Wendejahr 1989: Philharmoniker erstmals wieder in Ostberlin

MAZ, 30.5.2009

BERLIN
Dass die Berliner Philharmoniker am 30. Mai 1989 im Ost-Berliner Schauspielhaus gastierten, das erfuhren die Leser der Märkischen Volksstimme in einer längeren Meldung. Wie das Konzert war, darüber schrieb die Zeitung nichts, dafür ging sie umso ausführlicher darauf ein, welche Politprominenz aus Berlin (West) vor Ort war.

Zum ersten Mal seit dem Mauerbau 1961 gastierte das berühmte Orchester im Ostteil der Stadt. Dabei liegen zwischen der Philharmonie in Tiergarten und dem Schauspielhaus in Mitte nur wenige Kilometer. Dazwischen aber war die Mauer. Der Ansturm auf die Karten war riesig, der Abend schon früh ausverkauft. Besonders Pfiffige versuchten es mit Wartegemeinschaften, die eine Woche vor dem Konzert am Schauspielhaus ausharrten. Man wechselte sich in der Schlange ab, um vielleicht doch noch an eine Karte zu kommen.

Da der bisherige Chefdirigent Herbert von Karajan das Orchester gerade verlassen hatte, leitete der US-Amerikaner James Levine die Philharmoniker. Der damalige Direktor der Metropolitan Opera in New York kam in Jeans auf das Podium. Auf dem Programm standen Wagners Siegfried-Idyll, „Don Juan“ von Richard Strauss sowie Beethovens 7. Sinfonie. Das Orchester wurde am Ende mit stehenden Ovationen gefeiert. „Welch virtuoses Spiel an allen Pulten!“, schrieb das Neue Deutschland.

Walter Momper (SPD), der Regierende Bürgermeister von West-Berlin, war als Privatperson zum Konzert gekommen. Doch der gemeinsame Spaziergang mit Ost-berlins Oberbürgermeister Erhard Krack sowie den beiden Ehefrauen durch das Zentrum von Ost-Berlin nach Konzertende hatte durchaus eine politische Dimension, wie die Berliner Morgenpost am Tag danach anmerkte.


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