Wie Ramon ein Leben retten kann

Stammzellenspende: Der Marwitzer erzählt, warum er sich entschlossen hat, sich registrieren zu lassen

MAZ Nord-Brandenburg, 2.2.2024

Marwitz.
Wenn alles gut geht, dann hat Ramon einem anderen Menschen mehr Lebenszeit geschenkt. Ramon kennt diese Person nicht, aber er hat eine Zeit lang Verantwortung übernommen. „Das lohnt sich“, sagt er. „Ich habe ein paar Stunden meiner Lebenszeit gegeben, aber man gibt Monate oder Jahre, die die andere Person mit den Liebsten hat.“ Ramon hat Stammzellen gespendet.

Angefangen hat die Geschichte schon vor längerer Zeit. „Ein Kollege hatte einen kranken Freund, und es wurde ein Stammzellspender gesucht“, erzählt Ramon. Er sei gebeten worden, mitzumachen, sich also zu registrieren. „Das habe ich gemacht.“ Er hat sich bei der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSSD) angemeldet. Das funktioniert online. „Man füllt ein Formular aus, da werden schon ein paar Daten abgefragt.
Danach bekommt man ein kleines Päckchen nach Hause geschickt, ein Testkit. „Das ist ähnlich wie bei den Coronatests.“ Es handelt sich um zwei Wattestäbchen, die dann wieder zurückgeschickt werden. „Man bekommt dann Bescheid, wenn man registriert ist.“

Für die konkrete Suche des Kollegen kam Ramon nicht in Frage. „Das Thema war dann nicht mehr präsent.“ Bis ihn die Nachricht erreichte, „dass ich eventuell für eine Person in Frage kommen könnte. Ich war also in der Vorrunde.“ Und es ging weiter: „Ich bekam ein Set zur Blutabnahme – den sogenannten Bestätigungstest.“ Damit ging er zum Hausarzt.
„Nach zwei Monaten kam die Nachricht von der DSSD, dass ich voraussichtlich der genetische Zwilling einer mir unbekannten Person bin.“ Ramon konnte sich entscheiden, auf welche Art er spenden wollte. Es gibt zwei verschiedene Arten Stammzellen zu spenden: Bei der peripheren Stammzellspende wird der Person Blut abgenommen. Sie oder er bekommt zuvor ein Medikament verabreicht, das die Bildung von Stammzellen im Knochenmark so steigert, dass sie in die Blutbahn übertreten und sich dort anreichern. Fünfmal zwei Spritzen am Tag sind nötig. Möglich ist auch die direkte Knochenmarkspende. Dabei wird Knochenmark durch Punktion des Beckenkamms entnommen – unter Vollnarkose.

Ramon führte die periphere Spende durch. Beim Blutspendedienst des DRK in Berlin fand die Voruntersuchung statt. Dazu gehörten ein Ultraschall, ein grobmotorischer Check der Körperfunktionen, diverse Bluttests. Danach sei klar gewesen: Es passt alles. „Jetzt wusste ich: Ich bin der Spender, der genetische Zwilling, die Nadel im Heuhaufen.“ Das sei ein Gefühl, das man nicht mehr so oft habe. Ramon ist Polizist, „da hilft man ja oft Leuten. Das hier war aber was anderes. Ich war der Einzige, der in Frage kommt.“
Fünf Tage vor der eigentlichen Entnahme begann er, sich zweimal am Tag das Medikament zu spritzen. „Ich habe einen Beutel mit den Spritzen bekommen.“ Vorzugsweise spritzte er es sich in die Bauchfalte. Zehn Tage zuvor durfte er keinen Alkohol trinken, er sollte sich fettarm ernähren, nicht rauchen. Gegebenenfalls müssen Medikamente weggelassen werden, was aber vorher mit dem Arzt besprochen wird.

Und dann war der Tag gekommen, wieder in Berlin. Letzte Untersuchungen. „Das hat alles gepasst.“ Er habe sich an diesem Tag als wichtige Person gefühlt. „Das Ärzteteam war sehr professionell. Alle haben sich gekümmert.“ Er musste sich auf ein Bett legen, beide Arme bekamen Kanülen. Auf der linken Seite wurde Blut entnommen. Die angeschlossene Maschine sorgt dafür, dass die Stammzellen rausgefiltert werden. Auf der rechten Seite kommt das Blut wieder rein.
„Das hat fünf Stunden gedauert“, erzählt Ramon. Bewegen darf man sich kaum. „Man kann Musik hören, fernsehen.“ Links musste er stillhalten, rechts konnte er immerhin mal aufs Handy schauen. „Das ist schon eine Herausforderung.“ Aber wieder sagte er sich: Es lohne sich, weil er der anderen Person damit helfe. Am Ende des Prozesses sei aber klar gewesen: Am Tag danach müsse er noch mal ran, allerdings waren es da nur noch drei Stunden. „Das passiert eher selten, das hängt vom Körper ab.“ Die Nacht verbrachte er in einem Hotelzimmer, das ihm die DSSD zur Verfügung gestellt hatte.

Danach merke man, was man geleistet habe, sagt Ramon. Ein leichtes Schwächegefühl sei durchaus da. Gleichzeitig machen sich die Stammzellen auf die Reise zur Person, an die er gespendet hat. In seinem Fall ging sie ins Ausland. Höchstens 72 Stunden dürfen vergehen, bis die Spende bei der anderen Person ankommt.
„Man denkt die ganze Zeit dran: Der Patient hat jetzt meine Stammzellen. Und man hofft, dass der Körper damit arbeitet.“ Er möchte durchaus auch wissen, wie es der anderen Person geht, und es wird den Zeitpunkt geben, wo Ramon es auch erfährt.

„Bei der Deutschen Stammzellspenderdatei sind etwa 335.000 Spender registriert“, sagt DSSD-Koordinatorin Grit Schulz. Davon seien 88.000 Spender in der DSSD Nord-Ost. „Die DSSD ist eine Initiative der DRK Blutspendedienste Baden-Württemberg, Hessen und Nord-Ost.“ Sie weist auch darauf hin: „Eine Registrierung ist online mittels Wattestäbchen-Testset für zu Hause und auf jedem DRK-Blutspendetermin möglich.“ Wer sich registriert, wird an eine Zentrale gemeldet. Es gibt in Deutschland diverse solcher Dateien. „Sie haben aber alle das eine Ziel – Leben retten.“ Wer in einer Datei gemeldet ist, kann auch zentral „gefunden“ werden – für Patienten weltweit.

Ramon will auf das Thema aufmerksam machen: „Mir ist aufgefallen: Viele befassen sich damit nicht.“ Wenn er davon erzähle, dann heiße es, dass es eine schöne Sache sei. Ramon hofft aber darauf, dass das nicht nur Worte bleiben. „In meinem Freundeskreis habe ich Leute schon mit dem Thema infiziert“, sagt er und lächelt. Es sei einfach ein überwältigendes Gefühl, helfen zu können.


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