Rommé hat Streitpotenzial

Porträt: Bernd Purps organisiert jeden Mittwoch die Spieleabende in der Sommerfelder Rehaklinik

MAZ Oranienburg, 2.11.2011

Der 61-Jährige aus Orion bereitet einmal in der Woche die Spieltische vor. Er liebt den Kontakt zu Menschen und findet es interessant, ihnen beim Spielen zuzusehen.

SOMMERFELD
Der Salzstreuer. Der stört beim Romméspielen. Oder beim Skat. Bernd Purps geht von Tisch zu Tisch und räumt Deckchen beiseite, die Blumen und alles andere, was stören könnte.
Der 61-Jährige organisiert seit einem halben Jahr die wöchentlichen Spieleabende in der Sommerfelder Rehaklinik. Er rückt die Tische zurecht, legt schon mal die Kartenspiele bereit und sorgt dafür, dass die Gäste Getränke bekommen.

„Eigentlich bin ich Rentner“, erzählt Bernd Purps. Weil er sich jedoch noch etwas dazuverdienen will, meldete er sich auf eine Anzeige der Klinik. So sorgt er nicht nur mittwochs für den Spieleabend. Immer am Wochenende beaufsichtigt er das Schwimmbad. „Ich halte da ein Auge drauf“, sagt er. An den Tagen ist kein Therapeut vor Ort, „und die Leute sind halt ängstlich, wenn niemand da ist“. Am Montag ist er veranwortlich für die Filmvorführung in der Klinik.

Inzwischen hat er alles vorbereitet. Die ersten Mitspieler treffen im Personalspeiseraum der Rehaklinik ein. „Gibt’s Preise?“, fragt eine Dame. Purps schüttelt den Kopf. „Früher gab’s mal Preise“, sagt die Dame nun. Purps lächelt. Später sagt er: „Eigentlich geht es darum, dass die Leute ein bisschen Spaß haben und mit den anderen ins Gespräch kommen.“ Preise sind da nicht so wichtig. „Ab und zu frage ich auch mal, wie es ihnen so geht.“ Dann kommen sie ins Gespräch. Über ihre Krankheiten, über den Heilungsprozess, das Leben im Allgemeinen. „Manchmal spiele ich auch schon mal selbst mit“, erzählt Bernd Purps. „Wenn zum Beispiel ein Spieler keinen Partner findet.“ Wie gerade jetzt: „Spielt mit mir jemand Kanaster?“, fragt ein Mann. „Ich hatte mich in die Liste eingetragen.“ Er ist der Einzige, der heute Kanaster spielen will, aber vielleicht hat er ja Lust, auf etwas anderes.

Zu Hause, im Kremmener Ortsteil Orion, wird Purps von seiner Frau auch schon mal zu Spielen verdonnert. „Bevor ich heute losgefahren bin, hat mich meine Frau noch überredet.“ Diesmal stand Skip-Bo auf dem Programm.
Manchmal denken die Leute, er würde sich langweilen, wenn er einfach nur dasitzt, während die anderen Skat, Rommee, Dame, Mühle oder Doppelkopf spielen. „Nein, das ist nicht so“, sagt er dann. „Für mich ist das eine Abwechslung.“ Der Kontakt zu Menschen hat ihm lange Zeit gefehlt. „Ich finde es total interessant, den Leuten zuzuschauen.“ Viele sind dabei, die sind einfach nur lustig. Aber es gibt auch andere. „Die Damen bringen sich zum Beispiel oft Knabbersachen mit“, hat er beobachtet. „Sie ärgern sich meistens auch nicht so wirklich, wenn sie im Spiel mal verlieren.“ Bei den Männern sieht das manchmal etwas anders aus. „Die sind auch lustig, erzählen oft Witze. Aber es fällt hin und wieder mal ein rauer Ton.“ Richtigen Zoff musste der 61-Jährige beim Spieleabend noch nicht schlichten. „Die beruhigen sich schnell“, sagt er und lächelt.

Rommé zum Beispiel. Rommé hat Streitpotenzial. Jeder spielt es anders. Auslegen mit 30 Punkten? Oder erst mit 40? Anlegen, ja oder nein? Wann gilt ein Handspiel? „Ganz klar, die Fragen müssen alle vor dem Spiel geklärt werden, sonst geht das schief“, sagt Bernd Purps.

Und dann gibt es natürlich die, die ständig was zu motzen haben. „Ein Herr beschwerte sich mal, dass er einem bestimmten Skat-Tisch zugeteilt wurde.“ Als der Mann dann auch noch nörgelte, weil ein Mitglied angeblich mogelte, riet Purps ihm, er könne ja auch gehen. „Das machte er dann auch“, erinnert er sich.
Besonders gern erinnert sich Purps an einen Mann, der ihn ganz schüchtern fragte, ob er sich ans Klavier setzen dürfe, das im Personalspeiseraum steht. Als er dann tatsächlich dransaß und spielte, wurden viele Patienten der Klinik hellhörig. Wer spielt denn da? „Während des nächsten Spieleabends hat er dann die ganze Zeit am Klavier gesessen“, erinnert sich Purps. „Das hat er zweimal gemacht, dann war er weg.“

Sehr viel öfter als zweimal sind die meisten sowieso nicht beim Spieleabend, dann werden sie aus der Klinik entlassen.
Sieben Tische sind es, die diesmal besetzt sind. Gemurmel hier, Gelächter dort. Und mittendrin Bernd Purps, der sie alle dabei beobachtet.


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