Da war doch noch was: Ich und mein Superfernseher

Der Klinikpatient im digitalen Zeitalter

MAZ Neuruppin, 5.9.2009

Ich möchte krank werden. So richtig mit Krankenhaus und Daueraufenthalt. Und nur in Neuruppin und nicht in irgendeiner Dorfklitsche. Eine Operation muss zwar nicht sein, aber so ein paar Tage – nein, lieber ein paar Wochen – im Bett lümmeln, hin und wieder ein bisschen spazieren und stundenlang im Internet surfen. Ja, das wäre fein.

In den Ruppiner Kliniken geht das jetzt alles. Dort hat das digitale Zeitalter schon angefangen. Da kann ich mir meinen eigenen Monitor ans Bett ziehen und mich fix ins Netz einloggen, falls mir mal langweilig ist – und damit ist als Patient zu rechnen.
E-Mails checken. Oder mit anderen, unglaublich gesunden Leuten chatten. Zwischendurch klicke ich mich durch das Mittagsmenü. Ich kann nämlich über diesen Bildschirm auch das Essen auswählen. Und wenn es gar nichts Vernünftiges gibt, kann ich mir auch über das Internet eine schöne, fettige Salamipizza kommen lassen.
Fernsehen geht natürlich auch. Aber wenn mich der „Sturm der Liebe“ anödet, dann kann ich mir bald auch Spielfilme bestellen. Nicht, was Sie jetzt denken, sondern die normalen. Oder gibt’s auch die schmutzigen Streifen in meinem persönlichen Krankenhaus-TV?

So wird der Aufenthalt in der Klinik zu einem gemütlichen Urlaub. Fürs Kranksein bleibt da nur leider keine Zeit mehr. Außerdem müssen wir es auch noch hinbekommen, dass einen die Ärzte und Schwestern den ganzen Tag über nicht mehr belästigen. Aber die können sich ja dann vielleicht auch auf den Bildschirm beamen – wo ich sie dann gekonnt wegzappen kann, wenn ich gerade mal keinen Besuch wünsche.
Die neue Technik macht es möglich. Auch bedrängt mich nun niemand mehr, der von mir wissen will, wie ich es denn in dem Krankenhaus finde. Läuft jetzt alles über mein persönliches Terminal. Ich werde natürlich nur die Noten 1 und 2 bei den Fragen anklicken, denn falls ich doch mal eine 6 vergeben muss, habe ich Angst, dass mir unverzüglich die Sauerstoffzufuhr abgeschaltet wird. Oder mir mein Superfernseher weggenommen würde. Und das wäre ja ein echter Grund, doch nicht krank zu werden. Ich will mich ja schließlich nicht langweilen im Krankenhaus.


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