Der Ort des Sterbens ist nicht immer nur traurig, es wird auch mal gelacht

Landrat Alexander Tönnies besucht das Oberhavel-Hospiz „Lebensklänge“ in Oranienburg – der Tod ist für viele Menschen ein Tabuthema, doch das muss es nicht sein

MAZ Oberhavel, 30.7.2022

Oranienburg.
Das Hospiz in Oranienburg ist ein Ort des Sterbens. Aber dennoch ist es grundsätzlich kein trauriger Ort. Wer sich auf dem Gelände an der Germendorfer Allee umsieht, wird feststellen, dass es dort überall hell und freundlich ist, geradezu lebensbejahend, auch wenn sich alles um das Lebensende dreht.
„Es ist mir ganz wichtig, mal bei Ihnen zu Besuch zu sein“, sagte Landrat Alexander Tönnies (SPD) am Freitagvormittag. Seine Sommertour führte ihn ins Hospiz Oberhavel „Lebensklänge“. „Das Sterben und der Tod sind aus der Mitte der Gesellschaft gerückt“, sagte er. Der Tod und alles, was damit zusammenhänge, sei bei sehr vielen Menschen immer noch ein Tabu. „Solche Orte tragen dazu bei, dass das anders ist“, erklärte dazu Beatrice Marzahn, die Leiterin der Einrichtung. Die Atmosphäre im Haus sei anders, als viele denken würden. „Hier wird auch gelacht.“

Das Hospiz in Oranienburg hat 15 Plätze. „Wir haben Wartelisten“, so Beatrice Marzahn. Es gehe dabei aber nicht nach Zahlen oder Reihenfolgen, sondern nach dem gesundheitlichen Zustand. „Wir schauen, wer ist dringlicher.“ Es seien die Gäste selbst, die sich nach einer entsprechenden Diagnose melden würden, auch Angehörige, Krankenhäuser oder Betreuer. Bedingung: „Unsere Gäste müssen austherapiert sein.“ Im Durchschnitt bleiben die Gäste im Hospiz acht Wochen, aber es ist eigentlich sehr unterschiedlich. „Von ganz kurz, manchmal aber auch ein Jahr“, so Beatrice Marzahn. „Aber das ist sehr selten.“
Es sei ein gesellschaftliches Problem, dass die meisten Menschen in Krankenhäusern sterben, sagte Detlef Troppens, der Geschäftsführer des Hospizes. „Das Sterben zu Hause ist selten.“ Man habe 15 Jahre lang dafür gekämpft, dass das Hospiz in Oranienburg eröffnet werden konnte. Damals seien die Oberhavel-Kliniken in finanzielle Vorleistung gegangen. „Aber der Bedarf ist ja enorm“, sagte Landrat Alexander Tönnies. „Es gibt den Betroffenen so viel. Größer als die 15 Plätze, die es in dem Haus in Oranienburg gibt, sollte ein Hospiz nicht sein. „Je größer die Einheiten, desto mehr Struktur braucht man“, erzählte die leitende Pflegefachkraft Bernadette Collatz. Dabei sei es wichtig, auch individuelle Wünsche zu erfüllen. „Der Gast kann zum Beispiel selbst bestimmen, wann er aufsteht.“ So sei es möglich, um 6 Uhr zu frühstücken oder aber erst um 11 Uhr. „Das geht, weil wir hier die Zeit dazu haben.“ Detlef Troppens ergänzt, dass es im Krankenhaus andere, feste Abläufe gebe. „Hier ist das viel individueller.“

Für die Gäste – wer im Hospiz ist, ist kein Patient – gibt es im Haus viele Möglichkeiten, sich zu betätigen oder die Freizeit zu verbringen. Es gibt Möglichkeit, zusammenzusitzen, die Gäste können spielen und basteln oder einfach nur draußen sitzen. Am Freitagvormittag war der Musiker Sebastian Wolf aus Eichstädt zu Gast, der auf seiner Gitarre spielte und dazu sang. Wer nicht möchte, muss auch nicht, es gibt keine Zwänge.

Wenn dann ein Gast stirbt, dann folgt im Haus ein Ritual. „Wir ziehen den Gast um und baren ihn im Zimmer auf“, erzählte Bernadette Collatz. Das Zimmer und das Bett werden geschmückt, alles Medizinische kommt weg. „Wir lassen uns ein bisschen was einfallen.“ Dazu gehöre auch, dem Gast etwas Typisches zu geben, wie er vor Ort wahrgenommen worden sei. So habe ein Verstorbener ein Basecap aufgesetzt bekommen, weil das eine Art Markenzeichen von ihm gewesen sei. „Die Angehörigen können dann Abschied nehmen. Wir bieten auch Feiern an.“ Das sei auf weltliche oder auf christliche Art möglich. Da werden dann beispielsweise Gedichte gelesen oder die Lieblingsmusik gespielt. „Wir sind ja keine ausgebildeten Trauerredner“, so Bernadette Collatz, aber es werde so gesprochen, wie es vom Herzen komme. Es sei wichtig für die Trauernden, den Tod und den Abschied zu begreifen. „Vor dem Zimmer wird eine Kerze aufgestellt“, sagte Beatrice Marzahn. Im Eingangsbereich des Hospizes gibt es zudem an einer Tafel einen Baum, und stirbt jemand, dann bringen dessen Angehörige ein neues Blatt an und suchen aus, wo es hinkommt.
Es komme öfter vor, dass Angehörige später noch mal ins Hospiz kommen. „Wir haben ein Erinnerungscafé“, sagt Bernadette Collatz. „Wenn die Angehörigen später noch Gesprächsbedarf haben.“ Dort würden auch schon mal Freundschaften entstehen – und sogar ein Pärchen habe sich dort gefunden.

Fünf Prozent des Budgets müssen durch Spenden erwirtschaftet werden, so will es der Gesetzgeber. „Wir brauchen einige Zehntausend Euro im Jahr“, so Detlef Troppens. Man baue darauf, dass die Menschen etwas geben, wenn sie zufrieden seien, ergänzte er.
Landrat Tönnies war am Ende seines Besuches zufrieden. „Ich möchte, dass der Tod aus der Tabuzone kommt“, sagte er. Es gehe darum, angstfrei, schmerzfrei und in Würde diese Zeit im Hospiz zu erleben. Er wolle den Menschen, die dort arbeiten, Rückenwind geben.


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