es. Mehrere Vertreter der Stadt entschuldigten sich persönlich bei den polnischen Männern.
Die Antirassismusgruppe ließ das alles nicht gelten. Es handele sich definitiv um Rassismus, sagten die Teilnehmer einer Demo. Schon allein, dass es ausgerechnet die polnischen Enrtehelfer waren, die beschuldigt wurden, sei Rassismus.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Die Frage ist: Was wäre denn gewesen, wenn die zu unrecht beschuldigten Männer Deutsche gewesen wären? Hätte man die auch so lange festhalten, auch nachdem längst klar war, dass sie unschuldig sind? War man vielleicht doch noch etwas brutaler, weil es sich eben doch „nur“ um Polen handelte?

Eines ist nicht von der Hand zu weisen: Der Alltagsrassismus ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Da wird dann eben doch mal über die „scheiß Polen“ gewitzelt, über andere Ausländer, über Asylbewerber – denen man es ja viel zu leicht mache und die ja eigentlich doch mal lieber zu Hause bleiben könnten – über Schwule. Ja, ja, immer mit so einem Augenzwinkern, und das ist ja gar nicht so gemeint. Und man wird das doch mal so sagen dürfen. Ist das nicht rassistisch, nur weil es „ganz normale“ Bürger sagen?

Ganz sicher hat der Kremmener Fall von Selbstjustiz im ersten Ansatz mit Rassismus nichts zu tun. Aber irgendwie, im zweiten Ansatz, dann vielleicht doch.


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