Jürgen Jancke: Die Rinn-Dokumentation – Band 1

Schon die Vorgeschichte ist spannend. Im Herbst 2011 bekam der Unternehmer Christian Rinn den Auftrag, ein Haus im Oranienburger Stadtteil Tiergarten zu entrümpeln. Auf dem Dachboden lagen diverse Ordner mit bedrucktem Papier. Diese wurden zunächst beiseite gelegt und erst später näher betrachtet.
Beim genaueren Durchsehen, war die kleine Oranienburger Sensation perfekt: Die Unterlagen sind die pure Stadtgeschichte. Ein Unbekannter hat in Unterlagen der Jahre 1864 bis 1975 geblättert, vorrangig in alten Zeitungen. Die Artikel und Geschichten hat er oder sie episodenmäßig aufgeschrieben und in die verschiedenen Stadtteile kategorisiert.
Wer die Geschichten notiert hat, ist unbekannt.
Der Oranienburger Hobbyhistoriker Jürgen Jancke hat sich der Unterlagen angenommen, sie eingescannt und ein wenig ergänzt.

Im Band 1 geht es um die Ereignisse in den Oranienburger Stadtteilen Altstadt, Süd sowie rund um Schlossplatz und -park sowie das Gesellschaftshaus.
Für Oranienburger, und vermutlich nur für sie ist das Buch interessant, sind diese Geschichten unglaublich interessant.
So erfährt man, dass im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert rund um die Kanalstraße ständig Massenprügeleien stattfanden. Oder dass im Ersten Weltkrieg die Glocke der Nicolaikirche zu Kriegszwecken abgegeben werden musste. Dass 1912/13 die heutige Saarlandstraße inklusive der Dropebrücke bebaut wurden. Dass ab etwa 1920 das Gebiet zwischen Saarlandstraße, Krankenhaus und dem Kanal bebaut worden ist, in dieser Zeit also große Teile von Oranienburg-Süd besiedelt worden sind.
Wir erfahren, dass es auch damals schon eine Unmege von Einbrüchen gab, Brände und auch Orkane.
Wir sehen Bilder vom Bau der Allende- und Nerudaschule 1971, von der Ashaltierung der damaligen Leninallee, von der noch mit Altbauten gesäumten Mittelstraße. Das dunkle Kapitel Oranienburgs, als Ende der 1960er-bis Mitte der 70er-Jahre die historischen Bauten am Schlossplatz niedergerissen wurden und damit als alte Stadtbild am Ende war.
Wir erfahren, dass Havelhausen sich bis ins frühe 20. Jahrhundert viel weiter nach Süd erstreckte, alut dem Buch gehörte sogar die Birkenallee noch zu Havelhausen. Abseits der heutigen Saarlandstraße, an der Havel, befand sich die Dropesiedlung. Nur der Stadtteil Eden fehlt im Buch.
Es sind auch die kleinen Geschichten: Veranstaltungen, Zänkereien und auch der aufkeimende Nationalsozialismus. Die Zeit zwischen 1933 und 1945 ist allerdings in den Unterlagen ausgespart.

So unglaublich spannend der Inhalt auch ist – dennoch ist die Chance vertan worden, ein ganz großes Geschichtswerk für die Stadt zu schaffen.
Die Bearbeitung erfolgte mitunter schlampig und unaufmerksam. Einige Fotos und ganze Seiten gibt es im Buch doppelt. In den Unterlagen beschriebene Fotos fehlen, der Nachbearbeiter hat vergessen, diese Stellen genauer zu bearbeiten. Auch gibt es komplett unleserliche Passagen mit Zeitungsausschnitten. Die hätten entweder weggelassen werden können oder hätten abgeschrieben werden müssen. Ganze Seiten gehen dem Leser dadurch verloren.
Auch fehlte eine Nachrecherche offenbar völlig, denn laut einem Zeitungsbericht soll es im Buch mindestens ein Foto geben, das gar nicht Oranienburg zeigt.
In Zusammenarbeit mit den anderen Heimatforschern der Stadt hätte das Buch durch weitere passende Fotos ergänzt werden können – und vor allem durch passendes Kartenmaterial.
Das hätte natürlich mehr Arbeit und Umfang bedeutet, aber das hätte sich sicherlich für alle Seiten gelohnt. Einen dadurch eventuellen entstandenen dritten Band hätten die Interessierten ganz sicher auch gekauft – auch das Warten wenn die Bücher später erschienen wären, wäre nicht schlimm gewesen.
Das alles ändert aber nichts daran, dass die Rinn-Dokumentation ein echter Schatz für Oranienburg ist.

Jürgen Jancke: Die Rinn-Dokumentation – Band 1
Veltener Verlagsgesellschaft mbH, 272 Seiten
7/10


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