Nach 60 Jahren auf ihrem Hof: Frau Kaatsch zieht um

Die 81-jährige Ortsvorsteherin vollzieht einen Schritt, dem sich viele Senioren ungern stellen

MAZ Oberhavel, 9.4.2016

Vehlefanz.
Die Couch ist noch da, der alte Schrank auch. Aber sonst ist es bereits recht leer im Haus. „Die größte Wehmut habe ich schon überwunden“, sagt Erika Kaatsch. Sie hat eine Entscheidung getroffen, der sich viele Senioren ungern stellen. Sie gibt Haus und Hof auf und zieht ins altersgerechte Wohnheim.
„Ich habe da lange drüber nachdenken müssen“, erzählt sie. „Aber ich finde, man sollte die Entscheidung nicht so weit nach hinten schieben. Irgendwann kann man die Entscheidung nicht mehr selbst treffen, und ich wollte das selbst tun.“
Das Haus, der Hof – mit 81 Jahren fällt die Bewirtschaftung immer schwerer. Im Garten den Rasen mähen, die Räume im Haus sauber halten – im Winter, morgens um sechs, Schnee schippen. All das ist auf Dauer anstrengend geworden, und im Alter ist man lange nicht mehr so belastbar wie früher.

Die Verträge sind unter Dach und Fach. Sie hat Nachfolger für ihren Hof gefunden. Erika Kaatsch selbst zieht bald in das altersgerechte Wohnheim, das in Vehlefanz demnächst eröffnet wird. Ein neuer Lebensabschnitt steht ihr bevor. „Ich weiß, manche trauen sich das nicht und warten so lange, bis es gesundheitlich gar nicht anders geht.“
Das wollte sie nicht. Sie wollte selbst entscheiden, was weg kommt, was mit kommt. Seit Wochen ist sie am räumen. „Auch viele Stücke, an denen Erinnerungen hängen.“ 60 Jahre lang hat sie auf ihrem Hof in der Dorfmitte gewohnt, 1956 zog sie dorthin, zu ihrem Mann. „Hier wollte ich auch für immer bleiben“, sagt sie. Seit den frühen 90ern lebte sie dort alleine.

Vieles hat sie schon verschenkt, jedes Foto angeschaut: soll es mit, kann es weg? „Man muss emotional abschalten, man muss die Kraft haben, zu sagen: Das will ich so“, sagt die 81-Jährige. „Sonst wird man damit emotional gar nicht fertig.“ In ihre neue Wohnung wird nur ein Bruchteil von ihrem Hab und Gut reinpassen. Sie muss knallhart aussortieren. Nur ein paar ihrer Möbel können mit. „Ich muss mich von vielem trennen, und manches fällt einem da wirklich schwer.“

Oft wird sie auf den Schritt, dass sie ihren Hof aufgibt, angesprochen. „Ich höre das immer wieder, wenn die Leute nachdenken, dass sie dann sagen: Sie machen das richtig.“ Auch ihre Kinder unterstützen sie in ihrem Vorhaben. Inzwischen hat sie auch schon ihre neue Wohnung anschauen können. „Seitdem freue ich mich wirklich darauf“, sagt sie und blickt sich im Wohnzimmer um: „Und hier ist es ja inzwischen auch nicht mehr gemütlich.“
Sie wird weiterhin in Vehlefanz leben, sie wird sehen, was künftig auf ihrem alten Hof passiert. „Aber ich habe Vertrauen zu meinen Nachfolgern, ich gebe ihn in guter Hände, und ich denke, dass es mir deshalb auch nicht schwerfallen wird, hier vorbeizugehen.“

Will sie – Ortsvorsteherin, Gemeindevertreterin, Seniorenbeiratschefin – denn selbst dann auch ein wenig kürzer treten? Sie lächelt. „Ich werde nicht alles gleich hinschmeißen dürfen“, sagt sie. „Man kann nicht plötzlich alles von Hundert auf Null zurückfahren. Im Moment mache ich weiter und schaue, wie es mir gesundheitlich geht.“


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