RE6-Streckenausbau: Nicht alle profitieren

Wenn der Abschnitt zwischen Neuruppin und Velten in einigen Jahren erweitert wird, dann haben Oberkrämer, Sommerfeld und Wustrau davon nichts

MAZ Nordbrandenburg, 4.6.2025

Oberhavel/Ostprignitz-Ruppin.
Neuruppin wartet auf den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Neuruppin und Velten. Mit ihm kommt der lang geforderte Halbstunden-Takt: Es gibt dann zwischen Neuruppin und Hennigsdorf zwei Züge pro Stunde und Richtung. Doch dabei gibt es zwei Probleme.

Erstens: Momentan ist nicht klar, wann dieser Streckenausbau eigentlich passieren soll. Die für 2027 geplanten Arbeiten sind kürzlich auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
„Wir können keinen konkreten Termin nennen, wann die erste Baustufe der RE6-Strecke zwischen Neuruppin und Velten umgesetzt wird“, teilt Elke Krokowski, die Sprecherin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) auf Nachfrage mit. „Derzeit wird neben dem Termin- auch der Finanzierungsplan für das Projekt überarbeitet. Allen Projektbeteiligten liegt daran, den Projektablauf schnellstmöglich neu aufzustellen“, erklärte sie weiter.

Zweitens: Beim Ausbau der Bahnstrecke wird es nicht nur Gewinner geben – andere Orte entlang der Strecke profitieren nicht oder sind sogar Verlierer.

Das ist der momentane Stand: Derzeit fährt die Regionalbahn RB55 stündlich zwischen Hennigsdorf und Kremmen – mit Halt an allen an der Strecke liegenden Bahnhöfen.
Der Prignitz-Express, der RE6, verkehrt stündlich zwischen Berlin-Charlottenburg, Hennigsdorf, Velten, Kremmen und Neuruppin und weiter bis Wittenberge. Knackpunkt: Die Strecke ist weitgehend eingleisig. Beim Ausbau soll zwischen Kremmen und Sommerfeld ein zweites Gleis gebaut werden.

Künftig – nach dem Streckenausbau – soll die RB55 von Kremmen aus weiter bis Neuruppin fahren. Bis Neuruppin würden dann also mit dem RE6 zwei Züge pro Stunde und Richtung fahren. Für mehrere Orte entlang der Strecke erweist sich der geplante Ausbau jedoch als Mogelpackung. Es geht um Oberkrämer mit den Haltepunkten Bärenklau, Vehlefanz und Schwante, außerdem um Beetz-Sommerfeld und Wustrau-Radensleben.

Oberkrämer ist eine wachsende Gemeinde mit aktuell mehr als 12.000 Einwohnern. Allein in Vehlefanz sind mehrere neue Wohngebiete geplant. In Vehlefanz und Bärenklau ist das größte Gewerbegebiet in Oberhavel entstanden. Das aber schlägt sich nicht in einen Ausbau des Bahnverkehrs nieder. Die Gemeinde hat von den Bauarbeiten am Ende gar nichts. In Bärenklau, Vehlefanz und Schwante werden auch nach dem geplanten Streckenausbau nur stündlich Regionalbahnen halten, die keinen direkten Berlin-Anschluss bieten.

Die Möglichkeiten zu pendeln seien mit der Regionalbahn RB55 „nicht wirklich gut“, sagt Wolfgang Geppert (FWO), der Bürgermeister in Oberkrämer. Er drückt sich diplomatisch aus. Die RB55 gilt als eine der unzuverlässigsten Bahnlinie Brandenburgs. Immer wieder fallen Züge aus. Wolfgang Geppert ist über die Bahn-Situation in seinem Ort frustriert. „Ich war auf den VBB-Infoveranstaltungen zum Ausbau der Strecke, und der Schwerpunkt war dort immer Neuruppin.“
Mehrfach habe er versucht, die Entscheider zu sensibilisieren, dass auch Oberkrämer auf lange Sicht mehr Bahnverkehr brauche. „Man wurde abgewatscht“, sagt er.
Immer wieder habe er auf die wachsende Bevölkerungszahl und das riesige Gewerbegebiet hingewiesen. „Da einfach zu sagen: Das kriegen wir nicht hin – das kann es nicht sein. Bis heute sehe ich keine Lösung.“

Für die Haltepunkte Beetz-Sommerfeld und Wustrau-Radensleben wird sich die Situation nach dem Streckenausbau sogar verschlechtern. Zwar wird dann in Wustrau-Radensleben der Zug nicht mehr zweistündlich, sondern stündlich halten. Allerdings dann nicht mehr der RE6, sondern nur noch die RB55. Die Regionalbahn hält an jedem Bahnhof, und in Hennigsdorf ist dann Schluss. Beide Orte verlieren dann also ihre relativ schnelle Verbindung nach Berlin. In beiden Orten sorgt das für Entsetzen.

In Sommerfeld befindet sich das Gelände der Sana-Kliniken. Dort sind die Pläne der Bahn laut Pressesprecher Torsten Robert ein Problem. „Wir haben viele Ärzte und Pflegekräfte aus dem Berliner Raum“, erklärt er. Davon würden einige mit der Bahn kommen.
Hinzu komme: Wenn mit potenziellen Bewerbern verhandelt werde, sei der direkte Berlin-Bahnanschluss ein wichtiges Argument für den Klinikstandort Sommerfeld.

Ähnliche Sorgen gibt es in Wustrau. Dort befindet sich eine Tagungsstätte der Deutschen Richterakademie, Richter und Staatsanwälte begeben sich dorthin zur Fortbildung. Auch dort sind sie auf den Bahnanschluss aus Berlin angewiesen. „Der ist sehr wichtig für uns“, sagt Verwaltungsleiterin Birgit Maaß. „Wir hatten neulich ein Seminar, und wir haben 44 Teilnehmer vom Zug abgeholt.“
Sie alle seien aus Berlin angereist gekommen, und mit der Streckensanierung falle dieser direkte Anschluss weg. „Das ist eine Katastrophe für uns“, so Birgit Maaß weiter. „Das ist ganz, ganz schwierig.“
Schon jetzt müsse ein Transfer vom Bahnhof Wustrau-Radensleben zur Richterakademie geleistet werden – mit zwei Pkw und zwei Kraftfahrern. „Wir können einen Transfer von Neuruppin nicht leisten. Das geht einfach nicht.“

Eine Lösung könnte ein weiterer Schritt beim Bahnstreckenausbau werden. Denn die Bahn plant in einer weiteren Stufe, den RE2 anstatt der RB55 über Hennigsdorf nach Neuruppin zu schicken. Dieser Zug würde ins Berliner Zentrum und weiter nach Cottbus fahren.
Dann hätten Wustrau-Radensleben, Beetz-Sommerfeld und Oberkrämer (wieder) einen direkten Berlin-Anschluss. In den Bahn-Infoveranstaltungen war bislang von ungefähr Mitte der 2030er-Jahre die Rede. Angesichts der Tatsache, dass die eigentliche Sanierung schon mehrfach verschoben worden ist, kann man wohl davon ausgehen, dass der nächste Schritt erst in den 2040ern erfolgt, wenn überhaupt. Offiziell wird an der Marke der 2030er-Mitte festgehalten.
VBB-Sprecherin Elke Krokowski stellt aber dann auch eine weitere Verbesserung in Aussicht: „Mit der neuen Linienführung des RE2 geht voraussichtlich auch ein veränderter Fahrzeugeinsatz einher, der deutliche Kapazitätssteigerungen für die genannten Halte ermöglicht und damit dem Wachstum der Orte entgegenkommt.“

Für Oberkrämer, Beetz-Sommerfeld und Wustrau-Radensleben wird es dennoch erst mal das große Warten – und Hinhalten – geben.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert