Holland (3): Man kann sich ja alles schönreden – also fast

(2) -> 27.11.2010

Rotterdam ist hässlich. Mit dieser Tatsache mussten wir uns nun abfinden und das Beste draus machen. Man kann das ja auch so sehen: Auf der Suche nach dem wirklich allerhässlichsten Gebäude der Stadt kann man echt Spaß haben.

So befindet sich im Zentrum ein großes altes Gebäude. Man könnte denken, es handele sich um ein Museum. Zumal davor eine große Menschentraube stand – lauter wartenende Leute. Bei nährerer Betrachtung stellte sich heraus, dass sich dort ein Schuh-Outlet (!) befand und die Leute deshalb dort anstanden. Mit dieser Erkenntnis war es mir dann auch egal, dass sich vor dem ehrwürdigen Haus ein Container mit einer McDonald’s-Filiale befindet.
Überhaupt – McDonald’s. Stellenweise hat die Kette die ganze Innenstadt zugepflastert. Es vergehen keine 500 Meter bis zum nächsten Fast-Food-Laden mit dem gelben M.

Inmitten des Trödelmarktes, einer Bauruine und einem Bauloch fanden wir einen Platz mit einer Kirche. Davor standen ein paar große Autos – eine Hochzeitsausstellung. Schon das war nicht so spannend, aber auch in die Kirche kamen wir nicht: Auch die war von der Schau belegt – nebst Eintrittsgeld. Tja, somit verzichteten wir auf den Kirchenbesuch.

Ein Lichtblick: der alte Hafen. Eine kleine Idylle inmitten der Stadt. Ein paar Schiffe ankerten im Gewässer, drumherum sind ein paar Gaststätten. Vielleicht ist im Sommer hier echt was los. Jetzt, im November, eher nicht.

Und wenn Rotterdam schon mal den größten Containerhafen Europas hat, dann müssen wir natürlich auch eine Hafenrundfahrt machen. In den 75 Minuten bakamen wir nur einen kleinen Eindruck davon, welche Dimensionen dieser Ort hat. Die ganz großen Containerschiffe blieben uns allerdings verwehrt, die ankern wahrscheinlich im äußeren Hafenbereich.
Während der Fahrt überholten wir ein Schiff mit dem Namen „Zero“ und dem Untertitel „Schmachtenhagen“. Ob das nun ein Gruß aus der Heimat oder bloßer Zufall war – wir werden es leider nicht erfahren.

Der Euromast scheint der ganze Stolz der Rotterdamer zu sein. Er ist in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden und ist – mal ganz unter uns – ebenfalls verdammt hässlich. Am grauen Stamm ist in gut 100 Metern Höhe eine ebenfalls graue, unförmige Plattform, darüber ein hellerer Mast, an dem eine Art Aussichtsfahrstuhl hoch und runter fährt. Die Sicht auf die Stadt ist natürlich fantastisch, aber als Souvenir möchte ich das Teil auf gar keinen Fall auf meinen Tisch stellen. Aber vielleicht sehen das die Niederländer ein wenig anders.

Rückreise nach Deutschland. Von Rotterdam und Amersfoort aus brachte uns der Intercity nach Berlin zurück. Und als wir in Bad Bentheim den ersten deutschen Bahnhof erreichen, war klar: Nicht nur in den Niederlanden gibt es potthässliche Orte. Die zerfallenen Häuser in Bad Bentheim ließen uns einen Moment glauben, dass sich unser Lokführer verfahren hat und wir aus Versehen in Aserbaidschan gelandet sind.


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Kommentare

2 Antworten zu „Holland (3): Man kann sich ja alles schönreden – also fast“

  1. Felix

    Und hier siehst du, wer es verzapft hat, dass die Stadt so hässlich geworden ist:

    Nachdem 1940 die deutsche Luftwaffe im Zuge des Überfalls auf die Niederlande (West-Feldzug) das gesamte Stadtzentrum, den alten Hafen und West-Kralingen durch Bombardierungen und durch sie erzeugte Großbrände zerstört hatte, beschloss die Stadt nach 1945 einen grundlegenden städtebaulichen Neubeginn für das alte Zentrum. Die Grundstücksbesitzer in der Stadtmitte wurden gegen Entschädigung enteignet, der Boden aufgegraben und sämtliche Leitungen, Abwasserkanäle etc. entfernt, um wirklich einen kompletten Neubeginn in der Stadt zu ermöglichen.

    Das Stadtbild in der Innenstadt hat so fast gar keine Reminiszenzen mehr an eine klassische alte europäische Stadt, sondern ist gewollt modern und ambitioniert.

    (Wikipedia)

  2. RT

    gewollt modern und ambitioniert.

    Ja, so kann man das auch sagen. 🙂
    Insbesondere die Einkaufspassage alles andere als modern. Das mit dem Krieg war uns bewusst, am alten Hafen stehen die wohl letzten erhaltenen Gebäude aus der Zeit vor dem Krieg. Die fallen richtig auf.

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