China (5): Umgesiedelt

Mark (31), unser englischsprachiger Tourguide scheint glücklich zu sein. Er hat eine neue, moderne Wohnung in Sandouping bekommen. Es geht ihm besser als vorher. Das soll vielen Chinesen so gehen, die im Rahmen des Baus des Drei-Schluchten-Staudamms umgesiedelt wurden.
Der Bau der gewaltigen Talsperre am Yangzi ist umstritten. Die Regierung Chinas ließ 1,3 Millionen Menschen umsiedeln, davon 60 Prozent in die großen Städte. Niemand konnte sich entscheiden, wo er hingehen wollte. Es wurde von oben so bestimmt. Die jungen Leute nutzten die Chance, die sich ihnen bot, in eine große Stadt zu ziehen, allein 150000 gingen nach Shanghai. Für die älteren und alten Menschen ist die Umsiedlung natürlich eine Katastrophe. Klar, sie wollen aus ihrem Dörfchen nicht weg. Sie wollen keinen Neuanfang. Der Staat zahlt umgerechnet rund 1000 Euro pro Person, jedoch würden sich lokale Kader an den Zahlungen bereichern. Die Korruption habe stark um sich gegriffen.
Laut Guide Mark gebe es einen Meinungsgegensatz zwischen Alt und Jung. Allgemein bestehe die Angst vor Terroranschlägen. Tatsächlich beschützen Polizisten Teile der Anlagen.
Andererseits bringt der neue Staudamm auch Vorteile: Er bietet einen besseren Hochwsserschutz und dient der Erzeugung von Strom. Stellt sich die Frage: Was wiegt schwerer: Die Kosten und das Leid der Menschen durch Überschwemmungen? Oder das Leben von 1,3 Millionen Menschen einmalig von Grund auf zu ändern.
Wir konnten diese Frage für uns nicht beantworten. Wahrscheinlich gibt es auch keine eindeutige Antwort.

Das Bauwerk hinterlässt einen seltsamen Eindruck. Klar, es ist gigantisch. Die Folgen des Baus sind mitunter noch nicht absehbar, einiges werden wir in den nächsten Tagen aber noch zu sehen bekommen.
Der Damm ist rund 2000 Meter lang und hat eine Höhe von etwa 185 Metern, der Wasserpegel wird bis 2009 auf 175 Meter ansteigen. 13 Städte wurden überflutet, fast 24000 Hektar Land gingen unter. Unvorstellbar. Im Gegenzug wurden 21 neue Städte errichtet.

Ganz stolz erzählte uns Mark, dass er 2000 sogar Helmut Kohl hier herum geführt habe.
Marks Ausführungen führten in unserer Gruppe zu Diskussionen: Wie sehr sind seine Ausführungen zum Dammprojekt staatlich gefärbt? Bei ihm klang das alles relativ entspannt. Aber kann es entspannt zugehen, wenn Hunderttausende ihre Heimat verlieren? Mit lauter Fragezeichen im Kopf fuhren wir mit dem Bus zurück zum Schiff. Mit der „Anna“ fahren wir jetzt durch die fünfstufige Schleuse des Staudamms.

Der Bus fährt uns bis direkt vor das Schiff, so dass die „Maybelaters“ keine Chance mehr haben, uns ihren Kram zu verkaufen.
Maybe later.


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