Da war doch noch was: Raser müssen doppelt büßen

Mein Briefzusteller wusste als Erster Bescheid

MAZ Neuruppin, 21.11.2009

Auf meinem leicht unscharfen Büßerfoto sehe ich aus, als hätte ich gerade gepfiffen. Ich muss gute Laune gehabt haben an jenem Sonntagabend, als ich leider einen Tick zu schnell unterwegs war und es „Blitz!“ machte. Dabei hätte ich es eigentlich wissen müssen. Ich bin schon so oft an dem Blitzer vorbeigefahren. Bisher sogar vorschriftsmäßig. Die Polizei steht öfter mal auf der Autobahn A 111 zwischen Stolpe und der Landesgrenze zu Berlin, um die Autofahrer zu erziehen. An dieser Stelle gilt erst Tempo 100, dann Tempo 80, hinter dem Berlin-Ortsschild schließlich 60. Und als letzten Gruß aus Brandenburg gibt’s in der 80er-Zone für die Temposünder ein Foto.

Diesmal habe ich also getrieft, Tempo 88 statt 80. Aber die Erziehungsmethoden der Polizei gehen noch viel weiter. Mit dem Foto und dem Verwarngeld hört es nicht auf. Vorgestern, am Donnerstag, lag der Brief von der zentralen Bußgeldstelle in Gransee in meinem Briefkasten. Und damit auch wirklich jeder Bescheid weiß – zu aller-erst natürlich der Postzusteller – steht neben dem kryptischen Absender „ZBSt Pol BB“ noch ein anderer wertvoller Hinweis auf dem Covert. In fetten Lettern liest der interessierte Briefzusteller den Schriftzug „Runter vom Gas!“. Darüber übrigens noch der Stempel „Turbo“ von der gleichnamigen Postfirma. Ein bemerkenswerter Gegensatz.

Ich kann mir allerdings so richtig gut vorstellen, wie mein Briefzusteller mit genüsslichem Grinsen den Bußgeldbescheid in meinen Kasten hat fallenlassen. „Verdammter Raser“, wird er gedacht haben. Ich musste das Ding gar nicht erst aufreißen, um zu wissen, was drin steht.
Und deshalb frage ich mich: Gibt es eigentlich gar kein Briefgeheimnis mehr? Und machen das andere Behörden und Institutionen auch so? Demnächst kommt die Post vom Finanzamt dann vielleicht mit dem Aufdruck „Steuersünder in die Hölle!“. Oder der Kontoauszug von der Bank mit dem freundlichen Hinweis „Na, mal wieder pleite?“. Meine Krankenkasse könnte „Wir tun was gegen Fußpilz!“ draufschreiben.
Zehn Euro muss ich für meine Temposünde berappen, und die werde ich auch ohne Murren bezahlen (nein, das stimmt nicht – ich werde ganz sicher murren). Aber ein kleines bisschen mehr Diskretion und weniger eindeutige Hinweise auf den Briefumschlägen wären schon ganz sinnvoll. Beim Erotikversand klappt das ja auch – hab’ ich gehört.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

2 Antworten zu „Da war doch noch was: Raser müssen doppelt büßen“

  1. Vielleicht denkt dein Briefträger auch ganz anders: „Ach der auch?! – Diese Abzocker, immer ziehen sie es uns kleinen Leuten aus der Tasche. Von allen Seiten werden wir gehetzt und wenn uns tatsächlich beeilen, dann kassieren sie gleich noch mal ab. Prost, Deutschland!“, und beendet den Wurf in den Kasten auch mit einem solidarischen Murren 😉

  2. RT

    Schön, dass du immer das Positive im Menschen siehst. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert