China (6): Weggehupt

Wie schon beim Frühstück genossen wir auch beim Mittagessen die herrliche Sicht – auf die Schleusenmauer. Herrlich. Eine Fahrt durch die fünf Schleusen des Drei-Schluchten-Staudamms dauert mehrere Stunden. Die die Crew so eine Schiffes gibt es bestimmt Spannenderes, als durch zig Schleusen zu tuckern. Wobei es natürlich fast eine Kunst ist, das große Gefährt nirgendwo anecken zu lassen.

Zur traditionellen chineischen Medizin gehört auch die Akkupunktur. Während seines Vortrages im Yangtze-Club erklärte Schiffarzt Dr. Xu den Anna-Passagieren, wie das geht. Versuchsobjekt: einer der Amis. Aber er war tapfer während der Stech-und-Plopp-Zeremonie.

Nachdem die „Anna“ die Schleusen verlassen hat, wurde der Ausblick auch besser. Viel besser. Um nicht zu sagen: fantastisch. Wir schipperten durch die erste Schlucht, durch die sich der Yangzi wand. Auf dem Sonnendeck stellte ich mir einen der Plastikstühle auf und genoss die Fahrt.

Auf dem Yangzi soll es sich bloß kein Schiff wagen, sich uns in den Weg zu stellen. Es wird gnadenlos weggehupt und überholt. Wer nicht zur Seite fährt, wird zusammengeschissen. Per Hupe natürlich. Könnte dann schon mal lauter werden und länger dauern.

Anders als auf Schiffen üblich, ist nicht unser Kapitän Li die ranghöchste Persönlichkeit auf dem Schiff. Das ist Cruise Director Dick Carpentier. Mit Li im Schlepptau lief Dick durch den Yangtze-Club. Willkommensempfang des Kapitäns.
Und, nein, dazu braucht man keine Galagarderobe. Das ist nur auf einem Kreuzfahrtschiff so, auf dem Fluss ist alles schon ein bisschen lockerer. Aber immerhin habe ich mir mein Sacko angezogen.
Und man es muss leider mal so sagen: Neben Dick wirkte Li schon ein bisschen wie eine Witzfigur. Dick nimmt mit seiner Person sofort den ganzen Raum ein, während Li einfach nur groß und dünn ist.
Die Prozedur kennen wir schon: Wenn wir uns an einen Tisch setzen, steht sofort eine der Bedienungen hinter uns, um uns den Stuhl ranzuschieben und uns das Tischtuch auf den Schoß zu legen.
Am Abend gab es uns schon bekannte chinesische Essen, die Challenge. Das Essen ist ehrlich gesagt in Chengdu besser gewesen. Wie unser Reiseleiter Florian meinte, müsse man sich aber auf dem Schiff den westlichen Geschmäckern mehr anpassen, weshalb man Kompromisse machen müsse. Eigentlich schade.

Unglaublich: Käptn Li hat sich bloß mal für ein paar Minuten zu uns in den Yangtze-Club gesellt, schon wagt es sich ein Schiff, UNS zu überholen. Was für eine Unverschämtheit! Geht ja mal gar nicht!!
Vielleicht war das auch der Grund, warum Li so schnell wieder weg musste. Ob wir das Ding wieder zurücküberholt haben, haben wir jedoch nicht beobachtet…

Das Bordprogramm übernimmt die Crew selbst. Heute stand eine Modenschau auf unserem Plan. Uns wurde gezeigt, wie sich die Chinesen gestern und heute kleide(te)n. Gleich danach, es war gerade mal 21.15 Uhr, leerte sich der große Clubraum. Klar, die Amis können nicht mehr, müssen ins Bettchen. Im Bordfernsehen läuft „House of Flying Daggers“. Und die Briten scheinen sich auch zu langweilen.
Bleiben nur noch wir. Und weil das so ist, können wir doch auch das Musikprogramm bestimmen. Dachten wir uns so. Und da wir ja gerade erst unsere Neuentdeckung hatten, musste die auch gespielt werden. Sven holte seine Sandy-CD, die auch sofort abgespielt wurde. Sandy wird das ganz große Ding! Wenn Sven die Scheibe erst mal im deutschen Radio abspielt, geht es steil bergauf!

Der Yangzi ist nicht gerade für seine gute Wasserqualität bekannt. Inzwischen sieht das Wasser aus wie bröckiger Kakao. Ich habe schon einen besseren Ausblick auf meinem persönlichen Blakon genossen, als mich in der Nacht vorm Schlafengehen nochmal hinsetze…

Der Sonntag beginnt früh. Um kurz vor 7 fahren wir in die Xu-Schlucht ein. Während ich mir wieder den Plastikstuhl mitten auf das Sonnendeck stelle, lausche ich den Kommentaren aus den Lautsprechern. Riverguide Daniel Li (vermutlich nicht verwandt mit Kapitän Li) erzählt uns jede Einzelheit über die Schlucht. Übrigens auch auf den Zimmern zu hören. Wer also nicht aufs Sonnendeck wollte, wurde durch Lis liebliche Stimme geweckt.
Wie gesagt: Ich habe es mir auf dem Sonnendeck gemütlich gemacht. Außer mir sind überwiegend Amis dabei, die an der Reeling stehen und staunen. Immer, wenn Daniel Li ansetzt: „On the left side…“, rannten die Amis zur anderen Seite. Und gleich darauf: „On the right side…“ – hin und her. Die ganze Truppe. Was für ein Bild.


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