Die Reeperbahn in Hamburgs Mitte ist nicht irgendeine Straße. Die ist so speziell, dass dort extra Schilder aufgehangen wurden, auf denen darauf hingewiesen wird, dass Schusswaffen verboten seien. Montags bis sonntags.
Da fühlt man sich doch gleich viel sicherer.
Es sind große Gegensätze, die da aufeinanderprallen. Arm und reich. Feiervolk und Obdachlose. Schnapsleichen und Drogenjunkies. Nutten und ahnungslos Passanten.
Wer abends über die einst von Udo Lindenberg besungene geile Meile schlendert, wird nicht nur von den älteren Herren vor den Sexclubs angesprochen, ob man nicht reinkommen wolle.
Als erstaunlich und unangenehm aggressiv treten auch die Prostituierten auf der Reeperbahn auf. Sie scheinen ein bestimmtes Areal zu besetzen – zwischen Burger King und der Davidswache. Wer das weiß, wechselt die Straßenseite. Wer das nicht weiß, tappt in die Falle.
Gerade als einzelner männlicher Passant ist man Mode. Da kommt eine der jungen Frauen auf einen zu. Den Finger gleich die Brust, den Weg versperrt. Was man denn jetzt vorhabe, und ob man nicht mitkommen wolle. Flucht ist schwierig, denn sie steht im Weg. Dazu gibt sie den anderen Mädels ein unauffälliges Zeichen, dazu zu kommen.
Man muss schon energisch sagen, dass man nicht wolle.
Man geht weiter, es kommt eine zweite Frau.
Man geht weiter, es kommt eine dritte.
Man geht weiter, es kommt die vierte Nutte.
Das ist dann der Punkt, wo man leicht aggressiv wird. Die Damen tun ganz freundlich, sie säuseln rum – aber diese Freundlichkeit ist bei näherer Betrachtung hochgradig aggressiv auf aufdringlich.
Selbst wer aus einem Imbiss kommt und nicht mal in ihre Richtung geht, wird aufgelauert, denen rennen sie hinterher.
Das ist dann wohl die Gangsterbraut, von der Lindenberg singt.
Und: Offensichtliche Ausländer quatschen sie nicht an. Schwarze werden nicht behelligt. Angst? Vorurteil? Unwille? Warum?
Wer dagegen in die Seitenstraßen läuft, dem fallen eventuell Typen auf, die da rumlaufen. Es könnten Türken sein, Araber, auch einige Schwarze. Auch sie wispern was, quatschen einen an. Vermutlich geht es auch um Sex, aber viele von denen verticken auch Drogen. Wenn sie Pech haben, kassiert die Polizei sie jungen Männer ein – Leibesvisitation auf offener Straße. Wirkt abschreckend, und soll es sicherlich auch.
Entlang der Reeperbahn liegen mittenmang und an den Schaufenstern die Obdachlosen. Drogen werden in der Öffentlichkeit konsumiert, es stört offenbar keinen wirklich.
Beim KFC-Imbiss wollen sie einen Penner loswerden, der vor dem Schaufenster liegt – und wohl kaum ansprechbar ist. Der Krankenwagen kommt, die Polizei auch. Der Mann will da nicht weg, er weigert sich. Krankenwagen und Polizei rücken wieder ab. Zwei andere Obdachlose, die das beobachten, beschimpfen die Beamten. Man könne doch den Mann da nicht liegen lassen, er habe eine Alkoholvergiftung. Kann aber nicht so schlimm gewesen sein, denn als die Aufregung vorbei ist, steht auch der Mann plötzlich auf und verschwindet.
Die Große Freiheit ist dagegen die wirkliche Partymeile. Überall aus den Clubs dringt laute Musik, selbst noch nach 3 Uhr. Es ist das ganz junge Feiervolk, das sich dort amüsiert
Aber wann schläft die Reeperbahn? Am Vormittag, am Mittag, am frühen Nachmittag. Die meisten Sexclubs haben zwar trotzdem geöffnet, man wird auch da von den Türstehern angequatscht, aber es ist wenig los. Viele Imbisse öffnen erst am Nachmittag, schließen dafür erst um 6 Uhr morgens. Auf der Großen Freiheit stehen die Liefer-Lkw. Der Beatles-Platz am Ende der Straße an der Reeperbahn wird gesäubert – inklusive der Musiker-Statuen.
So von wegen schmutzige Meile. Das ist sie nicht überall. Rauh aber ganz sicher.
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