Die Kitaplanung ist gerade die größte Baustelle

Wolfgang Geppert ist jetzt seit einem Jahr Bürgermeister in Oberkrämer – im Interview spricht er über seine ersten Erfahrungen, über die Zukunft der Kinderbetreuung im Ort und über das geplante Flüchtlingsheim in Marwitz

MAZ Oberhavel, 24.3.2023

Oberkrämer.
Seit einem Jahr ist Wolfgang Geppert (Freie Wähler) nun Bürgermeister in Oberkrämer. Zeit für eine kleine Bilanz.

Gibt es etwas, bei dem Sie sagen: Das mache ich besser als mein Vorgänger?
Wolfgang Geppert : Das ist eine hervorragende Frage. Ich kann es nur aus meinem Blickwinkel betrachten. Natürlich gibt es deutliche Unterschiede im Umgang. Ich habe andere Ziele, die ich mir setze, auch eine andere Persönlichkeit. Sicherlich ist da, wo Licht ist auch immer Schatten. Deswegen würde ich das gar nicht so in den Vordergrund stellen. Vielleicht ist auch der Umgang mit den Mitarbeitenden anders. Ob das immer so gewünscht oder von Vorteil ist, wäre die zweite Frage. Aber da würde ich mich ungern aus dem Fenster lehnen.

Und etwas, was Sie vielleicht noch nicht so gut machen wie er?
Herr Leys hatte natürlich unheimlich viel Erfahrung in dem Amt. Da fehlt mir manchmal noch der Hintergrund. Ich muss mich sehr viel einlesen und schaffe es aufgrund des Pensums, was hier an den Tag gelegt wird, nicht immer, in der Tiefe, so wie ich mir das wünsche. So ehrlich muss ich sein.

Was ist denn gerade Ihre größte Baustelle?
Die Kita. Wir müssen da unheimlich erweitern. Wir haben das Projekt in Marwitz, eine Kita zu errichten. Das ist finanziell, auch in Anbetracht der jetzigen Zeiten, schwer zu stemmen. Dann haben wir die Problematik in Vehlefanz, dass wir vielleicht sogar den Hort erweitern und über Kitaplätze nachdenken müssen. Die zweite große Baustelle ist das Thema Klima, in allererster Linie die Energieversorgung. Auch da müssen wir uns zukunftsmäßig anders aufstellen. Wir brauchen hier jemanden, der sich darum kümmert.

Wurde beim Kita-Thema bislang etwas verschlafen?
Nein, ich glaube, das hat sich erst ergeben. Was ausschlaggebend war, war die nicht vorhersehbare Entwicklung in Marwitz. Im Bundesdurchschnitt gibt es 1,8 Kinder pro Haushalt, und hier sind es deutlich über zwei. Es war auch nicht absehbar, dass sich das Gebiet in der Geschwindigkeit entwickelt. Das hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Insofern wurde der schon 2019 entstandene Kitabedarfsplan in diesem Jahr noch mal upgedatet, und das hat uns auch die Augen geöffnet, dass wir da tatsächlich nachsteuern müssen. Wir hatten teilweise in den Kitas Aufnahmestopp, das ist ja alles andere als befriedigend.

Wie lange könnte es dauern, bis die neuen Kitas stehen?
Das müssen wir zeitnah machen. Wenn alles gut läuft, hoffen wir, dass wir noch in diesem Jahr die Baugenehmigung bekommen, um mit dem Bau beginnen zu können.

Und baut die Gemeinde oder ein privater Träger?
Das hängt von der Planung ab. Wir müssen die Option tatsächlich prüfen. Es gibt die Möglichkeit des Baus durch eine freie Trägerschaft. Wir müssten, wenn wir die selber bauen, aller Voraussicht nach, ein Darlehen aufnehmen. Heißt, wir sind schuldenfrei und würden dann in die Gegenrichtung gehen. Das schmeckt mir nicht. Aber das würden wir genau prüfen. Es hängt von den Angeboten ab: Gibt es einen freien Träger, der baut?

Als Sie vor einem Jahr ins Amt kamen, begann ein paar Tage zuvor gerade der Ukraine-Krieg. Wie wurden Ihr Start und der Alltag davon bestimmt?
Die größte Auswirkung war zum Anfang, die Solidarität zu bekunden. Auch das möchte ich nicht bei der Bekundung belassen, sondern auch mit Hilfe hinterlegen. Da haben wir eine enge Zusammenarbeit mit Kotun, unserer Partnergemeinde in Polen. Kotun hat eine Partnergemeinde in der Ukraine, wo auch wir gezielt unterstützen können. Das haben wir im vergangenen Jahr finanziell getan, mit 20.000 Euro, die dann in Kotun in Form von Hilfsgütern weitergereicht wurden. Wir arbeiten gerade dran, dass wir auch in diesem Jahr noch mal eine Unterstützung gewähren. Vielleicht in Form eines Ringtauschs. Das heißt, wir werden – wenn die Gemeindevertretung zustimmt – ein Feuerwehrauto austauschen, würden es nach Polen geben, und die tauschen ihr Feuerwehrauto in die Ukraine.

Sie hatten sich im Bürgermeister-Wahlkampf das Thema Beteiligung auf die Fahnen geschrieben. Ich habe noch nicht so richtig den Eindruck, dass sich da was getan hat. Sie haben gesagt, Themen müssten deutlicher präsentiert werden. Das ist auf der Oberkrämer-Website oft nicht zu sehen, und beim Thema Asylheim in Marwitz war das scheinbar auch nicht der Fall.
Ich würde das eine von dem anderen trennen. Beteiligung ist für mich auch immer orientiert am Thema. Sie ist immer dann einzubringen, wenn es auch Not tut. Gerade wenn ich vom Klimakonzept spreche, dann ist es für mich ein so umfangreiches Thema, wo eine Beteiligung mehr als sinnvoll ist. Der Schäferweg in Vehlefanz ist auch ein wesentliches Thema, das die Bürger beschäftigt, wo wir eine Einwohnerversammlung machen. Das ist die Form der Beteiligung, die sehr direkt ist. Auch was die Entwicklung der Kitas angeht, haben wir durchaus die Beteiligung der Eltern.

Noch mal zum Asylheim-Thema. War es richtig, dem Ortsbeirat in Marwitz so ein großes Thema allein zu überlassen?
Das Thema konnte ich nicht einfangen, nicht nur, weil ich im Urlaub war. Das war in der letzten Gemeindevertretersitzung überraschend zum Thema geworden. Es war so, dass vor einem Jahr dieses Bauprojekt tatsächlich initiiert wurde. Der Ortsbeirat und der Bauausschuss wurden mit einbezogen, inwieweit es baurechtlich kompatibel sei. Wir sollten eine Stellungnahme abgeben. Seinerzeit waren die Wohnungen noch zum Teil für Geflüchtete und zum Teil für Sozialwohnungen, der Rest für den normalen Wohnungsmarkt. Die Situation hat sich geändert, als es hieß, dass der Kreis weitere Geflüchtete aufnehmen muss. Ich habe nur das Ergebnis mitbekommen, und das in Form einer Baugenehmigung, wo dann draufstand, dass es ausschließlich für Flüchtlinge ist. Der Kreis hat uns da nicht informiert. Das ist auch noch Gegenstand eines Gesprächs, das ich in Kürze führen werde. Anfangs war es in Oberkrämer relativ ruhig, was das Thema angeht. Es gab keinen, der das noch mal kritisch hinterfragt hat. Die Probleme mit der Infrastruktur sind uns durchaus bekannt. Es war ja schon im Kitabedarfsplan deutlich klar, dass es dort 90 Menschen geben wird. Insofern ist es eine Sache, wo ich rein von der Infrastruktur die Diskussion in keiner Weise nachvollziehen kann. Diese Sitzung im Ortsbeirat ist mehr oder weniger aus dem Bauch heraus entstanden. Das Thema stand überhaupt nicht auf der Tagesordnung.

Aber warum haben es AfD und NPD geschafft, ihre Leute zu dieser Sitzung zu mobilisieren, und die anderen nicht?
Das kann ich nicht beantworten. Es ist so, dass AfD und NPD das Thema für sich entdeckt haben. Ich kann nicht nachvollziehen, mit welchem Ansatz sie jetzt da rangehen, will das auch neutral betrachten. Was Fakt ist, ist das Thema Integration, das uns tatsächlich vor Herausforderungen stellt. Aber da nutzen wir unsere Erfahrungen aus Bärenklau und stehen hoffentlich zeitnah mit dem Landkreis in Kontakt. Außerdem haben wir auch noch finanzielle Mittel aus der Integrationspauschale. Aber die Auswirkungen auf die Infrastruktur sind die gleichen, egal, ob da jetzt ein Deutscher einzieht oder ein Ukrainer oder Syrer.

Alles wird teurer. Die Turnhalle in Bötzow wird um ein Drittel teurer als geplant. Wie geht es der Haushaltskasse in Oberkrämer?
Im Moment haben wir unseren Haushaltsplan so gestrickt, dass wir im Ergebnishaushalt rund 2,5 Millionen Euro im Minus sind. Aber der vorläufige Abschluss für 2022 hat ja relativ gute und beruhigende Zahlen geliefert. Das heißt, wir sind im Kassenbestand ungefähr beim Gleichen geblieben, wie wir gestartet sind, obwohl eigentlich ein Minus von fünf Millionen prognostiziert war, und da sind wir nicht gelandet. Das hat sicherlich auch mit Verzögerungen von Baumaßnahmen zu tun, so ehrlich will ich sein. Aber das ist jedes Jahr so. Insofern war ich relativ beruhigt. Es ist so, dass wir nicht am Hungertuch nagen, aber die Projekte, die vor uns stehen und die aktuellen Zeiten zwingen uns, vorsichtig vorzugehen.

Was macht mehr Spaß: Gemeindevertreter zu sein oder Bürgermeister?
Ich muss ganz ehrlich sagen: Mein jetziger Beruf, der macht mir deutlich mehr Spaß. Weil ich deutlich mehr im Detail stecken kann. Ich kriege ja mit, wie die Entschlüsse entstehen. Es ist aber auch manchmal sehr anstrengend.

Bevor man den neuen Beruf beginnt, überlegt man sich ja, was auf einen zukommt. Was ist im Amt des Bürgermeisters ganz anders, als Sie sich das vorgestellt haben?
Die Aufgabenvielfalt. Ich kenne ja die Aufgaben durchaus aus der Gemeindevertretung. Wenn ich alleine denke, welche Nebenaufgaben ich habe. Ich bin in der regionalen Planungsgemeinschaft, im Zweckverband Kremmen, im Zweckverband Glien, im Städte- und Gemeindebund und und und (zeigt auf eine lange Liste in seinen Notizen). Das ist wirklich Wahnsinn. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Dass ich mit Bürgern in Kontakt stehe, ist gut, was mich am Anfang erschreckt hat, war der Ton. „Ich fordere Sie auf.“ Es gab eine Unterschriftenaktion in Bötzow: „Wir fordern Sie auf, dass ein Arzt nach Bötzow kommt.“ Da liefen schon lange die Gespräche mit der jetzigen Ärztin. Das war noch nicht reif, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Da hätte aber ein Gespräch im Vorfeld viel Entspannung reingebracht.

Gab es eine positive Überraschung?
Die Mitarbeiterschaft. Man merkt anhand der Gespräche, dass man ein gewisses Vertrauen genießt. Die Vorbehalte waren recht schnell aufgegeben. Darüber war ich froh. Ich kriege auch Unterstützung, wenn ich Fragen habe.

Freitag ist Ihr erster Jahresempfang als Bürgermeister. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Das sind die Begegnungen. Ich freue mich auf den Bürgermeister aus Kotun. Und ich freue mich, wenn ich meine Rede gehalten habe, den entspannten Moment auch genießen zu können.


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