Sea Of Love (1): Willkommen im Stau

Eigentlich hatte ich nach meinem letzten Festival, 2005 im Taubertal, gesagt, dass ich so was nie wieder machen würde. Obwohl es damals gar nicht so schlecht war. Nun aber kündigten sich Moby und Underworld für „Sea Of Love“ in Freiburg an. Und da beide Acts in diesem Jahr keine Deutschlandtour machen, war das die große Möglichkeit: Beide auf einem Festival. Also war klar: Das wird nun doch mein nächstes Festival.
Aber da ahnte ich ja auch noch nicht, was es für ein Desaster werden würde.

17.15 Uhr. Wir erreichen Freiburg. In unseren Unterlagen stand, wir würden das Messegelände über die A5-Abfahrt Freiburg-Mitte erreichen. Und blöd, wie wir sind, halten wir uns daran.
Wir fahren am Ikea-Baumarkt vorbei, der Verkehr wird dichter. Und dann: Stillstand.
17.20 Uhr. Immer noch Stillstand. Es sieht zunächst aus, als ob weiter vorn ein Unfall passiert ist.
17.30 Uhr. Ein paar Meter weiter konnten wir inzwischen schon fahren. Vielleicht 40. Inzwischen stehen viele Leute auf der Straße, und es ist klar: Sie alle wollen zum „Sea Of Love“-Festival.
Der Stau steht auf zwei Spuren, später verengt er sich auf eine Spur.

Es ist 20 Uhr, als wir das Festival-Gelände erreichen. Aus einer Spur werden vier.
Um auf das Campinggelände fahren zu dürfen, muss jeder eine bestimmte Prozedur durchlaufen. Ich habe schon gekotzt, als ich mir das alles vorher durchgelesen habe. Schon da war mir klar: Das wird kompliziert.
Bei Vorlage des Tickets gibt’s ein Bändchen, außerdem noch das Bändchen für die Camper, zusätzlich zwei Müllbeutel gegen 10 Euro Pfand und Zeltheringe für weitere 10 Euro.
Jeder muss das Bändchen persönlich abholen – auch der Fahrer des Autos. Dafür ist vor dem großen Zufahrtstor ein kleiner Parkplatz angelegt. Ist ja klar, dass das zum Megastau führt.

Das Bändchen gibt es in einer der Messehallen. Zu erkennen ist sie daran, dass da ganz viele Leute vor einem geschlossenen Tor haben. Ein Hinweisschild fehlt. Man stellt sich da einfach mal hin. Dann öffnet sich tatsächlich das Tor, die Masse zwängt sich rein. Fiele jemand hin, wäre es der perfekte Beginn einer Massenpanik.
Dann läuft man weiter in einer der Hallen. Hinten sind mehrere „Check in“-Schalter, vorne ein kleiner Tisch, an dem zwei Frauen sitzen. Da gibt’s die Bändchen – habe ich nur zufällig mitbekommen. Ein Hinweisschild fehlt.

Es ist 20.45 Uhr, als wir endlich auf dem Zeltplatz angekommen sind. Dreieinhalb Stunden. Was für ein Scheiß.
Bis 21.30 Uhr müssen wir mit dem Auto wieder den Platz verlassen haben, ansonsten gibt es die 50 Euro Pfand nicht zurück, die wir bei der Zufahrt blechen mussten.
Schnell haben wir einen Platz fürs Zelt und alles ausgepackt.
Der Campingplatz ist eine große Schotterfläche, auf der im gewissen Abstand, Rollteppiche verlegt wurden. Da sollen die Zelte drauf stehen.

21 Uhr. Ich fahre mit dem Auto vom Zeltplatz, frage eine Ordnerin, wo ich denn mit dem Auto nun hin muss. Sie: Gleicht hier vorne ist der Parkplatz, das sei gerade geändert worden. Ich frage sie, ob das ihr Ernst sei, dann hätten wir uns ja einiges erspart. Also parke ich das Auto auf dem Platz vor der Campinganlage.
Und die 50 Euro? Wo bekomme ich die wieder, wenn ich ja nun nicht vom Platz gefahren bin?
Ich frage die Ordnerin. Sie weiß nichts davon, ich solle mal den Mann dahinten fragen. Ich frage den Mann dahinten. Er weiß nichts davon, ich solle mal den Typ da vorne fragen. Ich frage den Typ da vorne. Er weiß nichts davon, der Parkplatz sei außerhalb des Geländes. Ich sage, die Ordnerin da hinten habe das aber anders gesagt. Er weieß nichts davon, ich solle mal den typ dahinten fragen. Ich sage, dass ich den Typ dahinten schon gefragt habe.
Um es kurz machen: Es stehen diverse Ordner auf dem Gelände, und keiner weiß etwas. Keiner kennt die Regeln, falls es Neue gibt, werden sie nicht kommuniziert. Funkgeräte haben die meisten von ihnen sowieso nicht.
Das Ende vom Lied: Ich muss doch mit dem Auto runter vom Gelände. Ich bin stinksauer. Die Stimmung auf dem Gelände ist allgemein sehr angespannt. Die Leute schreien mittlerweile die nichtswissenden Ordner an.

Der Parkplatz befindet sich auf einem Acker etwa zwei Kilometer vom Messegelände entfernt. Die Mühe, den Rasen zu mähen, hat man sich nicht angemacht. Wozu auch? Die Hauptstraßen auf dem Acker sind notdürftig mit irgendwelchem Sand planiert. Falls es regnen sollte, wird der zum Schlamm.

22.15 Uhr. Ich komme wieder auf dem Zeltplatz an. Dort gibt es eine weitere Diskussion. Eine Ordnerin hat unseren Platz abgemessen. Auf dem Teppich stehen uns vier Meter der Fläche zu. Heißt: Neben unserem Zelt ist noch Platz. Und das ist gut so. Zwei weitere Ordner tauchen auf: Die Zelte würden viel zu weit auseinander stehen, die müssen zusammengeschoben werden. Wir lehnen das ab, der Platz stehe uns zu. Wer uns das denn gesagt habe, fragt der eine Ordner. Wir zeigen auf die andere Frau. Der Ordner sagt, da gehe er mal hin und komme dann wieder. Er kam nicht wieder.

22.30 Uhr. Fünf Stunden, nachdem wir Freiburg befahren haben, sind wir endlich fertig. Der gesamte Campingplatz ist extrem mies beschildert. Um nicht zu sagen: Schilder fehlen fast komplett. Immer wieder irren Autos durch die Menge, weil sie die Ausfahrt nicht finden.
Vor dem Toilettenhaus steht eine lange Schlange – bei den Männern und den Frauen. Die Kapazität reicht nicht aus. Nicht wenige pissen sonstwo hin.

Unterdessen herrscht vor der Messehalle der nächste Aufruhr. Um 22.40 Uhr ist die Halle scheinbar immer noch dicht, jedenfalls kommt keiner rein. „Aufmachen, aufmachen!“, skandiert die Masse.
In der Messehalle findet die „Sea Of Love @ Night“ statt. Gegen 23 Uhr steht der DJ Mogwai auf dem Programm. den wollten wir eigentlich noch sehen. Also warten wir noch ein wenig am Zelt.
Rund um uns herum diskutieren die Leute über die schockierend beschissene Organisation der Ankunft. Noch immer warten Autos vor dem Tor.

23.30 Uhr. Wir laufen zur Messehalle. Zäune versperren den Zugang zum Gelände. Einige Leute reißen einen Zaun um, Ordner kommen angerannt und schreien die Jugendlichen zusammen, fast kommt es zur Schlägerei.
Ein paar Meter weiter ist ein weiteres Loch im Bauzaun, wir schlüpfen durch, der Zugang zur Halle ist uns sicher.
Drinnen ist Mogwai gerade an den Reglern, und es ist ein schöner Beginn des Festivals – zumindest was den musikalischen Teil angeht.

Als wir gegen 1.40 Uhr die Halle wieder verlassen, ist sie angeriegelt. es kommt keiner mehr rein. Angeblich wegen Überlastung. dabei war es drinnen noch gar nicht so voll.
Wir laufen zum Zelt, um uns herum wuselt es noch munter. Und immer wieder die Gespräche – wie krank diese Organisation hier doch ist.
Recht haben sie. es ist ein Graus. Es ist dilletantisch. Es wirkt, als sei der Beginn des Festivals ganz plötzlich über die Veranstalter hereingebrochen. Es wirkt, als würden die wenigen Ordner nicht mal wissen, wo sie sich eigentlich befinden. Sie können nur die wenigsten Fragen der Leute beantworten.
Ich lege mir Ohrstöpsel an und schlafe bald ein. Und hoffe darauf, dass es nur ein Fehlstart war und alles besser wird.


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Kommentare

4 Antworten zu „Sea Of Love (1): Willkommen im Stau“

  1. Bea

    Schöne Geschichte 🙂

  2. RT

    Na ja, live vor Ort wars weniger schön. 🙂

  3. […] der eigentliche Campingplatz voll war – und die Stimmung im Eimer. Auch ein Grund, warum ich so was nicht noch mal erleben […]

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