Tegel: In der Einflugschneise

Gleich, um 20.10 Uhr, muss ein ganz besonderer Flieger ankommen. Mit Propellern, so was sieht man nicht mehr so oft.
Und tatsächlich: Es ist fast 20.10 Uhr, da hören wir das Brummen, und es wird immer lauter. Der Flieger taucht hinter den Bäumen auf, wird größer. Er nähert sich uns und donnert in niedriger Höhe über uns hinweg. Nur wenige Meter weiter setzt er zur Landung an.

Wir sind in Berlin-Reinickendorf. Da, wo die Leute direkt in der Einflugschneise für den Flughafen Tegel wohnen. Wer bei Kentucky Fried Chicken sitzt, kann die Flieger zu den Stoßzeiten im 90-Sekunden-Takt rüberdonnern sehen. Scheinbar haarscharf über dem Mehrgeschosser fliegen sie rüber, ehe sie in Tegel landen.

Am Autobahnzubringer zwischen dem Kurt-Schumacher-Damm und dem ehemaligen Dreieck Reinickendorf (A111) gibt es eine Stelle, an der man als Vorbeifahrender immer sehr viele Leute auf der Mauer sitzen sitzt.
Seit in den „111 Orten, die man in Berlin gesehen haben sollte“ diese Stelle genannt worden ist, ist sie auch kein Geheimtipp mehr.
Wer dort sitzt oder steht, hat einen tollen Blick auf das Flughafen-Gelände. Man sieht, wie die Flieger landen – sie fliegen ja über einen hinweg – und wie sie starten und meist in Richtung Spandau verschwinden.

Es halten sich mitunter interessante Leute dort auf. Wir treffen einen jungen Mann, der es sich scheinbar zum Ziel gemacht hat, ankommende Flugzeuge zu fotografieren. Immer wieder. Dann zeigt er die Fotos den anderen, um zu zeigen, welche am besten ist und welche er stattdessen wieder löschen könne. Das Urteil der Befragten zählt jedoch nicht, denn er hat sich längst entschieden. Vermutlich geht es ihm eher darum, sich mit anderen zu unterhalten. Er weiß, wann Flieger kommen und vor allem: woher sie kommen. Er weiß auch, welche Fluggesellschaft gleich ankommt und ob es eine spezielle Maschine ist. Er hat immer Geschichten zu erzählen – ob sie alle stimmen steht auf einem anderen Blatt.

Man erreicht den Tegel-Ausguck über die Meteorstraße. Durch dieses Viertel zu laufen, ist ebenfalls sehr spannend. An einer Stelle donnern die Flieger direkt über den Kopf hinweg. Laut. Krachend. Deshalb passt auch der Name Meteorstraße so perfekt.
Die Hinweislichter für die Einflugschneise stehen dort teilweise sogar in den Gärten der Büros oder Privatgrundstücke.
Das Getöse der Flugzeuge ist dort gewaltig, und man fragt sich, wie die Leute das aushalten. Auffallend viele unfertige Häuser stehen dort. Viele warten die Leute, bis der Flughafen Tegel geschlossen hat. Andere Häuser haben – so ist es für die Bewohner zu hoffen – eine dichte Dämmung.

Damit könnte bald Schluss sein – falls in Schönefeld, am anderen Ende Berlins, irgendwann mal der neue Flughafen eröffnet wird.
Ich fänd’s schade – trotz allem. Tegel muss offen bleiben.

Gleich, so weiß es unser Tegel-Experte, kommt ein besonders dicker Brummer an. und tatsächlich: Eine große Maschine schwebt über die Fahrbahn neben uns, er scheint besonders langsam auf die Landebahn zuzufliegen. Er setzt auf, und unser Freund zeigt wieder seine Fotos herum.


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