In Kraatz werden jeden Tag rund 4000 Liter Milch entsorgt

Die Maul- und Klauenseuche ist bei der Agrar-GmbH nie ausgebrochen – dennoch gehen die Schutzmaßnahmen weiter und kosten die Landwirte viel Geld

MAZ Brandenburg Nord, 29.1.2025

Kraatz.
Es ist Tag 21. So lange ist es her, dass der Hof der Agrar GmbH im Granseer Ortsteil Kraatz von der Maul- und Klauenseuche (MKS) überrascht worden ist. Wobei die Seuche auf dem Hof selbst gar nicht ausgebrochen war. Der Hof ist geschlossen. Im Hofladen darf nichts verkauft werden. Die Milch von den rund 140 Kühen wird zwar gemolken, darf aber nicht weiterverwendet werden. Stattdessen wird sie entsorgt, weggeschüttet.
„Wir drehen uns im Kreis“, sagt Geschäftsführer Andreas Schmidt. „Es fehlen klare Ansagen.“ Bislang ist nämlich vollkommen unklar, wie lange dieser Zustand andauern soll.

Rückblick: Tag 1, es ist der 8. Januar 2025. Der Lkw eines Unternehmens für Tierkörperentsorgung fährt auf den Hof in Kraatz. Was erst später klar wurde: Auf diesem Lkw befand sich wohl der erste infizierte Wasserbüffel aus Hönow.
In Hönow, östlich von Berlin, war die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen, am 10. Januar war das festgestellt worden – am Tag 3. „Dann wurde rückverfolgt, wo der Lkw überall war“, erzählt Andreas Schmidt.
Am 12. Januar, es war ein Sonntag, kam die Nachricht vom Veterinäramt des Landkreises in Sachen Maul- und Klauenseuche. Es fand eine erste Beprobung statt. Dabei handelte sich es um Stichproben bei den Tieren. „Für die Blutuntersuchung muss man das Tier fixieren.“
Das Blut werde aus der Halsschlagader geholt. Außerdem wird eine Stichprobe aus dem Nasenraum geholt, ähnlich wie ein Coronatest mit Wattestäbchen beim Menschen. „Das ist bei einem 650 Kilogramm schweren Tier schwierig“, so Andreas Schmidt.

13. Januar, Tag 6: „Es kam die Ansage, dass wir keine Milch vom Hof weggeben dürfen“, erinnert sich Hans Frodl, Geschäftsführer der AHD Kraatz GmbH. Der Hof musste geschlossen werden – eine Seuchenvorkehrung. Eine weitere Vorkehrung sind Seuchenmatten an den Eingängen. Selbst Produkte, die vor dem 8. Januar fertiggestellt waren, dürfen nicht verkauft werden. „Zu dem Zeitpunkt war das alles noch nachvollziehbar“, sagt Hans Frodl. „Es war eine Kontrolle, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Seuche auch bei uns ausgebrochen war, sehr klein war. Und falls es so gewesen wäre, muss ja man Vorkehrungen treffen.“
Allerdings: Danach tat sich nur noch wenig. Alle Testergebnisse in Kraatz fielen negativ aus – der Hof war und ist seuchenfrei. „Die Inkubationszeit war auch vorbei, der Seuchenherd in Hönow hat sich nicht ausgebreitet.“

17. Januar, Tag 10: Der Tierbestand ist klinisch untersucht worden. Zwei amtliche Tierärzte kamen auf den Hof. „Es wurde geguckt, ob die Tiere Fieber oder Bläschen haben, wie ihr Fressverhalten ist.“ Befund: negativ, keine Seuche auf dem Hof. Und die Frage: Wie lange geht es dennoch so weiter?

20. Januar, Tag 13: Von 56 Tieren wurden erneute Blutproben genommen, dazu die Nasentests – zwei Tage später der Befund: negativ. Und wieder die Frage, wie lange der Hof dennoch gesperrt bleibe. Und: Wer kommt eigentlich für den finanziellen Schaden auf, der jeden Tag weiterwächst? Das Problem ist in der Kreisverwaltung bekannt. „Für diese vier Betriebe geht es jetzt um ihre Existenz“, erklärt Mandy Oys, die Sprecherin der Kreisverwaltung am Dienstag. „Nach einem persönlichen Gespräch mit betroffenen Tierhalterinnen und Tierhaltern am Rande des Oberhavel-Tages auf der Grünen Woche hat Landrat Alexander Tönnies deshalb kurzfristig Hilfe zugesagt.“

„Wir arbeiten intensiv daran, noch diese Woche finanzielle Hilfe zu leisten, um Existenzen zu retten“, so der Landrat am Dienstag auf MAZ-Nachfrage. „Für unsere Landwirtinnen und Landwirte ist es unmöglich, die Verluste zu kompensieren. Wir wollen unsere Betriebe retten.“
Denn es besteht nicht nur das Problem, dass der Hof trotz der Negativ-Tests und der abgelaufenen Inkubationszeit noch immer nicht öffnen darf. „Vonseiten des Landes ist keine kurzfristige Hilfe zu erwarten“, sagt Landrat Alexander Tönnies. „Brandenburg sieht außerdem aktuell nur Entschädigungen für Betriebe vor, wenn auf ihren Höfen die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist. Kontaktbetriebe werden nicht entschädigt.“

Genau das erbost Andreas Schmidt und Hans Frodl vom Kraatzer Hof besonders. Einerseits das lange Warten und das Nichtentscheiden. „Seuche ist Seuche, das ist klar. Aber es fehlt ein klarer Fahrplan.“ Andererseits der Umstand, dass sie keine Entschädigung bekommen, weil sie „nur“ Kontaktbetrieb sind, aber die Seuche gar nicht auf dem Hof hatten. „Es ist viel Geld da für den Schutz vor der Seuche“, sagt Andreas Schmidt. „Nicht aber für betroffene Betriebe – für die gibt es keinen Pott. Das ist das Absurde.“

Bald sind es drei Wochen, wo in Kraatz Tag für Tag 4000 Liter Milch gemolken und komplett entsorgt werden. Um die 80.000 Liter Milch landen in der Güllegrube. „Verrückt“, sagt Hans Frodl. Allein in Sachen Milch liege der Schaden bei rund 40.000 Euro, hinzu kommen aber auch der ausgefallene Tierhandel, und die Mitarbeiter müssen auch weiterbezahlt werden. „Es hängt ein ganzer Rattenschwanz dran.“ „Wir werden für etwas bestraft, wo wir gar nichts dafür können“, sagt Hans Frodl. „Wir verblasen gerade unser Geld.“ Und ein Ende der Maßnahmen ist nicht absehbar.
Die Kreisverwaltung sei „seit Tagen eng mit dem Land in Kontakt, um darauf hinzuwirken, die Höfe schnell aus den Restriktionen zu entlassen“, so Landrat Alexander Tönnies. „Aus Sicht des Landes kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Übertragung stattgefunden hat, als der Tierkadaver-Transport mit den an der Maul- und Klauenseuche verendeten Wasserbüffeln die Höfe in Oberhavel angefahren hat.“
Alle Auflagen, die das Land zur Eindämmung der Maul- und Klauenseuche vorgebe, setze der Landkreis „so schnell wie möglich um. Das Land hat jetzt eine dritte Probenentnahme in den Kontaktbetrieben angeordnet. Diese führen wir in Absprache mit den Betrieben diese Woche kurzfristig durch, sodass die Höfe aus den Restriktionen entlassen werden können. Denn bei negativen Laborergebnissen und klinischer Untersuchung kann die Kontaktsperre aufgehoben werden.“
Alexander Tönnies weiter: „Auch wir können nicht alle Regelungen auf europäischer und auf Landesebene nachvollziehen. Um die Übertragung der hochansteckenden Maul- und Klauenseuche zu verhindern, gelten landesweit strenge Hygieneauflagen. Gesetzlich nicht untersagt ist es aber, hoch erhitzte und vor der Kontaktsperre verarbeitete Lebensmittel – darunter Käse – wie vergangene Woche auf der Grünen Woche zu präsentieren.“

In Oberhavel ist auch der Bauernhof Koch in Großmutz im Löwenberger Land ein Kontaktbetrieb mit entsprechenden Maßnahmen. Bei der Grünen Woche sagte Landwirt Ronald Koch, dass es für den Hof sehr schwierig werden könnte.
Auch der Hofladen Bodien aus Bergsdorf bei Zehdenick ist betroffen. Auf der Grünen Woche sagte Hofladen-Betreiberin Gabriele Dittmann: „Der Hof ist gesperrt, wir müssen unsere Milch vernichten, ich kann mein Café nicht öffnen.“ Auch bei ihr steht die Existenz auf dem Spiel.


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