Wenn eine Katastrophe passiert oder wenn ein Mensch stirbt, dann haben sehr viele Leute lauter Fragen – Gott betreffend: Warum hat Gott das so gewollt? Oder: Warum musste Gott ihn so früh zu sich holen? Oder: Wenn es einen Gott gibt – wie kann er das zulassen?
Ich denke: Gott nimmt darauf gar keinen Einfluss.
Nach dem Tod meines Vaters habe ich mir über Gott einige Gedanken gemacht und habe mit mehreren Leuten darüber gesprochen. Was ist dieser Gott eigentlich für mich? Gibt es einen Gott, an den ich glaube? Oder was ist es überhaupt, woran ich glaube? Glaube ich überhaupt an etwas?
Die letzte der Fragen kann ich mit einem vorsichtigen Ja beantworten. Es gibt da etwas, woran ich glaube. Ich denke durchaus, dass es jemanden, dass es etwas gibt, was da oben oder sonstwo ist.
Ich glaube allerdings, dass dieser Jemand – nennen wir ihn mal Gott – eher ein Beobachter ist. Vielleicht war er ja wirklich mal derjenige, der das alles hier geschaffen hat. Das war’s dann aber auch. Nun beobachtet er uns nur noch. Er nimmt keinen Einfluss. Für das, was hier so passiert, sind wir selbst verantwortlich. Gott greift nicht ein, vielleicht kommentiert er, aber eigentlich sieht er nur zu. Mehr kann er nicht tun.
Passiert ein Unglück, halten manche Leute Schilder hoch: „Warum?“, steht darauf. Und richtet die Frage oft an Gott. Ich glaube aber, dass Gott da nur mit den Schultern zuckt und sagt: Menschliches Versagen. Pech. Zufall. Krankheit. Natur. Ihr seid doch selber schuld.
Kommen Seuchen auf, hat Gott die nicht auf die Erde gebracht. Seuchen haben weltliche Ursachen.
Passiert ein Unfall, hat nicht Gott den verursacht. Unfälle haben meistens menschliche Ursachen.
Und ich glaube auch nicht, dass es Gott ist, der entscheidet, ob am 28. Dezember 2010 um 16.45 Uhr jemand stirbt.
Gott allerdings ist vielleicht derjenige, der den Verstorben bei sich empfängt. Er sagt: Komm doch vorbei. Aber nicht: Du musst nun kommen.
Aus meiner Sicht beeinflusst Gott auch nicht unser tägliches Leben. Klar, man nimmt Kontakt mit ihm auf. Der eine öfter, der andere seltener oder nie. Aber Gott hört eher zu, ist unser stilles Gegenüber. Der, der immer da ist, wenn man jemanden zum Reden braucht. Der Begleiter im Hintergrund.
Mit der Bibel oder den zehn Geboten hat der Gott, wie ich ihn sehe, dabei nichts zu tun. Die Bibel ist ein Buch, das irgendjemand geschrieben hat. Die Gebote sind Regeln, die irgendjemand mal aufgestellt hat. Klar, es sind Regeln des Miteinanders – aber an sich denke ich, dass Gott damit wenig zu tun hat. Gott ist es an sich erst mal egal, ob die Menschen schon vor der Ehe in die Kiste steigen, schwul oder lesbisch sind, sich scheiden lassen oder fremd gehen. Vielleicht findet er die Leute sogar blöd, die das immer predigen und keine andere Ansicht zulassen. Aber dennoch greift er nicht ein – weil es nicht seine Aufgabe ist.
So weit geht meine Gottesgläubigkeit allerdings nicht, dass ich das Gefühl habe, dass er permanent da ist.
Aber das ist der Trost, den Gott vielen Menschen gibt: Man ist nicht allein. Er ist immer da, ihm kann man alles anvertrauen. Ich kann verstehen, dass das vielen Menschen Halt gibt. Aber umso weniger habe ich Verständnis für radikale Gläubige. Die morden, Kriege führen – und sagen, Gott wolle das so. Nein, will er nicht.
Heute werden wir meinen Vater beerdigen. Gott wird uns in dieser Stunde etwas näher sein als sonst.
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