Wie im wilden Westen

Gestern begann der Erntehelfer-Prozess: Vier Männer haben in Kremmen Selbstjustiz verübt

MAZ Oranienburg, 2.9.2014

KREMMEN
Der Fall von Selbstjustiz hatte in Kremmen und weit darüber hinaus für großes Aufsehen gesorgt. Gestern begann am Oranienburger Amtsgericht der Prozess gegen vier Männer aus Staffelde sowie aus Lüchfeld bei Neuruppin. Ihnen wird vorgeworfen, am 13.Mai 2013 in Kremmen zwei polnische Erntehelfer misshandelt und gewaltsam festgehalten zu haben.

Gegen 17 Uhr liefen drei Helfer des Kremmener Spargelhofes von einem Feld bei Flatow zu Fuß in Richtung Unterkunft. Auf einem Waldweg nahe der Kuhsiedlung zwischen Charlottenau und Orion sind sie von mehreren Männern angehalten worden. Da die Saisonarbeiter kaum Deutsch verstehen, wussten sie nicht, worum es geht und wollten flüchten. Einem von ihnen gelang das, die anderen beiden Männer, so die Anklage, wurden geschlagen, zu Boden gerissen und getreten. Später sind ihnen die Beine gefesselt worden. Sie sollten in ein Auto steigen, dazu sind sie dann gezwungen worden.
Uwe K. (51), seine Söhne (26 und 21 Jahre) und ein Freund der Familie (22) wollten die Erntehelfer auf einen Hof an der Neuruppiner Straße bringen. Dort hatten am Vormittag drei Männer versucht, in ein Haus einzubrechen. Die drei Polen hielten sie für die Tatverdächtigen. Auf dem Hof von Gudrun S. sind die Erntehelfer von Uwe K. mit den Armen an eine Europalette gefesselt worden.

Während die drei jungen Angeklagten gestern schwiegen, machte Uwe K. eine umfassende Aussage. Im Großen und Ganzen bestätigte er den Tathergang. Nach dessen Angaben sei es sein Ziel gewesen, die aus seiner Sicht Verdächtigen anzusprechen und zu befragen. Dass die Männer flüchten wollten, sahen er und seine Jungs als Indiz dafür an, dass sie den Einbruchsversuch am Vormittag verübt haben könnten. Die Polizei habe er aber nicht gerufen, erzählte er weiter. Auf recht unbekümmerte Weise berichtete er von der Gewalttat. „Die Ausmaße habe ich da noch nicht erkannt“, sagte Uwe K. gestern.
Richterin Katrin Arbandt sagte, sie habe den Eindruck, K. vertrete den Standpunkt, nichts falsch gemacht zu haben. Der berichtete daraufhin, dass er sich am Tag danach bei den beiden Erntehelfern entschuldigt habe. Klar ist unterdessen, dass die beiden Geschädigten Grzegorz M. und Leszek M. mit dem Einbruch nichts zu tun hatten. Ermittlungen haben das ergeben.
Bis heute scheinen sich aber die Vorurteile zu halten. Die Tochter der Hofbesitzerin beschreibt ihre Beobachtung der an der Palette gefesselten Männer so: „Mein Eindruck war, dass die wussten, warum die da waren.“ Dass die Männer Angst gehabt hätten, sei ihr nicht aufgefallen. Und ganz allgemein: „Das war schon wie der wilde Westen.“

Wie grausam die Tat aber war, offenbarte sich, als Grzegorz M. und Leszek M. erzählten, wie sie die Ereignisse erlebt haben. Für sie sei vollkommen unklar gewesen, was die Männer von ihnen gewollt haben. „Wir hatten Angst, sie würden uns im Wald umbringen“, sagte Leszek M. „Werden wir hier erhängt?“, fragten sie sich. Es sei eine extrem schmerzhafte Erfahrung gewesen.
Morgen wird der Prozess fortgesetzt.


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