Bahnbekanntschaften (48): Hohen Neuendorfer Hexennacht

(47) -> 7.9.2010

Halloween wirft seine Schatten voraus. Überall tauchen sie auf: die weiß Geschminkten. Die mit dem Blut, das aus dem Mund fließt – natürlich auch nur Schminkblut. Auf dem Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen stehen sie neben mir. Mehr oder weniger nüchtern. Einer hat noch seine Perrücke auf. Er sagt, die sei ganz schön bescheuert. Und der andere sagt, damit sehe er wie eine Transe aus.

2.10 Uhr in Hohen Neuendorf. Die S-Bahn stoppt. Aus den Lautsprechern ertönt die Ansage, dass es zu einer Verzögerung komme.
2.18 Uhr. Wieder eine Ansage. Der Zug fahre zurück nach Berlin-Anhalter Bahnhof. Alles aussteigen. Es gebe auf der Strecke nach Oranienburg einen Polizeieinsatz. Weiterfahrt nach Birkenwerder und Oranienburg ungewiss.
2.20 Uhr. Ein Mann steht in der offenen Tür der S-Bahn. Er telefoniert. Will sich offenbar seine private Weiterfahrt organisieren. „Zurückbleiben, bitte!“ Der Mann gibt die Tür nicht frei. „Soll ich zurückfahren?“, fragt er. Die Stimme aus den Lautsprechern fordert ihn auf, die Tür frei zu machen. „Geht das?“, fragt der Mann ins Telefon. Und dann „Okay.“ Er macht einen Schritt nach vorn. Alles geklärt, die Bahn kann losfahren.

2.25 Uhr. Es ist kalt auf dem Hohen Neuendorfer Bahnhof. Der Bahnsteig ist voller Menschen – zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit. Zwei Hexen kommen die Treppen heruntergelaufen. Auch geschminkt. Die eine hat einen Besen dabei. Sie sieht sich das Ding genauer an. „Wie können Hexen damit bloß nach Hause fliegen?“, fragt sie ihre Freundin. Es sei viel zu kalt und zu ungemütlich.
2.30 Uhr. Der Polizeieinsatz scheint zu Ende zu sein, nächste S-Bahn nach Oranienburg in zehn Minuten. Die Hexen warten auf einen Anruf. Eigentlich wollte sie ein Freund auf dem Bahnhof in Lehnitz abholen. dass dort aber gerade keine Bahn und keine Hexen ankommen, scheint er noch nicht bemerkt zu haben. Er ist doch nicht etwa eingeschlafen?
2.40 Uhr. Ansage: Der nächste Zug nach Oranienburg verspätet sich leider (ja, der Mann, dessen Stimme aus dem Lautsprecher zu uns spricht, sagt wirklich leider) um fünf Minuten. Das Mädchen neben mir sagt ein schlimmes Wort. Mit F.
2.48 Uhr. Wir verlassen Hohen Neuendorf nach weit mehr als einer halben Stunden Aufenthalt. Es hätte schlimmer kommen können.


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Kommentare

3 Antworten zu „Bahnbekanntschaften (48): Hohen Neuendorfer Hexennacht“

  1. Felix

    Na da hast du aber schon aus kleineren Mücken deutlich größere Elefanten gemacht. Sehr lobenswert! 😀

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