Die Spätfolgen werden unterschätzt

Gesundheit: Diabetes kann Augen und Füße schädigen / In der Region gibt es mehrere Selbsthilfegruppen

MAZ Neuruppin, 13.11.2009

Acht Millionen Deutsche haben Diabetes. Günther Miekley aus Vielitz muss sich viermal am Tag Insulin spritzen.

NEURUPPIN
Bald sind es drei volle Jahrzehnte. Es war 1980, als Günther Miekley erfuhr, dass er Diabetiker ist. „Man hat das damals so hingenommen“, sagt der 72-jährige Vielitzer. „Aber seit 1991 muss ich mir Insulin spritzen. Viermal am Tag. Das ist viel.“
Miekley leidet an Diabetes mellitus, im Volksmund die Zuckerkrankheit. Seine Bauchspeicheldrüse produziert zu wenig Insulin, wodurch der Blutzuckerspiegel zu hoch ist. Deshalb muss er viermal am Tag spritzen – zu genau festgelegten Zeiten: um 7.30 Uhr, zum Mittag, zum Abendbrot und vor dem Schlafengehen. Ausnahmen gibt es nicht.

Deutschlandweit sind bislang acht Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, von der es zwei Typen gibt. Mit 92 Prozent leidet die größte Zahl der Betroffenen an der Typ-2-Diabetes. Zu ihnen gehört auch Günther Miekley. Diese Form der Zuckerkrankheit ist meist genetisch veranlagt.
Siegfried Ringleb dagegen leidet am Typ 1 der Diabetes. Und das schon seit 50 Jahren. Beim Typ 1 zerstört der Körper die eigenen Insulinzellen. Ringleb muss nicht zu festen Zeiten spritzen. „Ich kann im Großen und Ganzen auch essen, was ich will und muss danach eine entsprechende Menge des Insulinpräparates zuführen.“
Am Anfang musste sich der heute 75-Jährige dazu überwinden. „Und anderen Leuten kann ich dabei immer noch nicht zusehen.“ Als der Neuruppiner 1959 von der Krankheit erfuhr, war der Schock groß: Am Bett seiner schlafenden Kinder kam die Angst: „Ich wusste nicht, ob ich noch erlebe, wie sie aufwachsen“, erzählt er.

Ringleb arbeitet ehrenamtlich für den Deutschen Diabetiker Bund in Neuruppin und organisiert Selbsthilfegruppen. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder in Neuruppin, Rheinsberg, Lindow und Fehrbellin. Sie sind zwischen 65 und 90 Jahre alt. „Wir sprechen über unsere Erfahrungen und aktuelle Forschungsergebnisse“, so Ringleb.
„Wir haben 72 Mitglieder“, sagt er. „Ich schätze, die Zahl der Betroffenen ist sehr viel höher. Diabetes ist zu einer echten Volkskrankheit geworden“, sagt der Neuruppiner. „Sehr viele Menschen bewegen sich zu wenig und ernähren sich schlecht. Jedes fünfte Kind ist übergewichtig.“ Somit steige das Risiko, zu erkranken. „Wenn es dann passiert, dann nehmen es die Betroffenen anfangs nicht ernst genug“, so Ringleb.

Das glauben auch Irmgard Deutschmann (70) aus Vielitz sowie die Neuruppinerin Evelie Urban (77), die beide die Selbsthilfegruppen des Diabetikerbundes besuchen. „Gerade viele junge Leute unterschätzen die Spätfolgen der Krankheit“, sagt Evelie Urban. Die Rentnerin muss regelmäßig zum Augenarzt, denn ein zu hoher Blutzuckerspiegel führt zu Sehschwächen, im schlimmsten Fall erblinden die Betroffenen. Auch die Füße sind gefährdet, Gefäßschäden können die Hautoberfläche taub werden lassen. Wunden empfinden Diabetiker oft nicht als Schmerz. Das könnte zur Amputation des Beines führen.
In den Selbsthilfegruppen wird das alles besprochen. „Mir hilft das sehr“, sagt Irmgard Deutschmann. Auch Diät-Nahrungsmittel für Diabetiker sind bei den Treffen ein Thema. „Ich verzichte darauf“, so Deutschmann. „Sie sind nicht notwendig.“ Zuckerkranke könnten auch normale Lebensmittel essen, sogar Schokolade. „Aber in Maßen, nicht im Massen.“

Wichtig sei, dass sich jeder mit dem Essen, was er täglich zu sich nimmt, beschäftigt. Zuckergehalt. Nährwert. Broteinheiten. Alles muss berechnet und berücksichtigt werden. Jede Stunde, jeden Tag.


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