Anwohner im Amselweg müssen ihre Mülltonnen jetzt selber schleppen

Awu-Müllfahrzeuge steuern Sackgassen in Schwante nicht mehr an – Unverständnis über mangelnde Informationen

MAZ Oberhavel, 11.8.2023

Schwante.
Die Menschen im Amselweg in Schwante waren es immer gewöhnt, dass die Müllfahrzeuge ihre Tonnen direkt vor dem Grundstück leeren. Damit ist es nun vorbei – allerdings: So richtig umfassend informiert worden, sind die Betroffenen nur teilweise. „Offiziell weiß ich davon noch gar nichts“, sagt Bewohnerin Maxi Ulrich. „Die Art und Weise, wie das hier kommuniziert wird, hat mich ziemlich erschüttert.“
So ähnlich geht es dem Ehepaar Horn. „Bei einigen Nachbarn war ein Zettel an der Mülltonne“, erzählt Sigrid Horn. „Den haben aber nicht alle bekommen, weil ja nicht alle immer ihre Tonnen rausstellen.“ Ein Nachbar war es, der darüber informierte, dass die Müllwagen der Awu nicht mehr in den Amselweg fahren. Die Straße ist zwar nicht schmal, sondern durchaus breit – aber sie ist eine Sackgasse, und am Ende kann das Müllfahrzeug nicht wenden.

Die Menschen, die im Amselweg wohnen, müssen alle ihre Tonnen nun nach vorn, zur Kremmener Chaussee, schleppen. Was insbesondere für die älteren Leute dort nicht einfach ist, weil der Weg leicht bergauf führt.
„Es hat uns gewundert, dass die Leute hier mit den Tonnen plötzlich rauf und runter gelaufen sind“, sagt Sigrid Horn.
Gerd Kley hatte seine Tonne wie immer vor dem Haus abgestellt – sie blieb unberührt stehen. Er erkundigte sich telefonisch bei der Awu und bekam den Hinweis, dass auch er die Tonnen nun zur Kremmener Chaussee bringen muss. „Da sind für uns einige Meter zu bewältigen“, sagt er. „Wir sind ja auch schon über 75. Da fällt uns das schon schwer.“ Gerd Kley will wissen, auf welcher Grundlage die Müllfahrzeuge den Weg nun nicht mehr befahren.

Die Kreisverwaltung Oberhavel äußert sich auf MAZ-Nachfrage. „Zur Entsorgung von Abfällen sind die Behälter neben der Fahrbahn vor dem Grundstück bereitzustellen“, sagt Sprecherin Irina Schmidt. Sie beruft sich auf Paragraf 19, Absatz 1 und 2 des der Abfallentsorgungssatzung (AES).
„Ist die Befahrung einer Straße aus bestimmten Gründen nicht oder nur unter Gefährdung des Awu-Personals beispielsweise durch Rückwärtsfahren möglich, so sind die Abfälle an der nächstmöglichen sowie gefahrlos befahrbaren öffentlichen Straße bereitzustellen.“ Das sei Paragraf 19, Absatz 3 der AES.
„Es können verschiedene Gründe dazu führen, dass Entsorgungsfahrzeuge bestimmte Straßen nicht befahren dürfen“, so Irina Schmidt weiter.
„Beispielsweise fehlende Wendeanlagen bei Sackgassen, unzureichende Straßenbreite oder der nicht vollständige Ausbau der Grundstückszuwegung.“ Die Abfallentsorgung und die Zufahrt zu Abfallbehältern sei so zu erfolgen, dass Müllwagen nicht rückwärts fahren müssen. Habe eine Sackgasse keine geeignete Wendemöglichkeit für Abfallsammelfahrzeuge, darf diese gemäß den berufsgenossenschaftlichen Bestimmungen, hier der Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft Verkehr (DGUV Vorschrift 43 Müllbeseitigung), nicht befahren werden.
Nach der herrschenden Rechtsprechung kann in diesen Fällen verlangt werden, dass die betroffenen Anwohner ihre Abfallbehälter bei zumutbarem Transportweg an einer Straße bereitstellen, die durch Entsorgungsfahrzeuge erreichbar ist.

Die Frage ist: Was ist zumutbar? Ist es zumutbar, wenn Senioren, die 75 sind oder auch 80 und älter ihre Tonnen teilweise mehrere Hundert Meter bergauf schieben müssen? „Wir haben drei Tonnen“, sagt Anwohner Klaus Horn. „Den Hausmüll, die Papiertonne und die Gelbe Tonne.“ Hinzu komme bei vielen noch die Biotonne.

Und wieso wurde so schlecht informiert? Über die Information der Awu zur neuen Müllabhol-Situation, äußert sich Landkreis-Pressesprecherin Irina Schmidt so: „Wird eine veränderte Befahrungssituation festgestellt, informiert die Awu mittels Informationsschreiben die betreffenden Anwohner. In diesen Schreiben wird die Sach- und Rechtslage zum Thema grundsätzlich erläutert sowie der Bereitstellungsort für die Abfallbehälter ab einem bestimmten Termin benannt. Die Informationsschreiben werden in der Regel nach näherer Prüfung so schnell wie möglich durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt. Gelegentlich wird auch eine Vorinformation als Flyer an der Tonne nach der Entleerung befestigt. Diejenigen Bürger, die ihre Tonne nicht zur Leerung bereitgestellt haben, werden bei der nächsten Tour informiert.“
Tatsächlich haben die Betroffenen bislang kein Schreiben in der Post gehabt – und das, obwohl die neue Regelung ja ab sofort gilt. Maxi Ulrich kann da nur den Kopf schütteln. Sie sei bis heute nicht durch die Awu informiert worden.
Horns ebenso nicht. Sie wissen davon nur durch die nachbarliche Mundpropaganda, was sie zusätzlich empört.

Gerd Kley moniert die neue Verfahrensweise noch aus einem anderen Grund: „Wenn die Technik besser wird, kann das nicht auf Kosten des Services gehen.“ Doch laut Kreissprecherin Irina Schmidt liegt der Zusammenhang woanders: „Die Awu hat aktuell keine neuen, mit anderer Technologie ausgestatteten Fahrzeuge angeschafft. Es handelt sich hier um eine seit vielen Jahren geltende Regelung.“
Die Awu-Fahrer würden regelmäßig geschult, letztmalig Mitte Juli 2023. „Während dieser jüngsten Schulung wurde nochmals intensiv auf die unzulässige Befahrung von Sackgassen ohne geeignete Wendeschleife hingewiesen. Es ist davon auszugehen, dass die Unfallverhütungsvorschriften seitdem noch stärker beachtet werden und die Problematik deshalb aktuell vermehrt zum Tragen kommt.“
Nach einschlägiger Rechtsprechung verstoße ein rückwärts fahrendes Müllfahrzeug gegen das Gebot der ständigen Vorsicht und Rücksichtnahme sowie gegen das Verbot der Gefährdung anderer, da es auch beim Einsatz eines Einweisers zu Gefahren kommen könne, zum Beispiel durch plötzlich aus Grundstücken heraustretende Personen.

Die Menschen im Schwantener Amselweg sind mit ihrem Problem nicht allein. Auch der Elsterweg und der Finkenweg sind betroffen, dazu noch weitere Straßen in Schwante, aber auch in Birkenwerder, Bergfelde und Schildow.
Speziell in Schwante gibt es aber noch ein anderes Problem: Die Kremmener Chaussee ist nicht nur eine Landesstraße, die L170, sondern sie liegt auch außerhalb der eigentlichen Ortschaft Schwante. Es gilt Tempo 70. Die Mülltonnen, allein im Amselweg gibt es 18 Grundstücke, sollen nun an der Chaussee stehen. Familie Horn ist auch darüber erbost. Denn der Fahrbahnrand dort ist ein unbefestigter, abschüssiger Grünstreifen. „Das ist einfach nur gefährlich“, so Sigrid Horn.
Maxi Ulrich beschäftigt zudem die Haftungsfrage – und auch das offenbar nicht ohne Grund. In den vergangenen Wochen ist bereits beobachtet worden, wie schnell vorbeifahrende Autos die geleerten Mülltonnen regelrecht umwehten. „Oder wenn bei Herbststürmen dort eine Tonne auf die Straße fliegt und ein Auto trifft – wer haftet dann? Immerhin war es ja nicht meine Idee, die Tonne dort abzustellen“, so die Schwantenerin. Ist da vielleicht sogar die Gefahr höher als bei einem langsam rückwärts fahrenden Müllfahrzeug?
„Diesen Umstand werden wir gemeinsam mit der Awu prüfen“, sagt Landkreissprecherin Irina Schmidt. Und fand da vielleicht eine weitere Kommunikationspanne statt? Denn Irina Schmidt sagt außerdem: „Während der Umstellungsphase sind die Kraftfahrer angehalten, die Tonnen zu Fuß von dem angestammten Bereitstellungsort zu holen und nach der Entleerung wieder zurückzubringen, bis der neue Stellplatz verbindlich mitgeteilt wird. Möglicherweise ist das in diesem Fall versäumt worden. Das wird geprüft.“

In der Gemeindeverwaltung in Oberkrämer kann man offenbar im Fall der Schwantener Sackgassen wenig machen. In einem ähnlichen Fall in Bötzow konnte eine Wendeschleife angelegt werden, „aber das geht nicht bei einer 200 Jahre alten Straße“, so Bauamtsleiter Dirk Eger. Umso mehr werde aber bei neuen Wohngebieten darauf geachtet, dass Sackgassen mit Wendeschleifen ausgestattet werden. Die Situation in Schwante sei „nicht befriedigend. Keiner stellt sich gerne um“, so Dirk Eger weiter.

Die Bewohner des Amselweges in Schwante wollen sich nun wohl zusammentun, um vielleicht doch noch etwas zu erreichen. Ob sie gegen Paragrafen ankommen, ist jedoch fraglich.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Anwohner im Amselweg müssen ihre Mülltonnen jetzt selber schleppen“

  1. […] dürfen also Müllfahrzeuge nicht rückwärts in eine Sackgasse fahren. So zum Beispiel im Fall des Amselweges in Schwante – aber viele, viele andere Straßen sind auch betroffen. Beim Rückwärtsfahren könnte ja […]

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