Volojahre (63): Nah dran an den Mächtigen

(62) -> 10.9.2010

Wer mal rund um den Reichstag in Berlin spazieren geht, wird das nicht bemerken: Große Teile des Geländes und der Plätze sind untertunnelt. Ein ewig langes, verzweigtes Labyrinth erstreckt sich unter dem Friedrich-Ebert-Platz, dem Jakob-Kaiser-Haus, dem Reichstag und der Spree. Glücklicherweise hatten wir immer jemanden dabei, der sich auskennt – wir hätten uns nicht nur einmal hoffnungslos verlaufen.

Unser Ausbildungstag führte uns diesmal nach Berlin – an die Schaltzentrale der Macht. Wie arbeiten die Hauptstadtjournalisten, was machen sie eigentlich den ganzen Tag, wo treiben sie sich so rum.
Im Bundestag erlebten wir die Debatte um den Etat des Arbeitsministeriums. Ursula von der Leyen hielt eine relativ nüchterne Rede. Sie spricht so leise, dass man ihr kaum folgen kann. Ganz anders als Klaus Ernst (Die Linke), der zwar weniger sympathisch wirkt, dafür aber durchaus wachrüttelte. Claudia Winterstein von der FDP präsentierte sich dagegen in arroganter Oberlehrerart und demonstrierte eindrucksvoll, warum die FDP momentan so mies da steht. Zwischenfragen ließ sie nicht zu, die Kollegen sollte ihr doch lieber mal zuhören und was lernen. Ganz schön widerlich.

Die Kantine kann sich auch sehen lassen, da kommt unsere nicht so ganz mit. Diverse Süppchen, Salate und Hauptgerichte. Und dazu ein riesiges Panoramafenster zur Spree und Jürgen Trittin am Nebentisch.

Während der Sitzungen ist der Ebertplatz durch Polizisten abgesperrt, ohne unsere Presseausweise geht da gar nichts. In der Ferne sind einige Bäume zu sehen. Und wer später durch den Tunnel vom Jakob-Kaiser-Haus in den Reichstag läuft, dem werden einige dicke, weiße Säulen auffallen. Die sind nicht nur Beiwerk, sondern dienen als „Blumenvase“ für die Wurzeln der oben auf dem Platz stehenden Bäume.
Eine Führung über das Gelände lohnt sich übrigens, selbst wenn sie mehrere Stunden dauert. In der Kurzfassung der Tour sahen wir uns einen Teil eines gut 100 Jahre alten Tunnels an, der aus dem Reichstag führte. Den Balkon, von dem aus Philipp Scheidemann 1918 die Weimarer Republik ausrief. Heute befindet sich dahinter der Raucherraum des Bundestages. Der historische Ort wird also zugequalmt. Spannend ist auch eine Ausstellung, die sich das „Archiv der Deutschen Abgeordneten“ nennt. Jeder Abgeordnete seit 1919 hat dort eine eigene Schublade, auch die der NSDAP, auch Adolf Hitler. Hitlers Schubalde ist jedoch eingetreten, und der Historiker, der uns begleitete, erzählte uns, dass so ziemlich jeder Tourist zuerst nach Hilter suchen würde. Nun ja, wir auch.

Die Fraktionen der Parteien tagen in den einzelnen Türmen des Reichstages. Wir hatten unsere kleine Abschlussitzung im SPD-Fraktionssaal. Ein gemauerter Raum, der ein bisschen an den Knast erinnert. Wir erfuhren von Hintergrundgesprächen, Netzwerken und Skandalrecherchen.
Nun ja, falls mal irgendwo eine Stelle als Hauptstadtkorrespondent frei werden sollte: Ich würde wohl nicht nein sagen.


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